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IT Works

Unternehmensberater Ronald GW Schneider

Problemlösungen – Sicherheit – technische Übersetzungen

Elias Mellberg hatte das Schild öfters gesehen, wenn er auf dem Weg zum Spielzeugladen war, um Computerspiele anzusehen und zusammen mit seinem Klassenkameraden William Olsson in der Secondhand-Kiste zu wühlen.

Er war sein Star-Wars-Legospiel leid geworden, auch wenn ihm der Jedi Shuttle, der im Bücherregal stand, immer noch gefiel. Aber Computerspiele waren cooler. Ganz klar. Am liebsten würde er das letzte Call-of-Duty-Spiel haben, aber seine Eltern hatten abgelehnt. Keine Kriegsspiele. Punkt, aus.

Jetzt war er unterwegs zum Spielzeugladen, um trotzdem einen Blick darauf zu werfen und sich zudem das neue Shogun-Spiel anzuschauen. Im Rucksack hatte er das komische kleine Gerät, das er im Hafen gefunden hatte.

Er blieb vor dem Schild von »IT Works« stehen. Es befand sich an der Tür eines Ladens mit einem Fenster zur Straße hin. Manchmal saß jemand dort drinnen und arbeitete, manchmal war es dunkel und leer in dem Geschäft.

Jetzt saß ein Mann am Schreibtisch. Ein Krawattenmann, dachte Elias, als er das helle Hemd und die rote, gemusterte Krawatte sah. Er kannte bisher keine Krawattenmänner. Weder sein Vater noch die Freunde seines Vaters oder Palle im Freizeitheim trugen Krawatten. Aber dieser da sah recht freundlich aus. Ganz okay eigentlich.

Er stand draußen und fühlte, wie ihm das Herz bis in den Hals schlug.

Konzentriere dich, Elias, ein richtiger Detektiv darf nicht feige sein, dachte er. Dann ergriff er die Türklinke. Der Mann am Schreibtisch sah etwas erstaunt auf, als er Elias erblickte.

»Hallo«, sagte er und lächelte. »Ich heiße Ronald, wie heißt du denn?«

»Elias.«

Er holte Luft und fuhr fort: »Du kennst dich mit Computern aus, nicht?«

Ronald lächelte wieder und zwinkerte Elias zu.

»Ja, ziemlich gut. Weißt du, ich habe gleich ein Kundengespräch, aber ich kann vorher noch kurz mit dir sprechen. Ist dein Computer kaputt gegangen?«

»Nein, ich habe überhaupt keinen eigenen Computer. Ich meine Dinge, die man für einen Computer braucht. Verschiedene Teile. Kennst du dich da aus?«

»Meinst du Tastaturen oder Lesegeräte?«, fragte Ronald.

Er war vom Stuhl aufgestanden, war um den Schreibtisch herumgegangen und hatte sich mit gekreuzten Armen auf die Schreibtischkante gesetzt.

Er scheint in Ordnung zu sein, dachte Elias und überlegte, ob er Ronald seinen Fund zeigen sollte, als sich die Tür öffnete und eine Frau hereinkam. Ronald trat auf sie zu, reichte ihr die Hand, während er Elias zunickte.

»Hallo, guten Tag. Ronald Schneider. Und Sie sind Kerstin Söderström, nehme ich an.«

Elias blieb noch einen Augenblick stehen, während die Frau Ronald gegenüber Platz nahm.

Als Ronald begann, über Server und Computersysteme zu sprechen, verschwand Elias vorsichtig rückwärts durch die Tür.

Er war schon auf dem Weg in Richtung Spielzeugladen, als er Ronald rufen hörte: »Wiedersehen, Elias. Komm doch ein anderes Mal wieder, dann können wir weiterreden.«

Donnerstagnachmittag. Bald Ende der Arbeitswoche.

Harry Lindgren nahm einen Schluck Kaffee und schüttelte sich. Rattengift, dachte er und ließ seine Gedanken schweifen.

Das letzte Wochenende war schön gewesen. Am Sonntag hatte er zusammen mit seinen Enkeln Malte und Ruben auf einer Felsplatte unter der Svartnöbrücke gestanden und Heringe geangelt. Zwei Wildfänge, die es geschafft hatten, einen ganzen Eimer mit silberglitzernden Fischen zu füllen, ohne sich mehr als nötig in den Leinen zu verfangen. Glück gehabt, dachte er.

Morgens hatte er den Weg über Södra Bergen zur Polizeiwache genommen. An der Balustrade hinter der Bergstugan war er stehen geblieben und hatte über das Wasser der Norrtäljebucht geblickt bis hin zum Turm des Silos, der immer noch stand. Er hatte die Lachmöwen kreischen gehört, den Duft von Flieder eingeatmet und gedacht, dass es nicht viel besser sein könne, als es war.

Glück.

Jetzt saß er am Schreibtisch und dachte über das nach, was in den letzten Wochen passiert war.

Es gab einen Rentner, der ebenso spurlos wie unerklärlich verschwunden war. Jetzt rief die Familie jeden Tag an und forderte Aufklärung. Zu Recht.

Vor allem jedoch gab es den Mord an Lars Gustavsson, der in Harry Lindgrens Augen nicht geklärt war. Er war weit entfernt von der Überzeugung, dass Robert Skogh schuldig war, trotz des Blutes auf seiner Jacke. Das Frachtschiff, das Hals über Kopf abgefahren war, ließ darauf schließen, dass es bei dieser Geschichte noch mehr Verwicklungen gab.

Er wusste auch nicht, was er von dem Überfall halten sollte, den Robert Skoghs Schwester angezeigt hatte. Und was hatte sie eigentlich auf dem Turm des Silos zu suchen?

Harry Lindgren seufzte und rief Fatima Barsawi an.

»Wir müssen Skogh noch einmal vernehmen. Ich bin sicher, dass er mehr weiß, als er gesagt hat. Er kann wohl nicht so dumm sein, wie er wirkt. Und wir müssen auch noch einmal mit der Schwester sprechen.«

Malin Skogh sank nach einem anstrengenden Arbeitstag in den Korbstuhl im Flur. Der Frühsommer war immer eine hektische Zeit im Salon »Hårklipparna«. Plötzlich wollten alle einen Termin haben, um sich für eine Konfirmation, eine Hochzeit, Abiturfeiern oder andere Festlichkeiten schön machen zu lassen. Schneiden, Waschen, Föhnen, Färben, Steckfrisuren, Dauerwellen und und und, es nahm kein Ende.

Ich darf nicht aufgeben, dachte sie. Ich muss weiterkommen.

Sie hatte mit Roberts Rechtsanwalt Tomas Fredriksson gesprochen, der sie darauf vorbereitet hatte, dass Robert wahrscheinlich verlegt würde. Es sieht nicht besonders gut aus, hatte er gesagt.

Als sie ihren Kopf in die Hände stützte, bemerkte sie das Holzstück, das seit der Joggingrunde mit Fatima auf dem Tisch gelegen hatte. Ich kann nicht einmal mehr aufräumen, dachte sie und hob es auf.

Sie drehte und wendete es und betrachtete die russischen Buchstaben. Merkwürdig, dachte sie. Die Besatzung des Frachters, der Mann, mit dem Fatima zusammengestoßen war, und jetzt diese Buchstaben.

Sie dachte daran, wie ihre Mutter sich mit Leonard Cohen zu trösten pflegte, wenn alles düster aussah.

Ann-Marie Skogh hatte eine schwere Zeit durchgemacht, nachdem ihr Mann Tommy sie verlassen hatte und zu einer anderen Frau nach Halmstad gezogen war. »Aber das Licht kommt immer zurück, Malin«, hatte Ann-Marie gesagt und immer wieder die beiden Zeilen von Cohens »Anthem« wiederholt: »There is a crack in everything, that`s how the light gets in«.

Sie hat Recht gehabt, dachte Malin. Als die Kinder erwachsen waren, hatte sich Ann-Marie von ihrer Stelle als Krankenschwester im örtlichen Krankenhaus beurlauben lassen und sich bei den Ärzten ohne Grenzen beworben. Jetzt befand sie sich auf Haiti und erzählte, wenn sie über Skype miteinander sprachen, dass sie glücklich sei, etwas Sinnvolles zu tun.

»That’s how the light gets in«, flüsterte Malin leise für sich selbst, zog die Joggingschuhe an und trat hinaus in den milden Frühsommerabend.

Sie ging die Hantverkaregatan hinunter zum Hafen, wich zwei Teenagern aus, die auf ihren Skateboards angerauscht kamen und merkte, wie ihr Puls anstieg, als sie sah, dass ein Frachtschiff am Kai ankerte. Aber es war nicht die Melchior, sondern nur eines der üblichen Lastschiffe. Sie lief eine Weile im Hafen herum, ohne zu wissen, wonach sie eigentlich suchte, sah, wie sich ein Segelschiff in der Abendsonne näherte und eine Gruppe von Leuten, die im Park gegenüber Ball spielten.

Sie hatte das Stück Holz in die Tasche gesteckt und berührte es vorsichtig. Russische Buchstaben. Ich muss es Fatima zeigen, dachte sie.

Als sie zurück in die Stadt ging, hatte sie das Gefühl, nicht allein zu sein. Sie drehte sich um, aber es war nur eine dicke, außer Atem geratene Frau mit einem hechelnden Labrador. Hör auf, dir etwas einzubilden, dachte sie, als sie den Parkplatz am Hotel überquerte und weiter in Richtung Lilla Torget ging.

Sie wollte am Theater vorbeigehen, ohne richtig zu wissen warum, und sie wählte die Fußgängerbrücke. Als sie an der graugrünen Tür der Freimaurer vorbeikam, blieb sie stehen und betrachtete deren Symbol. Es gibt so viele Geheimnisse auf der Welt, dachte sie. So viel, was man nicht weiß und nicht versteht.

Da fühlte sie plötzlich eine Hand auf ihrer linken Schulter und einen warmen Atem, der ihr ins Ohr flüsterte: »Ganz ruhig. Du kommst jetzt mit mir.«

Schärenmorde

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