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2.1 Erschließung des Foucaultschen Diskursbegriffs

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Der Begriff ‚Diskurs’ wird in der deutschen Wissenschaftssprache nicht einheitlich verwendet. Das gilt auch für die Diskursanalyse als wissenschaftliche Untersuchungsmethode. Die Methoden der Diskursanalyse und die Diskurskonzepte unterscheiden sich von Disziplin zu Disziplin und auch innerhalb der Fachgrenzen von Forschungsgegenstand zu Forschungsgegenstand. Die Diskurslinguistik ist gegenwärtig ein Sammelbegriff unter den Sprachanalysen gefasst werden, die sich (vor allem) mit dem beschäftigen, was über die Wort-, Satz-, und Textebene hinausgeht und die sich mit der gesellschafts- und wissenskonstituierenden Funktion von Sprache befassen (vgl. Spitzmüller/Warnke 2011: 10). Ein Forschungsprojekt, das einen der vielen Diskursbegriffe, eine der vielen Diskurstheorien und eine der zahlreich vorhandenen Diskursmethoden appliziert, kommt nicht umhin zunächst das eigene Diskursverständnis darzulegen.

Das deutsche Lexem ‚Diskurs’ findet Anfang des 16. Jahrhunderts durch französische Vermittlung Eingang in den deutschen Sprachgebrauch (vgl. Pfeifer 2005: 230). Etymologisch leitet sich das Wort von mittelfranzösisch/französisch discours, aus spätlateinisch discursus ab (= ‚Verkehr, Umgang, Gespräch’ ; lat. discurrere ‚auseinanderlaufen’, ‚sich ausbreiten’; spätlat. ‚etwas mitteilen’) (vgl. ebd.). Der deutsche Diskursbegriff wird, wie auch sein französisches Pendant, bis ins 20. Jahrhundert hinein gleichbedeutend mit ‚wissenschaftliches Gespräch’‚ ‚wissenschaftliche Abhandlung’ oder auch ‚gelehrte Disputation’ gebraucht (vgl. Warnke 2007: 3; Heinemann 2011: 33). Neben dieser Bedeutung wird Diskurs ab dem 17. Jahrhundert auch als Quasisynonym zu ‚Konversation’ verwendet (vgl. ebd.).

Seit den 1970er Jahren wird der Diskursbegriff in der Mediensprache gebraucht. Er taucht dort zunächst im Feuilleton auf, später dann in sämtlichen Ressorts als Quasisynonym für ‚Debatte’ ‚Dialog’, ‚Gespräch’ oder ‚öffentlicher Meinungsaustausch’ (vgl. Spitzmüller/Warnke 2011: 6, 9). Über die Medien erfährt der Diskursbegriff eine massive Bedeutungserweiterung, etabliert sich im Bildungswortschatz, um dann Eingang in die Umgangssprache zu finden (vgl. ebd.: 6). Dadurch verliert er erheblich an Prägnanz:

Wie so oft ist aus einem neuen oder neu definierten Begriff, aus einem Codewort, das nur von wenigen und sehr gezielt verwendet wurde, nach einer Periode der Abwehr ein Allerweltsbegriff geworden, den man fast schon wie eine abgenutzte Münze in die Hand nimmt, ohne ihn näher zu betrachten (Schöttler 1997: 134).

Von einem Diskurs wird heute gesprochen, wenn das (Haupt)-Thema einer öffentlichen Debatte bezeichnet wird (Krisendiskurs, Stammzellendiskurs etc.) und/oder die unterschiedlichen Träger solcher Debatten benannt werden (Mediendiskurs, politischer Diskurs, juristischer Diskurs, Laiendiskurs etc.) (vgl. auch Heinemann 2011: 32). Der Begriff erlaubt die Eingrenzung des Bereichs, in dem diskutiert wird (Bildungsdiskurs, Literaturdiskurs, Werbediskurs u.a.) (vgl. ebd.).

Alle Diskursverständnisse haben als gemeinsame Grundbedeutung die öffentliche „Praxis des Denkens, des Schreibens, Sprechens und Handelns“ (Parr 2008: 234). Insofern ist der Diskursbegriff genuin linguistisch. Er bezieht sich auf Kommuniziertes (vgl. Jung 1996: 453). Hinter dem wissenschaftlichen Diskursverständnis stehen umfangreiche Konzepte einzelner Denker, die wiederum sehr heterogen rezipiert und weitergedacht wurden. Das Diskursverständnis von Michel Foucault und die an seine Schriften angelehnte linguistische Lesart eines Diskurses, prägen die methodische Vorgehensweise dieser Arbeit. Sie ermöglichen die Erfassung von Wissenssegmenten über die Analyse von Äußerungen. Foucault selbst regte dazu an, aus seinen Ausführungen die theoretischen Begrifflichkeiten zu entnehmen und Methoden zu entwickeln, die sinnvoll erscheinen, um „[…] das handlungsleitende und sozial stratifizierende kollektive Wissen bestimmter Kulturen und Kollektive zu erschließen“ (Spitzmüller/Warnke 2011: 8). Die Diskurslinguistik im Anschluss an Foucault hat bis heute keine einheitlichen Definitionen und Verfahrensweisen. Es gibt mehrere Theorieverständnisse (und damit einhergehend unterschiedliche Methoden), verschiedene Schulen1, die sich im Verlauf der letzten Jahre entwickelt haben und die Schriften Foucaults unterschiedlich stark gewichten. Der Sammelband Diskurslinguistik nach Foucault (Warnke 2007) war bedeutsam für die Etablierung einer Diskurslinguistik im deutschsprachigen Raum. Andreas Gardt (2007: 30) fasste dort das linguistische Diskursverständnis wie folgt zusammen:

Ein Diskurs ist die Auseinandersetzung mit einem Thema, – die sich in Äußerungen und Texten der unterschiedlichsten Art niederschlägt, – von mehr oder weniger großen gesellschaftlichen Gruppen getragen wird, – das Wissen und die Einstellungen dieser Gruppen zu dem betreffenden Thema sowohl spiegelt – als auch aktiv prägt und dadurch handlungsleitend für die zukünftige Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Bezug auf dieses Thema wirkt.

Da die Diskurslinguistik gesellschaftliche Kommunikation analysiert und die damit verbundene gesellschafts- und wissenskonstituierende Funktion von Sprache zumindest in ihren Ansätzen erschließen will, hat sie ihren legitimen Platz als Theorie und/oder als Methode innerhalb der Linguistik (vgl. Spitzmüller/Warnke 2011: 10). Das Diskursverständnis der folgenden Arbeit soll nun in diesem und im darauffolgenden Kapitel IV. dargelegt werden. Begonnen wird mit Foucault und mit den theoretischen Begriffen, die aus seinem ‚Werkzeugkasten’ für die Zielsetzungen der Arbeit entnommen wurden.

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