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Ameisen in der Gondelbahn
ОглавлениеZu den unvergesslichen Lifterinnerungen gehören auch Gondelfahrten, während derer man, auf Höhe der Erwachsenenhintern eingeklemmt, nicht nach draußen schauen konnte. Deshalb hob einem die nächste Stütze ohne Vorwarnung den Magen aus, während das Gesicht gegen die kalte Kante eines fremden Skis gedrückt wurde. Vor allem deutsche Skigäste begleiteten das gerne mit einem überdrehten „Huhu“. In der Gondel gilt dasselbe Prinzip wie auf einem Schiff: Wenn man nicht hinaussieht, kann einem leicht schlecht werden.
Mit Gondeln fuhren wir auch aus anderen Gründen ungerne: Wir wollten, wenn irgendwie möglich, nicht die Ski abschnallen. Auch wenn man in einer Schlange stand oder im Flachen vor sich hin stapfte, stand man auf Skiern, war man Skifahren. Ohne Skier aber war der Spaß vorbei. Da fiel erst auf, wie sehr uns die Neigung der Schuhe unsere Knie nach vorne drückte. Wir mochten Seilbahnfahrten auch deshalb nicht, weil meistens gerade eine von den beiden Gondeln knapp vor unserer Nase die Tür schloss, ohne uns mitzunehmen. Dann sahen wir die riesige Kabine wie von unsichtbarer Hand gezogen lautlos nach oben verschwinden und mussten eine Ewigkeit von zwanzig Minuten auf die nächste warten.
In moderneren Skigebieten gab es dann irgendwann kleine, wendige Sechser-Gondeln. Die mochten wir schon lieber. Zwar musste man auch die Skier abschnallen und oft gefährlich hohe Eisenstufen mit den schweren Brettern auf den Schultern überwinden, um zum Einstieg zu gelangen. Aber in der Gondel hatten wir dann wenigsten einen fixen Sitzplatz und gute Sicht nach draußen. Eine Liftfahrt mit Freunden konnte sehr lustig sein. Alleine auf engstem Raum zwischen fremden schweigsamen Erwachsenen stehend, kam uns der Weg auf den Berg aber wie eine kleine Ewigkeit vor.
Doch vor dem Einsteigen musste wir noch einen Kraftakt bewältigen: Unsere Skier in das dafür vorgesehene Fach im Träger stecken. Der Träger war für uns zu hoch montiert, die Skier schwer und diese ganze Versuchsanordnung fand in Bewegung statt. Manchmal passierte es, dass man zwar die Skier verstaut hatte, es aber nicht mehr rechtzeitig in die Gondel schaffte. Dann musste man darauf hoffen, dass oben jemand die Skier herausgenommen und beiseitegestellt hatte. Beim Aussteigen begann das gleiche Spiel von vorne. Nur umgekehrt.
Menschen staunen über Ameisen, die ein Vielfaches ihres Körpergewichts tragen und dabei noch die schwierigsten Wege bewältigen können. Wir Skikinder in unserer schweren Ausrüstung haben Ähnliches geleistet. Nur hat das niemand für etwas Besonderes gehalten.