Читать книгу Wiesbaden - Erik Schreiber, Friedrich Rolle, Leo Woerl - Страница 11
Оглавление§ 4.
BESATZUNGSGESCHICHTE.
Um Anhaltspunkte für die Zeitbestimmung zu gewinnen, betrachten wir zuerst die Besatzungsgeschichte des Castells, wie sie durch inschriftliche Zeugnisse auf Grabsteinen und durch Legionsstempel auf Ziegeln festgestellt ist. Danach haben für längere oder kürzere Zeit die Besatzung des Castells gebildet:
1. die Legio I Adjutrix;
2. die Legio VIII Augusta;
3. die Legio XIIII Gemina Martia Victrix;
4. die Legio XXI Rapax;
5. die Legio XXII Primigenia Pia Fidelis.
Zweifelhaft bleibt, ob wir auch hierher rechnen dürfen
6. die Legio IUI Macedonica;
7. die Legio XI Claudia Pia Fidelis.
Ferner folgende Auxiliarmiliz
a) Reiter:
1. Ala Flavia I Gemina;
2. Ala Scubulorum.
b) Cohorten:
1. Coh. II Raetorum Civium Romanorum;
2. Coh. I Pannoniorum;
3. Coh. IUI Thracum;
4. Coh. III Delmatarum Pia Fidelis; (Auf einem Grabsteine und dem Militärdiplom des Kaisers Trajan steht Delm., auf den Ziegeln Dahn. Rossel in den Ann. V, 1. p. 11. Vgl. die Abbildung Taf. III. Ann. IV. 3. p. 37 u. 64. Rossel bezeichnet sie als peditata; nach genauerer Untersuchung zeigt das Diplom nicht die Buchstaben P E, sondern PF, wonach unsere Cohorte wie sonst die Beinamen Pia Fidelis führte. Mommsen im Corp. Inscr. Lat. III. p. 870 u. 868.)
5. Coh. V Delmatarum;
6. Coh. IUI Vindelicorum.
Wahrscheinlich haben ausser diesen auch noch andere Cohorten in Mainz gelegen und können also auch zeitweilig einen Theil unserer Besatzung ausgemacht haben, (Vgl. die Berechnung von Rossel in den Annal. V, 1 . p. 64 und Mommsen -1. c.) doch lässt sich mit Sicherheit darüber nichts bestimmen. Auch die Geschichte der einzelnen Alen und Auxiliarcohorten ist nicht so aufgeklärt als die der einzelnen Legionen; so wissen wir z. B. nur, dass die Ala I Flavia gem. schon im Jahre 74 in Germanien stand , ebenso die Ala Scubulorum; von den Cohorten haben gleichfalls im Jahre 74 die fünfte der Delmater und vierte der Vindelicier ihr Standlager am Rheine gehabt, von der dritten der Delmater ist es wahrscheinlich, weil sich so viele Ziegel von ihr in unserem Castelle fanden, so dass sie an seiner Herstellung nach dem Bataverkrieg mitgearbeitet haben wird ; doch kann ihre Bauthätigkeit auch später fallen sie erscheint aber auf einer datirten Inschrift erst im Jahre 116, wie auch die zweite der Raetier, welche noch acht Jahre vorher und später, im Jahre 166, in Raetien angetroffen wird. (S. Mommsen C. I. R. III, im Index und dazu in der Ephem. epigr. II, p. 460. 462.) Genauer sind wir über die Legionen unterrichtet; wir betrachten zuerst die Gründerin des Castells und die, welche es am längsten inne hatte, die Legio XIIII und XXII.
1. Die Legio XIIII hatte unter Drusus (12 —9 v. Chr.) das Castell zu Mainz erbaut und bildete einen Theil der Streitmacht des Germanicus (14—16 n. Chr.); sie führt auf ihren Ziegeln oftmals keinen Beinamen, nennt sich aber meist Gemina, die gedoppelte, von ihrer Zusammensetzung; ob dieser Zusatz auch auf eine spätere Zeit hinweist, ist nicht ausgemacht; unter beiden Namen ist sie in Wiesbaden und zwar als Gemina durch einen Grabstein, mit und ohne Gemina durch mehrere Legionsstempel auf Ziegeln vertreten. Unter Claudius — etwa 43 n. Chr. — wurde sie nach Britannien beordert und nahm Theil an den Kämpfen vom Jahre 61; bald darauf erscheint sie mit den Beinamen Martia Victrix, nachweislich zuerst 66 n. Chr., so dass man mit Recht annimmt, sie habe in jenen Kämpfen durch ihre Tapferkeit sich dieselben veidient, zumal Tacitus ihre Soldaten als domitores Britanniae und praecipui fama rebellione Britanniae compressa nennt. (Hist. V, 16; II, 11.) Wir sind daher berechtigt, wenn sie uns ohne jene Beinamen, auf die sie stolz war und die sie ihren Stempeln zuzufügen nicht gern unterlassen mochte, am Rheine entgegentritt, auf eine Zeit vor diesem Jahre, also überhaupt vor ihrem Abmarsch nach Britannien zu schliessen. Nun fanden sich, wie oben bemerkt, mehrere Ziegel ohne jene ehrenvolle Bezeichnung auch in dem Castell zu Wiesbaden, und da die anderen oben genannten Legionen sämmtlich erst nach dem Abgang der vierzehnten an den Mittelrhein beordert wurden, so folgt daraus, dass die erste Anlage des Castells vor das Jahr 43 n. Chr., ja noch mehr, wenn das Fehlen des Beinamens Gemina ein Zeichen früherer Zeit ist, in die erste Zeit der römischen Invasion, also unter die Regierung des Augustus und wohl vor das Jahr 9 n. Chr., d. h. die Teutoburger Schlacht angesetzt werden und durch diese vierzehnte Legion erfolgt sein muss. Damit stimmt zusammen, dass die Zahl ihrer Ziegel dahier im Verhältnisse zu denen der anderen Legionen mit Ausnahme der Leg. XXII besonders gross ist. Es rinden sich aber auch solche mit dem Zusatz Martia Victrix. Der Kaiser Nero hatte nämlich die Legion zum parthischen Kriege beordert, aber in den Wirren, die auf seinen Tod folgten, erhielt sie Gegenbefehl, nahm an den Kämpfen in Italien Theil und wurde dann nach Britannien zurückgeschickt.
Da brach der batavische Krieg aus (69 n. Chr.), zu dessen Bewältigung zahlreiche Truppen an dem Rheine nothwendig waren; auch unsere vierzehnte Legion erhielt Befehl, dahin abzugehen. Nach Beendigung des Krieges blieb sie noch einige Zeit am Mittelrhein mit dem Standquartier Mainz und muss in diesen Jahren auch die Besatzung unseres Castells gebildet haben; daher jene Stempel mit dem vollen Namen Gemina Martia Victrix. Doch blieb sie nicht lange; schon vor Trajan, der sie auch im dacischen Kriege verwendete, vielleicht schon vor Nerva (96), verliess sie den Mittelrhein, um nie wieder dahin zurückzukehren; sie erhielt nach dem dacischen Kriege ihr Standquartier in Pannonien zwischen Drau und Donau, wo sie noch im Jahre 211 lag und zahlreiche Inschriften hinterlassen hat.
2. Die Legio XXII Primigenia Pia Fidelis, die ursprüngliche, fromme, treue, kann als die eigentliche Nachfolgerin der vierzehnten Legion im Besitze unseres Castells angesehen werden. Von Claudius wahrscheinlich durch Theilung der älteren Leg. XXII errichtet, erhielt sie sofort ihr Standlager am Rheine und verblieb daselbst, mit Ausnahme einer Abtheilung, welche den Kaiser Vitellius nach Italien begleitete und dort aufgerieben wurde, fast ununterbrochen in Mainz nur von dem Jahre 104 — 120 lag sie in Untergermanien. Zeugnisse ihrer Anwesenheit auch in Wiesbaden sind die zahlreichen Stempel mit ihrem Namen, zum Theil mit, zum Theil ohne die Beinamen Pia Fidelis; sie scheint dieselben also erst später erhalten zu haben, doch ist diese Zeit zu bestimmen nicht möglich.
Die nun folgenden drei Legionen haben nur kürzere Zeit am Mittelrhein gestanden und geringere Spuren ihrer Anwesenheit im Castell oder der Stadt hinterlassen.
3. Die Legio I Adjutrix hatte in Spanien gestanden, dann an den Kämpfen in Italien im Jahre 68 Theil genommen und endlich den batavischen Aufstand bewältigen helfen; etwa unter Nerva erscheint sie am Oberrhein, erhielt aber nachher ihr bleibendes Standlager in Pannonien. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden fällt also um die Wende des Jahrhunderts.
4. Die Legio VIII Augusta war von Augustus errichtet, lag bis zum Jahre 68 in Pannonien, dann wurde sie ebenfalls in den Kämpfen in Italien und gegen die Bataver verwendet und verblieb darauf in Obergermanien; ihre Anwesenheit am Mittelrhein fällt in die Jahre unmittelbar nach dem batavischen Freiheitskriege, war aber nicht lange dauernd. Sie hatte nachher lange in Strassburg ihr Standquartier.
5. Auch die Legio XXI Rapax, die nach der Niederlage des Varus wieder hergestellt worden war und dann in Niedergermanien lag, scheint nur kurze Zeit, und zwar um das Ende der Regierung des Nero in Obergermanien zugebracht zu haben. Sie ging wahrscheinlich unter Domitian ganz zu Grunde.
Noch dürftiger und darum unsicherer sind die Spuren der zwei noch übrigen Legionen.
6. Die Legio IUI Macedonica erhielt durch Claudius die Aufgabe, statt der nach Britannien beorderten Legionen den Rhein zu schützen; sie lag in Mainz, nahm aber dann an den Kämpfen nach Nero's Tode sowie an dem batavischen Kriege Theil und wurde in diesen Kriegen aufgerieben. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden ist zweifelhaft.
7. Die Legio XI Claudia Pia Fidelis endlich war von Vespasian ebenfalls in dem batavischen Kriege verwendet worden und verblieb von da an in Obergermanien mit dem Lagerplatz Vindonissa. Sie kann nur kurze Zeit nach dem batavischen Aufstande am Mittelrhein gestanden haben. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden ist eine Vermuthung von Becker, (Ann. VII, 1. p. 295. S. § 10, a No. 13.) welcher die fehlenden Buchstaben einer im Jahre 1862 in der oberen Rheinstrasse gefundenen Inschrift durch (Leg.) XI C. P. F. am leichtesten ergänzen zu dürfen glaubt.
Das Resultat dieser Betrachtung ist also, dass das Castell zu Mattiacum von der Legio XIIII Gemina zwischen den Jahren 12 v. Chr. bis 43 n. Chr., wahrscheinlich aber unter Augustus erbaut, vom Jahre 43 an bis 120 von verschiedenen Legionen vorübergehend besetzt, sodann aber von der Legio XXII Primi genia Pia Fidelis bis zu Ende der Römerherrschaft behauptet worden ist. (Vgl. Grotefend in Paulys Realencyklop. s. v. Legionen; Klein, die Legionen in Obergermanien ; Rossel , Ann. V, I Brambach, Inscr. Rhen. p. IX; Mommsen, C. J. L. III. p. 416. 482. Ueber die Spuren der Leg. IUI s. Ann. IV, 3. p. 53.)