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EXKURS: Einstellungen und Verhalten

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Einstellungen werden sozial geteilt. Es existieren zahlreiche Definitionen, die zu erfassen versuchen, was Einstellungen sind und wie sie genau entstehen. Die meisten rekurrieren nach wie vor auf die bereits im Jahr 1935 von Gordon Allport formulierte Definition:

An attitude is a mental and neural state of readiness, organized through experience, exerting a directive and dynamic influence upon the individual’s response to all objects and situations with which it is related (Allport 1935: 810).

Einstellungen entstehen durch Erfahrungen, die im Verlauf des eigenen Lebens gemacht werden. Sie sind gesellschaftlich gewachsene Bewertungsvorlagen, die sich in der sozialen Interaktion (dem familiären Umfeld, der Peergroup, Bildungsinstitutionen, Medien …) bilden (vgl. Arendt 2010: 8). Indem der Einstellungsträger seine Einstellung gegenüber einem Einstellungsgegenstand abruft, erhält er eine Bewertungs- bzw. Reaktionstendenz. Während einfache Erklärungsmodelle der Einstellungsforschung nur diesen Bewertungsaspekt herausstellen und Einstellungen als evaluatives Maß auf einer eindimensionalen Richtungsskala veranschaulichen, die von maximal negativ bis maximal positiv reicht, ergänzen andere die Erklärungskomponente (nicht mögen – mögen), um eine kognitive Komponente (vgl. Gollwitzer/Schmitt 2009: 150). Sie verdeutlichen, dass Einstellungen vielschichtiger sind und eine geäußerte Bewertung noch lange nicht den Blick auf sämtliche vorhandenen Gedankengänge und Wissensbestände freilegt, die das Einstellungsobjekt betreffen könnten. Seit den 1960er Jahren wird das Drei-Komponenten-Modell zur Erklärung von Einstellungen (nach Rosenberg/Hovland und Katz/Scotland) in der Einstellungsforschung favorisiert (vgl. Hermanns 2002: 74). Die Gründe, die zur Entwicklung einer bestimmten Einstellung geführt haben und auch die Form, in der sich die Einstellung äußert, können, diesem Modell zufolge, kognitive, affektive und/oder konative Züge aufweisen.1

Die kognitive Komponente umfasst das Hintergrundwissen, das, bezogen auf das Einstellungsobjekt, erworben und gespeichert wurde. Man könnte auch von Vorstellungen, Informationen, Schemata (auch von auf bestimmte Situationen passenden Argumentationsschemata), Stereotypensets und vorgefassten Meinungen sprechen (vgl. ebd.: 75). Die Kognitionen beruhen auf früherem Verhalten, auf Erfahrungen und Erlerntem. Die affektive Komponente beinhaltet ablehnende oder zuwendende Dispositionen gegenüber dem Einstellungsobjekt (vgl. Vandermeeren 1996: 693). Auch diese Komponente geht aus Erlerntem, aus Erfahrungen und Erlebnissen hervor. Die behaviorale Komponente beinhaltet zum einen die Auffassung darüber, welche Handlungen, bezogen auf das Einstellungsobjekt, ausgeführt werden sollten und zum anderen den Handlungsvollzug (vgl. Spitzmüller 2005: 68). Arendt (2010: 10) hat vorgeschlagen konativ (oder auch: behavioral) durch volitiv zu ersetzen, da die Einstellung lediglich zu einem bestimmten Verhalten prädisponiere, das sich nicht zwingend mit dem daran anschließenden, tatsächlichen Verhalten in einer bestimmten Gesprächssituation decke. Auch Allport (1935: 805) führt diesen Gedanken aus:

In one way or another each regards the essential feature of attitude as a preparation or readiness for response. The attitude is incipient and preparatory rather than overt and consummatory. It is not behaviour, but the precondition of behaviour (Allport 1935: 805, Hervorh. im O.).

Einstellungen erfüllen bestimmte Funktionen, die von Smith, Brunner und White (1956), Katz (1967) und McGuire (1969) benannt worden sind (vgl. Casper 2002: 38):

 Die Wissensfunktion: Im Alltag müssen fortwährend Entscheidungen getroffen werden, was nicht zu bewältigen wäre, wenn bei allem, was wahrgenommen wird, das dazugehörige Vorwissen immer wieder aufs Neue gesammelt und dann sorgfältig ausgewertet werden müsste. Aufgabe der Einstellungen ist es als Bewertungs- und Handlungsvorlagen zu fungieren, auf die bewusst oder unbewusst zurückgegriffen werden kann (vgl. Gollwitzer/Schmitt 2009: 149; 151).

 Instrumentelle, utilitaristische oder auch Anpassungsfunktion: Diese Funktion basiert auf dem Wissen, dass Einstellungsäußerungen positive oder negative Folgen haben (vgl. Casper 2002: 39). Es geht um Bewertungen des Einstellungsobjekts hinsichtlich seiner Brauchbarkeit für das Erreichen beruflicher Ziele, für die Selbstverwirklichung des Individuums (instrumentell) oder für die Integration in eine bestimmte Gruppe (integrativ) (vgl. ebd.: 55).

 Die Ich-Verteidigungsfunktion: Einstellungen sind wichtig für den Erhalt des eigenen Selbstwertgefühls.

 Expressive Funktion: Einstellungen geben die Möglichkeit zur Selbstdefinition und zur Selbstdarstellung. Sie vermitteln u.a. Zugehörigkeit, Identität, Konformität, Charakter und Gruppenzugehörigkeit und formen die eigenen Wertvorstellungen.

So stehen Einstellungen als Orientierungsvorlagen parat und werden in passenden Situationen intuitiv abgerufen. Zwischen Abrufen und Handeln, muss zudem die Entscheidung getroffen werden, ob gemäß der vorgegebenen Schritte gehandelt werden soll oder nicht. Dies deutet darauf hin, dass außer der Einstellung noch zusätzliche Faktoren die Handlungsentscheidung in einer konkreten Situation beeinflussen. Die Einstellung allein bestimmt demnach noch nicht das folgende Verhalten. Sie fließt vielmehr in Abstufungen und in Abwägung der genannten Faktoren in das offen gezeigte Verhalten mit ein. So können Meinungen geäußert werden, die zwar vollkommen im Widerspruch zur persönlichen Einstellung stehen, dafür aber dem gesellschaftlichen Konsens entsprechen:

Schätzt das Individuum […] die normativen Erwartungen in einer bestimmten Situation als besonders verbindlich ein, wird seine Einstellungsäußerung diese normativen Erwartungen berücksichtigen. Die Gewichtung von Normerwartung, habitualisierter Einstellung und subjektiven Zielen bestimmt auf diese Weise die Selbstdarstellung in einer Situation (Tophinke/Ziegler 2006: 209).

Tophinke und Ziegler (vgl. 2006: 205) fordern deshalb, dass bei Spracheinstellungsuntersuchungen die soziokulturellen, situativen und interaktiven Kontexte, in denen Meinungsäußerungen fallen, mitberücksichtigt werden müssen.2

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