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Herunter kommt jeder

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Beim Lift anstehen heißt heute, mit den Skiern auf einem Förderband in Richtung Einstieg geschoben zu werden, nachdem der Chip einsatzpflichtiger Skipässe wie von Geisterhand das Drehkreuz auf Grün geschaltet hat. Uns schnalzte noch die Liftkarte ins kalte Gesicht, nachdem wir sie in den Kontrollschlitz gesteckt hatten. Der Handschuh, den man sich für das Manöver ausgezogen und zwischen die Beine gestopft hatte, landete auf dem Boden, beim Angeln danach verlor man das Gleichgewicht. Und hasste sein unwürdiges Auftreten. Dabei war der Skipass zum Stecken schon ein riesiger Fortschritt zur persönlichen Kontrolle jeder einzelnen Karte davor. Vor dem strengen Blick des Personals auf unseren Skipass hatten wir uns auch dann gefürchtet, wenn es nicht die ausgeborgte Saisonkarte der einheimischen Cousine war. Die Karten am Gummiband waren dennoch ein ständiger Verdruss. Wer sie nicht ordentlich unter die Jacke zurückgestopft hatte, dem flatterte sie beim Fahren um die Ohren oder – noch schlimmer – davon und wurde nie mehr gefunden.

Die eigentliche Herausforderung beim Skifahren für uns war das Hinauffahren. Wenn man mit acht Jahren und knapp 25 Kilo Körpergewicht alleine an einem Schleppliftbügel hing, bedeutete das den wahren Kampf gegen den Berg. Immer darauf bedacht, nur ja nicht den Bodenkontakt zu verlieren, gleichzeitig gerade in steilen Passagen nur knapp schwer genug, um nicht mit dem Bügel nach oben gezogen zu werden. Da wir aber gerade in diesem Alter unersättliche Skifahrer waren und bei jedem Wetter und zu jeder Uhrzeit rauf und runter fuhren, mussten wir die Schleppliftfahrten zu den Randzeiten oft alleine bewältigen. Die Alternative wäre gewesen, jedes Mal zu warten, bis ein möglicher Mitfahrer auftauchte. Manchmal war der Zug des Bügels so stark, dass wir den Bügel nur mehr mit den Händen zu fassen bekamen. Dann kämpften wir vornübergebeugt so lange gegen das Hinausfallen, bis uns die Kraft verließ. Wichtig war, zumindest so lange durchzuhalten, bis ein Aussteigen auf der Strecke überhaupt möglich war. Es gab Passagen, wo man gar nicht mehr zurück zur Piste gelangen hätte können. Dazwischen lag ein Graben, ein Wald oder ein unüberwindbar scheinender Tiefschneehang. Die Liftfahrt verlangte uns oft mehr Kraft, Können und Konzentration ab als die folgende Abfahrt.

Die Skigebiete waren voll von Liftfallen: Elend lange unendlich langsame Einzelsessellifte mit schiefen Sicherheitsbügeln – manchmal sogar nur Ketten zum Einhängen –, unter denen wir mit unserer Größe problemlos durchgerutscht wären. Die Stützen lagen so weit auseinander, dass man bei schlechter Sicht glaubte, nur an einem Seil in der Luft zu hängen. So alleine waren wir in unserem ganzen Leben nie wieder wie in jenen Minuten, in denen der Einzelsessellift wegen starken Windes in der Mitte zwischen Tal- und Bergstation ohne Vorwarnung abgeschaltet wurde. Dort schaukelten wir im Sturm, froren mit den nassen Handschuhen vor dem Mund und dem Zweifel im Herzen, ob das Seil, nur weil der Lift gerade nicht in Bewegung war, tatsächlich nicht aus der Führung springen konnte. War das Wetter gut, vertrieben wir uns die Fahrt damit, mit der Spitze des Stockes in die Styroporauflage des Sitzes zu ritzen: Herzerln, Initialen oder den eigenen Namen, später brannten wir auch mit Zigaretten Löcher hinein.

Als wir kleiner waren, war es bei Doppelsesselliften schwierig, den Liftbügel ohne Hilfe zu schließen. Ziemlich oft sind wir da an der vorderen Sitzkante ohne Sicherung zehn Meter über dem Boden balanciert, um den Bügel so greifen zu können, dass er auch geschlossen werden konnte. War er endlich zu, haben wir aus Langeweile und weil wir durstig waren – und das waren wir immer – mit der Zunge den Liftbügel berührt. War es kalt genug, sind wir dann kleben geblieben: Kurz vor dem Ausstieg blieb uns nichts anderes übrig, als die festgefrorene Zunge gewaltsam wegzureißen. Das Blut im Mund half jedenfalls nicht gegen unseren Durst.

Schnee von gestern

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