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Holländer und Kinder müssen unten bleiben
ОглавлениеNur wer Ski fahren konnte, konnte Ski fahren. Denn Ski fahren war noch völlig undemokratisch. Es gab keine Carvingski, keinen Kunstschnee und vor allem keine präparierten Pisten jenseits der Baumgrenze. Um den Kurven- oder Tellerlift, der immer auch als Treffpunkt der Skischule diente, endlich hinter sich lassen zu dürfen und in die beachtlichen Weiten eines Skigebietes aufbrechen zu können, war es notwendig, deutlich fortgeschritten zu sein. Denn Skifahren hatte durchaus noch eine alpine Dimension. Bei schlechter Sicht und Wind kam man sich ziemlich verlassen vor, die Abfahrt wurde, wenn schon keine Sache auf Leben und Tod, so doch eine ernste Angelegenheit. Wer im Steilstück die Kontrolle über die Skier verlor, fand sich unversehens ein paar Hundert Höhenmeter weiter unten wieder. Die Ausrüstung (ein Stock dort, die Haube da, ein Ski – ja, wo eigentlich?) weitläufig im Gelände verteilt.
Bis es aber so weit war, und man überhaupt Gelegenheit bekam, ganz oben zu stürzen, konnte das durchaus einige Jahre dauern, da sich die Übungsgelegenheiten, zumindest dann, wenn man nicht unmittelbar in einer Skiregion wohnte, auf eine Handvoll Ferientage und ein paar Wochenenden pro Saison beschränkten. Schon rote Pisten waren damals für Fahranfänger eine echte Herausforderung. Vor allem, weil sie mangels Kunstschnee im Laufe einer neuschneelosen Woche – aber oft schon während eines Tages – ihr Gesicht völlig verändern konnten. Sie wechselten von Rot auf Braun, steinige, eisige Passagen inklusive. Auch mehrere Quadratmeter große Eisplatten, die sich mitten im sonst tadellosen Hang unter einer hauchdünnen Schneeschicht verbargen, gehörten zum Alltag. Schwarze Pisten wiederum stachen nicht wie heute vor allem durch ihre Neigung hervor, sondern wurden oft schlicht nicht präpariert, weil das Gelände sich mit dem zur Verfügung stehenden Gerät nicht so ohne Weiteres glätten ließ. So traf man abseits der Anfängerlifte nur selten Pistenraupen. Und so gut wie nie Holländer.
Das Pistennetz war noch nicht so ausgeklügelt wie heute. Anfängerabfahrten endeten manchmal ohne Vorwarnung in schwarzen Pistenstücken. Regelmäßig war es notwendig, lange Flachpassagen mit Schlittschuhschritten und kräftigem Stockeinsatz zu überbrücken, um überhaupt wieder zum Lift zurückzukommen. Für Anfänger oft noch ein schwierigeres Hindernis als die steilsten Buckelpisten, die man im Notfall mit abgeschnallten Skiern am Hintern rutschend bewältigen konnte. Die Saison endete ohne Schneekanonen deutlich früher als heute. Spätestens Anfang März war es in den niedrigeren Regionen mit dem Skifahren vorbei – und schon zuvor waren wir oft gezwungen, die Skier weit oberhalb der Talstation abzuschnallen. Danach mussten wir ein Stück zu Fuß gehen – wie haben wir die klobigen Skischuhe verflucht! – oder mit Gondel oder Sessellift ins Tal fahren. Eine unsportliche Schmach: Normalerweise war die Lifttalfahrt den Nichtskifahrern, also Touristen, Sonnenanbetern vorbehalten, die auch einmal zum Gipfel hinauf wollten.
Deshalb fühlen wir uns heute oft um unsere vielen harten Lehrjahre geprellt, wenn in Skigebieten Vielfach-Sessellifte jeden Anfänger vom ersten Tag an direkt zum Gipfelkreuz führen und es oben zugeht wie früher nur am verpönten Babylift. Es ist schön, dass Carvingskier dem Sport neue Impulse gegeben haben. Es ist nicht so schön, dass man mit ihrer Hilfe ohne lästigen Umweg über Stemmbogen und Co. das Skifahren beherrscht, ohne es wirklich zu beherrschen. So rasen Menschen die Piste hinunter, die den Schneepflug nie gelernt haben. Deshalb können sie dann auch so schlecht bremsen, wenn vor ihnen ein Kind im Schneepflug fährt.