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Als Olle Kärv nach dem Mittagessen wieder zurück in die Redaktion der Norrtelje Tidning kam, hatte er eine recht detailreiche, aber ziemlich überladene Geschichte im Kopf. Er begriff, dass er nun zusammenfassen musste, was er über diese kriminellen Machenschaften, die sich in Norrtälje abspielten, wusste. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann, seine Aufzeichnungen durchzulesen, als der Nachrichtenredakteur zu ihm kam und sagte, dass er auf den Bericht über den Immobilienmakler warte, der wegen Steuerhinterziehung angeklagt war.

Olle antwortete, dass er ihn in einer Stunde fertig haben würde. Er schrieb schnell, und obwohl er nicht richtig zufrieden mit dem Artikel war, lieferte er ihn trotzdem ab und sagte, dass er jetzt an der anderen Sache arbeiten wolle.

»Wo du nicht richtig weißt, um was es sich eigentlich handelt?«

»Genau.«

Olle hatte schon über den toten Mann im Hafen geschrieben, über Robert Skogh und über mysteriöse Schiffe, und er hatte seinem Chef gesagt, dass noch mehr kommen würde. Jetzt begriff er, dass er so langsam Resultate vorweisen musste.

Er legte eine Liste über Fakten und Überlegungen an, er schrieb mit der Hand, strich durch, hatte zum Schluss eine Übersicht über plausible Vermutungen. Dann rief er Fatima an. Ob sie sich treffen könnten?

Sie hatte wenig Zeit, wenn er allerdings am folgenden Morgen um sieben mit ihr eine Runde joggen wollte, könnte er das gerne tun.

Er wusste, dass er nicht über ihre Energie und Ausdauer verfügte, sagte aber trotzdem zu. Es war halb drei. Schweden hatte begonnen, in die Ferien zu fahren, und Büros und Behörden machten früh Schluss. Viele waren schon weg. Aber er gab nicht auf, hatte Glück, erreichte Alvar Vantanen, der die M/S Melchior in den Hafen von Norrtälje gelotst hatte.

Ja, Vantanen hatte auch gedacht, dass mit dem Schiff etwas seltsam sei, und dann war der Kapitän übereilt aufgebrochen, so als ob er etwas zu verbergen hatte.

Darauf rief Olle das Zollamt in Stockholm an. Er kannte dort seit langem Inspektor Ingvar Lund. Der war allerdings im Urlaub. Olle wusste, dass er ein Sommerhaus auf Arholma hatte, und rief dort an.

Es wurde ein langes Gespräch. Lund wollte nicht genannt werden, aber er erzählte, dass Interpol vor neuen Schmuggelrouten von Russland in den Nahen Osten gewarnt hatte, und diesmal waren es andere Waren als üblich.

Via Schweden?

Nicht unmöglich.

Vielleicht sogar via Roslagen?

Vielleicht. Und in diesem Fall war das wohl eine Folge all der geschlossenen Küstenstationen und der Stellenkürzungen beim Zoll in Schweden, nicht zuletzt in Roslagen.

Olle bedankte sich, und Ingvar Lund wünschte ihm Erfolg. Olle merkte, dass der alte Zollbeamte nicht damit einverstanden war, was sich vor seinen Augen abspielte.

»Schreib etwas Gutes«, sagte er.

»Ich schicke dir ein Exemplar«, antwortete Olle.

Um zehn vor sechs klingelte der Wecker. Olle stellte sich unter die Dusche, drehte vorsichtig das warme Wasser zuerst auf lauwarm, dann auf eiskalt.

Die Norrtelje Tidning lag neben Dagens Nyheter an der Tür. Er trank Kaffee und las seinen eigenen Artikel über die Steuerhinterziehung. Na ja, nicht unbedingt das Beste, was er bislang geschrieben hatte.

Als er die Wohnung verließ und auf die Kungsgatan trat, rief er Fatima an. Er sagte, dass er in fünfzehn Minuten vor ihrer Haustür auf der Bangårdsgatan stehen würde. Dann begann er langsam in Richtung Zentrum zu joggen.

Sie trug einen blauen Trainingsanzug. Die Hosenbeine waren aufgekrempelt, und er sah, dass sie an den Beinen und am Hals braungebrannt war. Vielleicht war es auch ihre natürliche Hautfarbe, das wusste er nicht. Das Haar hatte sie hochgesteckt.

»In Richtung Hafen?«, fragte sie.

»Das kannst du bestimmen«, antwortete er.

Sie liefen langsam, joggten an der S/S Norrtelje vorbei, liefen weiter in Richtung Silo bis zu der Stelle, an der der tote Lars Gustavsson im Wasser gefunden worden war. Sie liefen schweigend nebeneinander her und bogen dann auf kleinere Wege hinaus nach Grind und Långgarn ein.

»Eine kurze Pause?«, keuchte Olle.

Sie blieben stehen, gingen dann am Rand der sumpfigen Strandwiese entlang. Fatima atmete ruhig. Olle versuchte, sein Keuchen zu unterdrücken, was ihm aber nicht gelang.

»Der Zoll glaubt, dass von Russland aus Schmuggel via Schweden in die übrige Welt betrieben wird«, sagte er. »Glaubst du, dass das stimmen kann?«

»Meinst du, ob ich es persönlich glaube oder ob es die Polizei glaubt?«

»Was auch immer, such es dir aus.«

»Okay, ich selbst glaube, dass das stimmen kann.«

»Es hängt offenbar alles zusammen. Die Melchior, die Sertem Explorer und das, was Holtha gehört hat, und vielleicht auch der Mann, der tot im Hafen lag, und der Alte, der verschwunden ist.«

»Das ist eine Theorie.«

»Ja, aber ist es eine einleuchtende Theorie?«

»Ich beginne fast, es zu glauben.«

»In diesem Falle tut sich ja hier in Norrtälje einiges, oder?«

»Ja, in diesem Fall ist das wohl so.«

»Und du und Malin, ihr wurdet beschattet und seid mit ein paar krummen Typen aneinandergeraten, ausgerechnet auf der Eckerö-Fähre. Ich weiß, dass eine neue Art Schmuggelware auf diesem Wege kommt, jedenfalls glauben meine Quellen beim Zoll das.«

»Ja, Interpol nimmt es auch an.«

»Herrgott, Fatima, was passiert denn eigentlich?«

»Was soll ich sagen? Aber es ist doch nur eine Theorie, die du dir zusammenreimst. Ich weiß davon nichts.«

»Nein, du weißt ja wie immer überhaupt nichts, Fatima.«

Sie lachte, Olle ebenfalls. Sie blieben stehen, er berührte sie kurz an der Schulter. Sie lächelte, er versuchte zu lächeln. Dann drehte sie sich um und begann zu laufen, er lief hinterher.

Wonner fuhr an diesem Tag einen kleineren silbergrauen Mercedes. Er trug einen Leinenanzug, einen hellen Hut und eine Sonnenbrille, und hörte Mozarts 23. Klavierkonzert. Es war eines seiner Lieblingsstücke, besonders gefiel ihm der Übergang vom zweiten in den dritten Satz, von gedämpftem Moll zu einem auffordernden Lebensgefühl. Das machte ihm Hoffnung.

Er parkte vor dem Busbahnhof, um die Norrtelje Tidning zu kaufen. Die schwarze Überschrift auf der ersten Seite sprang ihm sofort ins Auge:

Ausländische Liga fasst Fuß in Roslagen

Er kaufte alle Tageszeitungen, setzte sich wieder ins Auto und begann mit dem Text, der auf der ersten Seite der Norrtelje Tidning stand. Der Text fasste Dinge zusammen, die eigentlich nur Wonner wissen konnte. Seine Mitarbeiter hatten immer nur begrenzten Einblick. Er selbst hatte den Überblick, und nur er, denn er leitete die Organisation vor Ort. Jetzt jedoch hatte sich sogar die Lokalzeitung auf irgendeine Weise einen Überblick verschafft.

Wonner schlug die zweite Seite auf und las den Artikel, den Olle Kärv geschrieben hatte. Wonner hatte schon gemerkt, dass dieser Mann zu viel wusste. Fast alles stand da: die Melchior, die Sertem Explorer, der Überfall auf einen Polizisten, die ungeschickte Attacke auf der Fähre. Und das Schlimmste war, dass der Reporter einige der Transportwege herausgefunden hatte.

Wonner blätterte schnell die übrigen Zeitungen durch. Die brachten jedoch nichts über seine Geschäfte. Offenbar hatten sie die Neuigkeiten noch nicht aufnehmen können. Aber das würde schon noch kommen.

Er fuhr vom Parkplatz und hörte auf dem Weg zurück in seine Wohnung wieder Mozart. Er überlegte und fasste einen Entschluss, der schon längere Zeit in ihm gereift war.

Als er nach Hause kam, verfasste er eine Mail. Er schrieb auf Englisch, erzählte ein wenig von der netten Stadt Norrtälje, vom Wetter, vom Straßenleben, den Parks und den Häusern. Es waren einfache Beobachtungen, die sich für den Uneingeweihten alltäglich und normal lasen. Für den Eingeweihten bedeutete Wonners Text jedoch etwas ganz anderes.

Er stellte die Probleme dar, die entstanden waren. Und er teilte mit, dass er die Mitarbeiter auf die übliche Weise von ihren Aufgaben trennen wolle. Er empfahl seinen Auftraggebern gleichzeitig, die Lieferungen einzustellen, und ab sofort andere Wege zu nutzen.

Zwei Stunden später bekam er Antwort. Der Absender bestätigte den Vorschlag, teilte jedoch mit, dass die letzte Lieferung schon unterwegs sei.

Wonner bestätigte es, indem er über das schöne Mittsommerwetter in Roslagen berichtete. Er benutzte einfache Wörter, die für denjenigen, der sich mit dem abgesprochenen Vokabular auskannte, eine Doppelbedeutung hatten.

Jetzt wartete er nur noch auf die letzte Lieferung und auf den Techniker, der kommen sollte, um die notwendigen Sicherheitsarbeiten auszuführen.

Schärenmorde

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