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Single am Dreiersessellift

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Skifahren im Teenageralter war das Fischen in einem Pool ungeahnter Möglichkeiten. Es war bereits ein Erfolg, es auf eine Liftfahrt mit einem unbekannten gut aussehenden Wesen zu bringen. Selbstverständlich ohne ein Wort zu wechseln.

Schon der Doppelsessellift war eine Revolution für zwischenmenschliche Kontakte, den Durchbruch aber brachte der Dreiersessellift, der Gruppen zwang, sich aufzuteilen. Darauf achtete schon der Liftwart, der herrisch und in meist unverständlichen, aber stets unfreundlichen Worten für Ordnung sorgte. So lernte man einander also kennen. Durch geschicktes Anstellen konnte man dem Schicksal durchaus nachhelfen: Das Warten wurde zu einer einzigen strategischen Annäherung an ansehnliche Objekte. Wobei schon beim Anstellen klar war, wer „lässig“ war, wie das damals hieß, und wer nicht. Den coolen Skifahrer erkannte man an seiner Haltung. Es war der, der die Stöcke vorne in die Bindung steckte (zwischen Schuh und Vorderbacken) und sich unbeeindruckt vom Gedränge um ihn herum auf die unter die Achseln geklemmten Griffe lehnte. Gegen diesen Typ hatten es alle schwer, die schon bei leichtem Gefälle ins Rutschen kamen und verzweifelt mit vielen Entschuldigungen anderen über die Skier fuhren, um sich am Ende ziemlich unwürdig an irgendeinem Pfosten festzuklammern.

Anstehende Mädchen zu taxieren war für aufs Aussehen fixierte Burschen gar nicht so einfach. Denn unter einer Anorakwolke, die fast bis zu den Knien reichte, war die Figur darunter nur schwer auszumachen. Und nicht einmal, ob das Gesicht den Schönheitsanforderungen entsprach, ließ sich wegen monströser Hauben und unförmiger Skibrillen verlässlich sagen. So haben wir unsere blauen Wunder erlebt: Da schälten sich aus entstellenden Daunenhaufen zarte Schönheiten heraus, umgekehrt waren gute Skifahrerinnen, die uns auf der Piste begehrenswert erschienen waren, in Zivilkleidung plötzlich völlig entzaubert.

Wenn man sich schon kannte, begann das Was-sich-liebt-das-neckt-sich-Spiel am Skilift. Man zog sich an den Hauben, rutschte einander näher: Natürlich ging es vor allem um das Herstellen von Körperkontakt. Schaffte man es am Sessellift zwar nicht neben die Richtige, aber zumindest auf den Sessel davor, konnte man sich während der ganzen Fahrt umdrehen, nach hinten schauen und rufen. Die Objekte der Begierde waren so für zumindest die Dauer der Fahrt rettungslos ausgeliefert.

Der Schlepplift bot ganz andere Möglichkeiten. Ein besonders perfider Streich war Burschen vorbehalten: Man öffnete unbemerkt das Schnapperl der Tyrolia-Bindung, kurz bevor das Opfer den Schlepplift bestieg. Ging dann der Bügel auf Zug, öffnete sich die Bindung und der Betreffende wurde aus der Spur katapultiert. Danach musste meist der Lift kurz abgeschaltet werden, da das Opfer mitten im Einstiegsbereich zu liegen kam. Es wurde viel gelacht und viel geschimpft. Der Liftwart drohte, uns den Skipass abzunehmen.

Beim Schleppliftfahren gab es eine Reihe von Methoden, den Mädchen zu imponieren. Wir verließen die Spur, um uns durch den Tiefschnee schleppen zu lassen, öffneten einander die Bindung oder zogen freiwillig einen Ski aus, um uns danach publikumswirksam gegen das Hinausfallen zu wehren. Es gab auch eine Brachialmethode, um Kontakt zu knüpfen. Man ließ sich absichtlich fallen, wartete neben der Spur und versuchte, als Dritter an einem „Mädchenbügel“ mitzufahren. Was fast immer mit dem Ausfall von allen dreien endete. Diese Methode führte aber eher nicht zu irgendeinem nennenswerten Ergebnis.

Für das Ausgehen am Abend waren wir noch zu jung. Es wurden Nummern ausgetauscht – natürlich Festnetz, oft stimmten sie nicht. Nur in den seltensten Fällen traf man sich in Zivilkleidung im Zivilleben wieder. Die Erinnerung an kalte Küsse hoch oben auf dem Sessellift schien dann wie aus einer anderen Welt. Das Fördervolumen der Lifte ist im Lauf der Jahre immer größer geworden. Am Sechsersessellift will sich niemand mehr küssen. Und beim Anstellen haben alle ihre Handys in der Hand. Und keine Augen für die anderen.

Schnee von gestern

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