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Das De­büt ge­gen Bra­si­li­en

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Klins­manns har­te Ar­beit zahl­te sich ein­mal mehr aus. Er hat­te mit dem VfB Stutt­gart 1987/88 einen ers­ten ver­lo­cken­den Ein­druck vom in­ter­na­tio­na­len Fuß­ball be­kom­men, als Stutt­gart im UEFA-Po­kal (heu­te UEFA Eu­ro­pa League) spiel­te. Klins­mann ge­noss die Ge­le­gen­heit, zwi­schen den Bun­des­li­ga­spie­len am Wo­chen­en­de ins Aus­land rei­sen zu kön­nen, um sich mit den bes­ten Mann­schaf­ten Eu­ro­pas zu mes­sen. Der UEFA-Po­kal mach­te ihm Lust auf mehr Spie­le, auf mehr in­ter­na­tio­na­len Fuß­ball.

Im UEFA-Po­kal setz­te sich der VfB Stutt­gart in der ers­ten Run­de er­folg­reich ge­gen Spar­tak Trna­va aus der Tsche­cho­slo­wa­kei durch, muss­te sich aber in der zwei­ten Run­de ge­gen Tor­pe­do Mos­kau ge­schla­gen ge­ben. Klins­mann freu­te sich den­noch dar­über, an­de­re eu­ro­päi­sche Städ­te ken­nen­zu­ler­nen und er­in­nert sich zum Bei­spiel gern an Mos­kau, wo er den Ro­ten Platz zu se­hen be­kam. Er war ent­schlos­sen, das Bes­te aus den Rei­sen zu ma­chen, frem­de Städ­te ken­nen­zu­ler­nen, und er schwor sich, das auch in Zu­kunft wei­ter zu tun. Er blieb die­sem Grund­satz wäh­rend sei­ner gan­zen Zeit als Spie­ler treu und setz­te dies auch als Trai­ner fort.

Klins­mann wur­de im Herbst 1987 für die Olym­pia­mann­schaft no­mi­niert, die auch als U-23 be­kannt ist, weil die FIFA pro Mann­schaft nur drei Spie­ler, die äl­ter als 23 sind, für die Olym­pi­schen Spie­le zu­lässt. Er war vol­ler En­thu­si­as­mus über die Chan­ce, bei den Olym­pi­schen Spie­len ein Jahr spä­ter spie­len zu dür­fen. Dank sei­ner star­ken Leis­tun­gen in der U-23 und beim VfB Stutt­gart wur­de Klins­mann von Be­cken­bau­er auch in die Na­tio­nal­mann­schaft be­ru­fen.

Bei sei­nem ers­ten in­ter­na­tio­na­len Auf­tritt für die deut­sche Na­tio­nal­mann­schaft am 12.12.1987 ge­gen Bra­si­li­en in Brasí­lia spiel­te Klins­mann über die vol­le 90-mi­nü­ti­ge Spiel­zeit in ei­nem Spiel, das mit ei­nem 1:1-Un­ent­schie­den en­de­te. Es war der ers­te von Klins­manns 108 in­ter­na­tio­na­len Ein­sät­zen für sein Land, die über die nächs­ten zehn Jah­re fol­gen soll­ten.

Klins­mann an sechs­ter Stel­le al­ler deut­schen Na­tio­nal­spie­ler, be­zo­gen auf die Zahl sei­ner Ein­sät­ze. Er spiel­te auch in dem Spiel ge­gen Ar­gen­ti­ni­en vier Tage spä­ter, das die Deut­schen 0:1 ver­lo­ren. Klins­mann ern­te­te in die­sem Spiel, mit Die­go Ma­ra­do­na als Coun­ter­part, der da­mals als der welt­bes­te Spie­ler galt, po­si­ti­ve Kri­ti­ken. „Es war be­ein­dru­ckend, wie Jür­gen sich da drau­ßen be­haup­te­te“, sag­te Be­cken­bau­er über des­sen Leis­tung in den zwei Spie­len und füg­te hin­zu, dass Klins­mann sei­ner Mei­nung nach ge­zeigt habe, dass er den an­de­ren Stamm-Stür­mern, Rudi Völ­ler und Klaus Al­lofs, eben­bür­tig sei. Sechs Mo­na­te vor der EM im ei­ge­nen Lan­de war dies eine wich­ti­ge Be­stä­ti­gung.

Nach zwei Freund­schaftss­pie­len in Süd­ame­ri­ka er­hielt Klins­mann einen wei­te­ren Ein­druck von den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und ih­rer enor­men Grö­ße. Er flog nach San Fran­cis­co und von dort wei­ter nach Ha­waii, wäh­rend der Rest der Mann­schaft zu­rück nach Deutsch­land ge­flo­gen war, um dort die Weih­nachts­fe­ri­en zu ver­brin­gen. Er hat­te zwei en­gen Freun­den, Ste­fan Barth aus sei­ner Zeit in Geis­lin­gen und sei­nem Mann­schafts­ka­me­ra­den Rai­ner Zietsch aus Stutt­gart, ver­spro­chen, sie auf Ha­waii zu tref­fen. „Mei­ne zwei bes­ten Freun­de und ich hat­ten einen ge­mein­sa­men Ur­laub ge­plant, be­vor der Ruf in die Na­tio­nal­mann­schaft kam“, er­zählt er. „Sie woll­ten schon im­mer nach Ha­waii flie­gen. Ich kann­te mich da­mals in Geo­gra­fie noch nicht so gut aus und sag­te ih­nen, dass ich ja schon in Süd­ame­ri­ka sei und sie in Ha­waii tref­fen könn­te. Es war wie: Ihr Jungs seid schon da und ich tref­fe euch dann dort. Der DFB buch­te also einen Flug von Bue­nos Ai­res nach Mi­a­mi, von dort nach San Fran­cis­co und wei­ter nach Ha­waii. Ich hat­te nicht die lei­ses­te Ah­nung, was auf mich zu­kom­men wür­de. Es war ein lan­ger Flug nach dem an­de­ren. Aber so kam ich zum ers­ten Mal nach Ha­waii. Wir hat­ten eine fan­tas­ti­sche Zeit.“ Die drei sind auch heu­te noch eng be­freun­det: Barth ist der Ge­schäfts­füh­rer der Kinder­hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on Aga­pe­dia, die Klins­mann 1995 ge­grün­det hat, und Zietsch ist der Lei­ter der Nürn­ber­ger Ju­gend­fuß­bal­l­aka­de­mie.

Klins­mann ge­noss sei­ne ers­ten Rei­sen in die USA in vol­len Zü­gen und lern­te ei­ni­ge neue Freun­de in Ka­li­for­ni­en ken­nen. „Ich will völ­lig raus aus dem All­tag. Das ist doch für einen Fuß­ball­pro­fi die ein­zi­ge Mög­lich­keit, sei­ne in­ne­re Ruhe wie­der­zu­fin­den“, er­zähl­te er Ei­tel in Jür­gen Klins­mann und füg­te hin­zu, dass er sich freu­te, sein Eng­lisch ver­bes­sern zu kön­nen und mehr über die USA zu ler­nen. „Die meis­ten (mei­ner Freun­de in den USA) wis­sen, dass ich Fuß­ball­spie­ler bin, aber sie kön­nen sich kaum et­was dar­un­ter vor­stel­len.“

Auch in Deutsch­land in­ter­es­sier­te er sich be­son­ders für das Le­ben au­ßer­halb des Fuß­balls. Mit Ei­tels Hil­fe or­ga­ni­sier­te er ein Tref­fen mit den In­sas­sen ei­nes Ju­gend­ge­fäng­nis­ses in der Nähe von Heil­bronn. Er woll­te mehr über ihr Le­ben er­fah­ren. „Ich woll­te auch wis­sen, wie es da zu­geht. Ich habe mir viel­mehr Ge­dan­ken dar­über ge­macht, wo die Ur­sa­chen da­für lie­gen“, sag­te er mit Be­zug auf die Ver­ge­hen, we­gen de­rer die jun­gen Män­ner ins Ge­fäng­nis ge­kom­men wa­ren.

Das ers­te sei­ner 47 Tore für sein Land schoss Klins­mann schließ­lich am 27. April 1988 in ei­nem 1:0-Freund­schaftss­piel ge­gen die Schweiz. Es war sein vier­ter Ein­satz in der Na­tio­nal­mann­schaft vor dem Be­ginn der Eu­ro­pa­meis­ter­schaft 1988 zu Hau­se, das ei­nes von sechs in­ter­na­tio­na­len Tur­nie­ren war, die er als Spie­ler für Deutsch­land be­stritt: die Eu­ro­pa­meis­ter­schaf­ten 1988, 1992 und 1996 so­wie die Welt­meis­ter­schaf­ten 1990, 1994 und 1998.

Bei der EM ’88 half Klins­mann der bun­des­deut­schen Mann­schaft mit sechs star­ken Auf­trit­ten, ins Halb­fi­na­le zu kom­men. Er gab über zehn Jah­re im­mer al­les für sein Land und glänz­te bei al­len sechs Tur­nie­ren im rich­ti­gen Mo­ment mit bril­lan­ten Leis­tun­gen. Klins­mann sagt, dass er im­mer das Bes­te aus je­dem Tur­nier ma­chen woll­te, auch aus den klei­nen, und dass er nie­mals mit dem Ge­fühl nach Hau­se ge­hen woll­te, dass er oder sei­ne Mann­schaft hät­te bes­ser spie­len kön­nen. „Gib mir ein Tur­nier, ich habe sie im­mer ge­nos­sen“, ist sei­ne Ant­wort auf die Fra­ge, warum er of­fen­bar stets in der Lage war, in den Tur­nie­ren sei­ne Leis­tung zu stei­gern. Die Deut­schen ha­ben in­ter­na­tio­nal lan­ge in dem Ruf ge­stan­den, gute „Tur­nier­mann­schaf­ten“ her­vor­zu­brin­gen. Teams, die zwi­schen den Tur­nie­ren mal bes­ser und mal schlech­ter spiel­ten, die aber dann, wenn es dar­auf an­kam, zur Höchst­form auf­lie­fen, wie bei den WMs und EMs nach Ende der Grup­pen­pha­se und mit dem Be­ginn der K.-o.-Run­den. In die­sem Sin­ne war Klins­mann ein „Tur­nier­spie­ler“, der auch am al­ler­bes­ten zu spie­len schi­en, wenn der Ein­satz be­son­ders hoch war. „Ich konn­te den Be­ginn ei­nes Tur­niers im­mer kaum ab­war­ten. Ich spür­te ir­gend­wie, dass dies Au­gen­bli­cke wa­ren, die nie­mals wie­der­kom­men wür­den. Mit dei­ner Mann­schaft hast du die re­gu­lä­re Sai­son und klar, du willst die Meis­ter­schaft ge­win­nen. Du willst mit dei­nem Club auf na­tio­na­ler Ebe­ne gut ab­schnei­den, aber die Sai­son ist lang, und du wirst wäh­rend­des­sen gute und schlech­te Spie­le ha­ben. In ei­ner kom­pri­mier­ten Si­tua­ti­on wie ei­ner Welt­meis­ter­schaft oder ei­ner Eu­ro­pa­meis­ter­schaft ist es ein­fach, sich zu sa­gen, du gibst jetzt bes­ser mal Gas, weil du dir nicht sa­gen kannst, dass du ja noch lan­ge Zeit hast.“

Klins­mann er­zählt, dass er je­des Mal mit gu­tem Ge­wis­sen von sich sa­gen konn­te, al­les ge­ge­ben zu ha­ben, ob­wohl er mit dem Er­geb­nis die­ser sechs Tur­nie­re nicht im­mer ein­ver­stan­den war, da die Deut­schen nur zwei da­von ge­wan­nen. Ei­ni­ge der welt­bes­ten Spie­ler tauch­ten bei großen Tur­nie­ren auf dem Ra­sen buch­stäb­lich ab. Es sind Leis­tungs­ein­brü­che zur falschen Zeit, die ver­hin­dern, dass sie ihre sonst so glanz­vol­len Kar­rie­ren mit ei­nem Ti­tel krö­nen konn­ten. Aber nicht Klins­mann, der sei­ne Best­leis­tung für die Welt­meis­ter­schaf­ten und Eu­ro­pa­meis­ter­schaf­ten auf­zu­he­ben schi­en. „Ich habe die­sen Mo­men­ten bei den großen Tur­nie­ren ent­ge­gen­ge­fie­bert“, er­zählt er. „Ich habe den Druck und die ho­hen Er­war­tun­gen und vor dem Tor einen küh­len Kopf zu be­wah­ren ge­liebt. Es hängt wirk­lich nur von dir selbst ab, si­cher­zu­stel­len, dass du mit dir im Rei­nen bist, so­bald das Tur­nier be­ginnt und dass du dir sa­gen kannst: Egal, wie’s aus­geht, ich habe ge­tan, was ich konn­te.

Jürgen Klinsmann - Fußball ohne Grenzen

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