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Die vom Bund initiierte Aufstellung über das schweizerische Vereinswesen

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Die Sozietäten des 18. Jahrhunderts waren in einem liberalen Raum angesiedelt, von den Obrigkeiten des Ancien régime geduldet.1 Mit der Helvetischen Republik stand die gesellschaftliche Emanzipation und damit der Vereinsgedanke markanter im Vordergrund. Während der Restauration war es den konservativen Regierungen nicht mehr möglich, den etablierten, politisch motivierten Vereinen Einhalt zu gebieten, sodass gemässigte Liberale sich zusehends in kulturellen und gemeinnützigen Vereinen organisierten. Zu dieser ersten Gründungsphase zwischen Helvetischer Republik und Regeneration zählen die Zofingia (1819), die Künstlergesellschaft (1805) oder die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (1810). Hier wurde das Ideal der sich austauschenden, gleichberechtigten und gebildeten bürgerlichen Gesellschaft vorgelebt. Die nach 1830 geschaffenen Vereine waren durchaus auch politisch motiviert – und zelebrierten die Errungenschaften der liberalen Kantone gegenüber den katholischkonservativen –, doch gaben sie sich formell apolitisch.2

Die Gründung des Bundesstaats im Jahr 1848 übte auf die weitere Entwicklung des Vereinswesens einen grossen Einfluss aus. «Da eigentliche politische Parteien fehlten, nahmen sich die Vereine der Vermittlung von Bürger und Staat an.»3 In diesem Zusammenhang wurden Gesellschaften geschaffen, die sich thematisch eng begrenzter Aufgaben annahmen und so die Spezialisierung in der Sozietätenbildung vorantrieben. Wirtschafts- und Berufsverbände, wie der Handels- und Industrieverein (1879) oder der Gewerbe- und Bauernverband (1897), brachten Bürgerinteressen und Staat nach der Verfassungsrevision von 1874 näher zueinander. Der Bund honorierte und subventionierte die Bildung dieser Sozietäten, die sich klar von den früheren zumeist philanthropischen oder kulturellen unterschieden.4 Das Schweizer Vereinswesen wird einerseits als städtische und andererseits als ausgesprochen protestantische Entwicklung bezeichnet.5 Dies wird auf die weniger progressiv ausgerichteten ländlichen katholischen Gebiete zurückgeführt, die mit den dynamischen protestantischen Städten nicht Schritt halten konnten. Die Vereinsgründungen waren bis 1800 gering6 und nahmen bis 1860 auch nur gemässigt zu. Ab 1860 stiegen sie indes signifikant, insbesondere bei Wirtschafts- und Sportorganisationen oder Berufsvereinigungen. Der Zenit wurde um 1900 erreicht, als pro 1000 Einwohner rund zehn Vereine existierten.7

Im Vereinswesen vollzog sich aber nicht nur eine äussere, sondern auch eine innere Entwicklung. Die älteren Vereinsstrukturen waren stark hierarchisch ausgerichtet, doch konnten sich alle Mitglieder aktiv am Vereinsleben beteiligen. Die Vollversammlung traf sich regelmässig zum Gedankenaustausch, sodass ein reger Kontakt zwischen den Teilnehmern zustande kam und Beschlüsse von allen Mitgliedern aus erster Hand mitverfolgt und mitgestaltet werden konnten. Dies war auch explizit gewünscht, weswegen bei einigen Vereinen die Mitgliederzahl bewusst klein gehalten wurde. Darüber hinaus engagierte sich ein Vereinsmitglied meist nicht nur in einem Verein, sondern in mehreren – was ein Netzwerk und eine Verflechtung der bürgerlichen Gesellschaft, die sogenannte Soziabilität, mit sich brachte.8 Nach der Gründung des Bundesstaats trat eine Öffnung der Gesellschaften für weitere Bevölkerungskreise ein, indem nicht zuletzt auch die zuvor meist sehr hoch angesetzten Mitgliederbeiträge gesenkt wurden. Die Vergrösserung der Vereine brachte die Ausdifferenzierung der Vereinsstrukturen mit sich, sodass die leitenden Entscheide im Vorstand gefällt und die Mitglieder nur noch zur Jahresversammlung eingeladen wurden. Im Verein gab es somit in Form des Vorstands Aktivmitglieder, die an der Generalversammlung durch die Passivmitglieder ergänzt wurden.9

Das Vereinsleben in der Schweiz des 19. Jahrhunderts war erklärtermassen ein sehr aktives und breit gefächertes. Der erste Versuch, diese Vielzahl an Vereinen gesamtschweizerisch zu erfassen, wurde vom Eidgenössischen Departement des Innern unternommen.10 Um Aufschluss über Anzahl, Mitgliederbestände und Finanzverhältnisse derselben zu erhalten, richtete es am 31. Dezember 1858 einen Aufruf an «sämmtliche Vereine des In- und Auslandes».11 Motiv zur Erhebung war einerseits die Unterstützung der Sozietäten mittels eines eigens bereitgestellten Bundeskredits, andererseits wurde aber auch geprüft, inwiefern die Vereine dem zu gründenden Statistischen Amt zur Erhebung von Basisdaten dienlich sein könnten.12 Das Eidgenössische Departement des Innern interessierte sich darüber hinaus für die politische, nationalökonomische und intellektuelle Gesinnung der Vereine. Insgesamt gingen 2746 Antworten von 2706 Gesellschaften im Inland und 40 im Ausland ein.13 Diese wurden einander in sechs Kategorien gegenübergestellt: «Vaterländische und gemeinnützige Vereine», «Wohltätigkeits- und Humanitätsvereine», «Wissenschaftliche Vereine», «Wirthschaftliche Vereine», «Ersparnisskassen» und «Andere Vereine».14

Die Zusammenstellung verdeutlicht, dass das Schweizer Vereinswesen Mitte des 19. Jahrhunderts bis auf 14 gesamtschweizerische Vereine ein ausgesprochen kantonales war. Die Mehrzahl waren in den Kantonen St.Gallen, Luzern und Aargau beheimatet.15 Das Departement schätzte die tatsächliche Anzahl an Vereinen 5000 bis 6000, da die Angaben der Kantone Wallis, Neuenburg, Appenzell Innerrhoden, Freiburg, Glarus, Zürich, Graubünden, Thurgau, Tessin und Waadt als unvollständig taxiert wurden. Beim finanziellen Aspekt bemerkte das Departement, dass die gegenwärtige Aufstellung ebenfalls nicht vollends schlüssig sei, «weil bei den meisten Kantonen noch neue Aufschlüsse zu gewärtigen sind; es mag indessen […] genügen, hier zu sagen, dass auch nur die materiellen Leistungen der Vereine in einigen Kantonen den Staatsbudgets theils sehr nahe kommen, theils dieselben übertreffen.»16 Die saumseligen Vereine wurden erneut angeschrieben, um die Statistik nach Möglichkeit zu vervollständigen. Danach wurde die Gesamtzahl an Schweizer Vereinsmitgliedern auf rund 420 000 Personen geschätzt.17 Als Nachwirkung dieser ersten Erhebung erstellten die Kantone Basel-Stadt, Thurgau und Genf Zusammenstellungen über einzelne Vereinstypen wie Sparkassen, wohltätige «Hülfsgesellschaften» oder öffentliche Bibliotheken.18

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