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Im selben Augenblick, als Fatima und Malin im Dienstzimmer von Kriminalkommissar Harry Lindgren Platz nahmen, verließ Kriminalinspektor Keith Holtha die Polizeiwache in Täby. Fatima hatte noch keinen Bericht geschrieben, weder über das, was Malin und ihr auf der Eckerö-Fähre zugestoßen war, noch über ihre Untersuchungen auf dem Autodeck. Sie wusste nicht, ob sie es tun sollte, da sich ja alles an ihrem freien Tag zugetragen hatte.

Nachdem sie an Land gegangen waren, hatte sie sofort Harry angerufen, der trotz der späten Stunde im Dienst war.

»Kommt her und erzählt, damit ich verstehe, worüber du sprichst«, hatte er gesagt, als Fatima ziemlich zusammenhanglos zu berichten versuchte, was sie und Malin erlebt hatten.

Sie hatten sich in Fatimas kleinen Golf gesetzt, und waren direkt zur Polizeiwache in Norrtälje gefahren. Ehe sie Harrys Aufforderung nachkamen, alles von Anfang an zu erzählen, holten sie sich jede eine Tasse Kaffee aus dem Automaten.

Keith Holtha wurde von einem Kollegen bis zur Bushaltestelle in Roslags Näsby mitgenommen. Als er sieben Minuten gewartet hatte, kam die Linie 676 an. Der Bus war nur halbvoll, und er bekam einen Fensterplatz auf der linken Seite. Der Bus fuhr die E18 in Richtung Norrtälje.

Keith Holtha wohnte in Riala. Warum, wusste er nicht, es war ein Ort, der ihm eigentlich nicht gefiel. Er war jedoch dort aufgewachsen, seine Eltern lebten dort, und er war irgendwie dort hängen geblieben. Trotzdem ist es unpraktisch, dachte er, während er tiefer in seinen Sitz hineinrutschte, den Kopf gegen die Lehne legte und versuchte, ein wenig zu schlafen. Das war der Vorteil beim Busfahren: etwas Ruhe. Meist nahm er das Auto zur Arbeit, da war er unabhängiger, aber gelegentlich meinte er, er müsse, wie andere Leute auch, den Bus nehmen.

Er stieg in Ledinge aus und nahm den Fußweg bis hin zum Parkplatz, der eingeklemmt zwischen einer ehemaligen Kiesgrube und dem Rialavägen lag. Der Parkplatz war von der E18 aus kaum zu sehen und die Wagen, die dort abgestellt wurden, waren oft Opfer von Zerstörungswut. Deshalb hatte Keith Holtha sein Auto auch ganz hinten am Wildsperrzaun abgestellt. Er bildete sich ein, dass es dort sicherer stand. Vorsichtshalber untersuchte er das Fahrzeug, ehe er einstieg. Hatte jemand versucht, die Türen aufzubrechen oder Benzin abzuzapfen?

»Verdammt noch mal!«

Der Hinterreifen an der Fahrerseite war platt. Genervt holte er den Wagenheber und den Reservereifen aus dem Kofferraum, hob den Wagen an und tröstete sich damit, dass es wenigstens warm war, während er den Reifen wechselte. Er schraubte den beschädigten Reifen ab und dachte an Mittsommer und daran, dass er fast das ganze Wochenende arbeiten würde.

»Ich muss mir endlich ein Leben schaffen mit einer Frau und einer Familie, ich bin ja bald über das Alter hinaus«, murmelte er.

Als er den Reservereifen aufgezogen und den Wagen wieder abgesenkt hatte, streckte er eine Weile den Rücken, um anschließend den beschädigten Reifen und den Wagenheber wieder zurück in den Kofferraum zu legen. Er hatte gerade den Kofferraumdeckel geschlossen und sich hingehockt, um die Schrauben nachzuziehen, als ein Wagen auf den Parkplatz einbog. Nicht nur einer, es kamen drei Autos, die sich nebeneinander hinstellten, mit der Vorderseite zur Straße. Keith Holtha reckte sich ein wenig und konnte durch die Scheiben seines Wagens erkennen, dass es sich um einen weißen Transporter und zwei kleinere Kombis handelte. Er bildete sich ein, dass es vielleicht irgendeine Bande sei, die auf die Parkplätze zu fahren pflegte, um dort abgestellte Wagen zu demolieren. Er entschloss sich, vom Hinterrad seines Wagens verborgen, die Ankömmlinge zu beobachten. Aufgrund des Straßenlärms, der besonders von den Lastwagen herrührte, die auf der Schnellstraße direkt über seinem Kopf vorbeidonnerten, konnte er nur Teile ihrer Unterhaltung verstehen, aber er merkte trotzdem recht schnell, dass es sich um etwas völlig anderes handeln musste, als um das Klauen von Autoreifen oder Benzin.

»Beeilt euch, die Hälfte der Kisten in jedes Auto … ihr nehmt ganz unterschiedliche Routen … miserabel, klar … an Malmö vorbei vor dem Wochenende … unnötiges Warten in Deutschland … die Kiste passt nicht unter den Boden … verdammt, sie muss passen … zu schlecht gepackt … alles muss versteckt sein.«

Keith Holtha kam die Durchsuchung in den Sinn, die er an Bord der M/S Sertem Explorer letzte Woche vorgenommen hatte. Sie hatten nicht gewusst, nach was sie suchen sollten, und sie hatten auch nichts von Wert gefunden. Aber der Gedanke, dass es einen Zusammenhang gab mit dem, was sich gerade circa 20 Meter von ihm entfernt abspielte, tauchte plötzlich auf. Sollte er eingreifen? Sich aufrichten und »Still gestanden! Polizei!« schreien wie in einem amerikanischen Film? Ihm fiel ein, dass er seine Dienstwaffe in seinem Spind auf der Arbeit eingeschlossen hatte. Er kroch etwas weiter an der Seite seines Wagens entlang und konnte noch die Satzfetzen »wir ziehen ab« und »pinkeln« hören, als einer der Männer um seinen Wagen herumkam, die Finger am Reißverschluss. Keith Holtha sah gerade noch, dass der Mann breitschultrig war, kurzgeschnittene Haare hatte, und dass er die Hände von seinem Hosenschlitz in die Jackentasche steckte, eine Pistole herausholte und zielte.

Ihre Blicke, die für einige Sekunden so voller Gedanken waren, dass sie versteinert wirkten, trafen sich. Dann bemerkte Keith, wie der andere an seiner Schulter vorbeiblickte.

Der erste Schlag traf Keith am Hinterkopf, ehe er noch richtig begriffen hatte, dass sich jemand hinter ihm befand.

Direkt danach, als für Keith alles schwarz geworden war, hielt ein blauer Bus an der Haltestelle oberhalb des Parkplatzes. Eine Frau in einem hellen Sommermantel stieg aus. Sie war Krankenschwester und arbeitete in der Notaufnahme des Danderyd-Krankenhauses. Sie nahm immer den Bus zur Arbeit und wieder zurück. Während sie den Gehweg hinunterging, verließen die drei Wagen den Parkplatz. Einer davon bog auf die Schnellstraße ein, während die anderen beiden in verschiedene Richtungen auf dem Rialavägen davonfuhren.

Als die Frau in dem hellen Sommermantel den Schlüssel in ihr Wagenschloss steckte, hörte sie einen Klagelaut vom hinteren Teil des Parkplatzes. Sie dachte, es handele sich um eine kleine Katze und ging hin, um nachzusehen. Während sie noch dachte, hier innerhalb des Wildsperrzaunes kann sie nicht bleiben, hier wird sie überfahren, erblickte sie Keith Holthas zusammengesunkene Gestalt.

Die Frau hatte zwölf Jahre in der Notaufnahme gearbeitet. Sie reagierte genauso geistesgegenwärtig, wie sie es getan hätte, wenn der Klagelaut von einer verirrten kleinen Katze gekommen wäre.

Fatima und Malin waren gerade bis zur Hälfte ihres Berichtes gelangt, als der Wachhabende in Harry Lindgrens Büro kam.

»Ein Rettungswagen ist unterwegs zum Parkplatz Ledinge. Dort liegt ein Mann. Nach Auskunft desjenigen, der den Notruf getätigt hat, ist er übel zugerichtet. Ich habe auch einen Wagen hingeschickt.«

»Tot oder lebendig?«, fragte Harry Lindgren.

»Weiß ich nicht.«

Olle Kärv konnte nicht schlafen. Er lag auf dem Rücken und dachte darüber nach, dass es so schwer sein würde, es zu schaffen. Jetzt war er schon drei Jahre Kriminalreporter bei der Zeitung und hatte hauptsächlich über Anzeigen wegen Schlägereien vor Kneipen und gegen Männer, die ihre Frauen verprügelten, wenn sie sich samstagabends hatten volllaufen lassen, geschrieben. Er ging mindestens einmal in der Woche aufs Gericht und las die Urteile genau durch. Und er versuchte, alle Gerichtsverhandlungen zu besuchen, die vielleicht etwas ergeben könnten. Doch bislang hatte er noch nichts geschrieben, das ihm den sehnlichst erhofften Freifahrtschein für die Redaktion des Aftonbladets hätte einbringen können. Dort wollte er hin. Großstadtleben. Puls. Ganz Schweden, ja die ganze Welt als Arbeitsfeld. Da konnte er sicher sein, über Verbrechen von ganz anderen Dimensionen schreiben zu dürfen. Das war es, was er wollte. Dabei sein dürfen, herumschnüffeln, ein wenig eigene Untersuchungen vornehmen, vielleicht sogar ab und an der Polizei um eine Nasenlänge voraus sein, nicht immer nur den lächerlichen Mist bearbeiten, den sie von ihren Untersuchungen herausgaben.

Er konnte nicht schlafen, weil er sich einbildete, es sei etwas im Gange. Die Polizei führte Kontrollen durch. Aber warum? Sollte er einen Knüller landen können? Er durfte nur nichts verpassen. Er durfte nicht etwas direkt vor der Nase haben und es nicht merken. Wo sollte er anfangen?

Kurz nachdem er gedacht hatte, dass er am nächsten Tag Fatima Barsawi anrufen und sie fragen würde, ob sie nicht zusammen Pizza essen gehen könnten, schlief er ein.

Schärenmorde

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