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DIE HEIDENMAUER.
Die Heidenmauer, von der bis jetzt ein noch ganz ansehnlicher Rest vorhanden ist, begann in einiger Entfernung von der Südecke des Castells, indem den Zwischenraum zwischen beiden ein Graben einnahm, (v. Cohausen, Ann. XII. p. 317.) und zog in gerader Richtung nach Südosten bis in die Tiefe des Thaies; sie endigte in einem Thurme zwischen der jetzigen evangelischen Kirche und der Wilhelmsstrasse, dem später sog. Stümpert; auch in der Mitte befanden sich einige Thürme, von denen einer noch zum Theil erhalten ist. (Zu Hellmunds Zeit (1730) waren noch vier Thürme erhalten, wovon der eine in der Metzgergasse das Narrenhaus hiess und zum Gefängniss diente (p. 124).) Während der obere Theil der Mauer noch erhalten ist, lassen sich in dem Thale die Spuren der Fundamente noch in den Kellerräumen einzelner Häuser ganz wohl bemerken. Die Breite beträgt ca. 8', die Höhe ca. 18', die Länge wohl 500 M. Die Technik weist nach dem Urtheile der Sachverständigen durchaus auf römischen Ursprung hin. Sie war eine sog. Gussmauer und ruhete in der Niederung wegen des sumpfigen Bodens auf einem Pfahlwerk; „sämmtliche, aus Eichenholz bestehenden Pfähle steckten aufrecht, jedoch nicht senkrecht in dem Boden; ihre Köpfe, bis auf 4“ convergirend, stiessen direct an die Mauer; die Länge betrug 4 — 5'; sie waren spitz zugehauen mit scharfen Beilhieben; zwischen diesen meist 4 — 6“ starken, meist sehr gut conservirten Stämmchen waren jedoch auch stärkere, bis zu 1' Durchmesser haltende, theils gespaltene, theils ganze Stämmchen unregelmässig vertheilt.“ „Dieses Pfahlwerk, dem hier und dort auch horizontal eingefügte Stammstücke und 4“ starke eichene Dielen zur Stütze dienten, war übrigens ganz unregelmässig construirt, die Pfähle bald seitwärts, bald rückwärts, bald vorwärts geneigt; ihre oberen und unteren Abstände differirten daher von 4“ bis 2'.“ (Aehnliches Pfahlwerk fand sich auch auf dem Mauritiusplatz, auf dem Kranzplatz und dem Schützenhofgebiet.) Weiter aufwärts ruhete die Mauer auf dem gewachsenen Boden; die Dicke war nicht sich gleichbleibend, unten dicker als oben (7' 10“ zu 6'). Die äusseren Bekleidestücke, rechtwinkelig behauene Steine, aber auch Säulenfragmente, Grabsteine, Gesimse und sonstige Baustücke, sind ziemlich wagrecht geschichtet. Das Innere ist in Schichten getheilt, deren Höhe der der Bekleidsteine entspricht; die kleinen Steine und der Schutt desselben ruhen auf steifem Mörtelbett und sind von ebensolchem bedeckt. An der Aussenseite erkennt man noch die Löcher für die Rüsthebel, welche durch die ganze Mauergehen, immer 1,30 M. übereinander, je einen Meter von einander entfernt. (Rossel in den Mittheilungen von 1867. No. 5 u. 6. p. 14. 12. Kekulé in den Ann. X. p. 362. Ueber eine ähnliche Gussmauer im Römerbad Dorow I. p. 57. v. Cohausen in den Ann. XIV. p. 412. Auch Schenck, p. 103, erwähnt einen Stein mit Inschrift in der Mauer, s. u.)
Der Umstand, dass man Architekturstücke und dergleichen zum Aufbau der Mauer benutzte, beweist, dass man zur Zeit der Errichtung sich um die ursprüngliche Bestimmung des Materials nicht eben sehr kümmerte, sondern verwendete, was man fand und brauchen konnte; auch der Umstand ist eigenthümlich, dass die Mauer keinen Raum einschliesst. Man hat desshalb, da anderweitige Aufklärung uns nicht hinterlassen ist, die Vermuthung aufgestellt, sie sei nur der Anfang einer umfassenden, aber nicht vollendeten Befestigung der Stadt Mattiacum und verdanke ihren Ursprung den fortgesetzten Angriffen der Deutschen, die eine stärkere Befestigung nöthig zu machen schienen. Wir finden uns also an das Ende der Römerherrschaft versetzt, eine Zeit, in welcher die Deutschen den Grenzwall vielfach durchbrachen und Plünderungszüge in das römische Gebiet unternahmen. In diesen drohenden Zeiten wurden die bisher sicheren Bewohner der Grenzländer allenthalben aus ihrer Ruhe aufgescheucht, allenthalben begann man die alten Mauern herzustellen, neue anzulegen; hielt es doch Aurelian für geboten, auch die Hauptstadt Rom durch eine neue starke Mauer vor plötzlichen Ueberfällen zu sichern, und zog Probus an der Grenze der agri decumates eine grosse Mauer. (Bernhardt, Geschichte Roms, p. 229.) Damals mochte man auch in Mattiacum hoffen, auf diese Weise sich schützen zu können, wahrscheinlich nachdem man schon eine Zerstörung erfahren hatte man begann eine der Römer würdige Befestigung und zwar zunächst auf der Seite der Stadt, welche am meisten gefährdet war, da der Süden durch die hier zusammenströmenden Bäche und das sumpfige Terrain, der Norden durch das Lager gedeckt war; freilich gab man den nordöstlichen Theil der Stadt, den heutigen Kranzplatz mit seinen Bädern preis, vielleicht weil die ersten Ueberfälle der Deutschen (235. 255) diesen Stadttheil zu sehr zerstört hatten oder weil man sich auf einen kleineren Raum der leichteren Abwehr halber beschränken wollte; desshalb trug man auch kein Bedenken, die Trümmer dieser Zerstörung zum Bau der Mauer zu benutzen, denn es war Eile nothwendig.
Aber ehe man die ganze Anlage vollendet hatte, sah man sich genöthigt, das rechte Rheinufer aufzugeben und keine späteren Versuche der Wiedereroberung haben zum dauernden Besitze und zur Vollendung des begonnenen Werkes geführt, das denn doch auch so den feindlichen Angriff auf die Bäder im späteren Schützenhofe für einige Jahre wenigstens erschwert hatte.
Die Mauer blieb unvollendet und das Volk bewahrte in dem Namen der Heidenmauer die Erinnerung an die gewaltigen Heiden, die solch ein Werk geschaffen hatten, sowie der „Heidenberg“ das Andenken an das Castell weiter pflanzte. Auf die angeführte Weise erklärt sich der sonst räthselhafte Bau und gibt zugleich einen Anhaltspunkt für die Zeitbestimmung. Wir werden wohl nicht irren, wenn wir die Erbauung nach 255 und vor 282 setzen; von den Kaisern, denen man den Befehl dazu am liebsten zutrauen möchte, bieten sich nach den eben erwähnten Thatsachen Aurelian (270 — 275) (Vgl. unten § 14. v. Cohausen in den Ann. XIV setzt die Errichtung etwas früher, unter Postumus; derselbe hatte allerdings einige Befestigungen in dem Lande der Deutschen angelegt, aber sie waren darauf wieder von diesen zerstört und von Lollian wiederhergestellt worden. Treb. Pollio, Lollian 5, 4. Eine Mauer wie unsere wird nicht so schnell zerstört und wiederhergestellt.) und Probus (276—282) vonselbst dar. Vielleicht treffen wir daher das Richtige, wenn wir etwa das Jahr 275 annehmen. Nach dem Jahr 282 ging das rechte Rheinufer bald verloren, und die folgenden Jahre erzählen nur von Einfällen der Römer in ihr früheres Gebiet.