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3. Strukturprinzipien im Internationalen Steuerrecht

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Die Normen des Internationalen Steuerrechts lassen sich häufig auf bestimmte Muster und Strukturen zurückführen. Diese sollten schon deshalb sicher beherrscht werden, weil sie bei der Auslegung der Normen herangezogen werden können. Zudem können so auch unbekannte Sachverhalte einer zumindest vertretbaren Lösung zugeführt werden. Wenn der Einzelgewerbetreibende A mit Wohnsitz und Aufenthalt in der Schweiz der natürlichen Person B mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in den Niederlanden einen Gebrauchtwagen verkauft und aus dem Verkauf einen Gewinn erzielt, stellt sich die Frage, ob Deutschland diesen Sachverhalt besteuern darf. Die Frage ist zu verneinen, weil kein Anknüpfungspunkt zum inländischen Hoheitsgebiet besteht. Aus dem Völkerrecht ist bekannt, dass ein Staat seine Hoheitsgewalt immer nur auf seinem Hoheitsgebiet ausüben kann[31]. Für das Internationale Steuerrecht hat das zur Folge, dass ein bestimmter Sachverhalt nur dann der Besteuerung unterworfen werden darf, wenn eine hinreichend enge Verbindung zum Hoheitsgebiet des besteuernden Staates besteht (sog. genuine link)[32].

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Da dieser Grundsatz nach Art. 25 Satz 2 GG[33] zu den sog. allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehört, ist er vorrangig vor dem einfachen Bundesrecht zu beachten. Wie die hinreichend enge Verbindung im Einzelnen ausgestaltet sein muss, lässt das Völkerrecht offen. Es besteht daher ein Ermessensspielraum der Staaten. Das Bundesverfassungsgericht formuliert diesbezüglich für das nationale deutsche Recht: „Der rechtlichen Möglichkeit, Ausländer zu Abgaben heranzuziehen, sind durch das Erfordernis der Anknüpfung etwa an die Staatsangehörigkeit, Niederlassung, Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland, die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes im Inland oder die Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolges im Inland deutliche Grenzen gesetzt.“ Erforderlich ist aber lediglich, so das Bundesverfassungsgericht weiter, ein „Mindestmaß“ an „Sachnähe“[34].

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Die Steuerrechte nahezu aller Staaten haben in Beachtung dieser völkerrechtlichen Vorgaben Anknüpfungspunkte für die Besteuerung festgelegt und daraus verschiedene Arten der persönlichen und sachlichen Steuerpflicht entwickelt[35]. Was die Frage der persönlichen Steuerpflicht, also die Frage nach dem Steuersubjekt („Wer ist steuerpflichtig?“) anbelangt, ist die Verwirklichung des Staatsangehörigkeitsprinzips die weitestreichende Möglichkeit eines Staates, sich eines Besteuerungszugriffs zu versichern. Ein Staat besteuert sonach seine Staatsangehörigen unabhängig davon, auf welchem Staatsgebiet sie sich aufhalten.

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In der Reichweite etwas zurückgenommen ist demgegenüber das Ansässigkeits- oder Wohnsitzprinzip, nach dem allein auf die Gebietszugehörigkeit abgestellt wird[36]. Den diese Prinzipien anwendenden Staat nennt man den sog. Ansässigkeitsstaat[37]. Die Staatsangehörigkeit ist dabei irrelevant. Beide Prinzipien jedoch dienen in der Regel als Grundlage für die unbeschränkte Steuerpflicht und damit der Besteuerung des Welteinkommens als der weitestreichenden Ausprägung der sachlichen Steuerpflicht („In welchem Umfang wird besteuert?“: Welteinkommens- oder Universalitätsprinzip). Aus deutscher Sicht beispielsweise kann der Steuertatbestand (§ 38 AO) bei der unbeschränkten Steuerpflicht daher auch im Ausland verwirklicht werden, so dass auch dort erzielte Einkünfte (und damit meist sog. ausländische Einkünfte[38]) in die inländische Bemessungsgrundlage eingehen.

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Während sich die Staaten auf nationaler Ebene in der Regel entweder für das Staatsangehörigkeitsprinzip oder das Ansässigkeitsprinzip entscheiden[39], gilt dies für Vereinbarungen zweier Staaten in Doppelbesteuerungsabkommen nicht in gleicher Weise. Bezüglich der Bestimmung der sog. Ansässigkeit für abkommensrechtliche Zwecke findet sich in Art. 4 Abs. 2 Buchstabe c OECD-MA[40] hilfsweise eine (bei Wohnsitzen in mehr als einem Staat) kumulative bzw (mangels eines Wohnsitzes in beiden Staaten) alternative Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit.

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Im Rahmen der persönlichen Steuerpflicht – hier namentlich der beschränkten Steuerpflicht – greifen die Staaten jedoch auch auf sachliche Anknüpfungspunkte zurück. Infolgedessen werden bei fehlender Ansässigkeit des Steuerpflichtigen im Inland (das ist der sog. Quellenstaat) der Besteuerung nur Einkünfte aus inländischen Einkunftsquellen (Quellenprinzip) bzw Einkünfte aus inländischen Vermögensgegenständen (Belegenheitsprinzip) unterworfen. Die Beschränkung des Steueranspruchs auf inländische Steuergüter ist Ausdruck des sog. Territorialitätsprinzips[41]. Der sachlichen Steuerpflicht unterliegen mithin nur sog. inländische Einkünfte[42].

Eng mit dem Begriff des Quellenstaats verwandt ist der Begriff der sog. Quellensteuer. Der Begriff der „Quellensteuer“ wird, was das Ertragsteuerrecht anbelangt, in den deutschen Steuergesetzen nicht definiert. Im EStG findet der Begriff lediglich Erwähnung in der Überschrift zu § 50h EStG sowie in der „Absichtserklärung“ des § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG. Ferner ist er in § 26 Abs. 6 Satz 4 und Satz 7 KStG, in § 34 Abs. 11c Satz 4 KStG, in § 5 Abs. 6 Satz 1 und Satz 3 FVG, in § 20 Abs. 4 Satz 2 REITG und in § 9 InvStG enthalten. In der Regel wird das Wort „Quellensteuer“ in diesen Normen im Zusammenhang mit ausländischen Quellensteuern gebraucht; lediglich in § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG und in § 20 Abs. 4 Satz 2 REITG sind explizit inländische, dh Quellensteuern angesprochen, die auf der Grundlage nationalen deutschen Steuerrechts erhoben werden.

Eine Definition sucht man also vergebens, ebenso wie das deutsche Steuerrecht eine zusammenhängende gesetzliche Kodifizierung von Quellensteuern im Bereich der Ertragsteuern vermissen lässt. Vielmehr sind die Abzugsteuertatbestände über die Einzelsteuergesetze, namentlich das EStG, verstreut. Interessant, aber nicht weiterführend ist in diesem Zusammenhang IAS (International Accounting Standards) 12 65A: „Wenn ein Unternehmen Dividenden an seine Anteilseigner zahlt, dann kann es sein, dass es erforderlich ist, einen Teil der Dividenden im Namen der Anteilseigner an die Steuerbehörden zu zahlen. In vielen Ländern wird diese Steuer als Quellensteuer bezeichnet.“ Dies ist zwar auch keine Definition, aber immerhin der Versuch einer Beschreibung von Quellensteuern in einem speziellen Fall, nämlich für den Bereich der (nach deutschen Begrifflichkeiten) Kapitalertragsteuer.

Die deutsche Finanzverwaltung verwendet den Begriff der Quellensteuer beispielsweise in H 48 KStR, in H 34c (5) Satz 3 EStR sowie in den §§ 11, 13, 14, 15, 16 und 16a der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen (Zinsinformationsverordnung). Daneben findet er sich in jeweils unterschiedlichen Zusammenhängen in einer Vielzahl von BMF-Schreiben, Verfügungen und Erlassen (zB in Tz. 12.3.2 AEAStG), ohne dass sich hier auch nur der Versuch einer Definition fände.

Aus den genannten Gesetzen und Verwaltungsanweisungen lässt sich aber der Eindruck gewinnen, als verstünden der deutsche Gesetzgeber und die deutsche Finanzverwaltung unter Quellensteuern in einem sehr weiten Verständnis all jene Steuern, die zulasten des Steuerpflichtigen von dritter Stelle (meist durch den Leistenden der steuerpflichtigen Bezüge) einbehalten werden, so dass dem Steuerpflichtigen nur noch ein Nettobetrag zufließt. Nicht hingegen wird hinsichtlich des Begriffs danach differenziert, ob die Quellensteuer eine Abgeltungswirkung entfaltet oder ob es sich bei den zugrunde liegenden Einkünften um nationale oder grenzüberschreitende Einkünfte handelt. Auch der wirtschaftliche Sachverhalt, der der Besteuerung zugrunde liegt, ist insoweit unerheblich. Von Quellensteuern spricht man daher zB bei der Lohnsteuer ebenso wie im Bereich der Abzugsteuer auf grenzüberschreitende Lizenzzahlungen.

Auch in der deutschen Rechtsprechung findet sich, soweit ersichtlich, keine umfassende Definition des Begriffs der Quellensteuer. Definitionsfragmente hingegen sind in einer Vielzahl von Einzelurteilen enthalten: Eine sehr schlichte und für sich genommen missverständliche, weil verkürzte Definition ausländischer Quellensteuern findet sich im BFH-Urteil vom 16.5.1990 (Az.: I R 80/87; BStBl. 1990 II, 920), in dem der Bundesfinanzhof entschied, dass ausländische Quellensteuern zu den nicht abziehbaren Steuern nach § 10 Nr 2 KStG rechnen. Aus dem Zusammenspiel des ersten Leitsatzes des Urteils mit den Urteilsgründen ergibt sich lediglich, dass der BFH unter ausländischen Quellensteuern „ausländische Steuern vom Einkommen“ versteht. Damit bliebe aber unberücksichtigt, dass es dem Wesen der Quellensteuer entspricht, dass gerade ein anderer als der Steuerpflichtige die Steuer für Rechnung und zulasten des Steuerpflichtigen einbehält und an die zuständigen Steuerbehörden abführt. Dass dies auch in dem genannten BFH-Urteil der Fall war, ergibt sich indes leider erst aus der Tatbestandsdarstellung der Vorinstanz.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Begriff der Quellensteuer ein terminus technicus allein des Internationalen Steuerrechts ist. Gemeint ist eine Besteuerung an der Quelle der jeweils betrachteten Einkünfte durch den sog. Quellen- oder Belegenheitsstaat und damit gerade nicht den Ansässigkeitsstaat des betrachteten Steuerpflichtigen. Der Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen ist hingegen mit der Vermeidung der Doppelbesteuerung befasst, die der Quellenstaat nicht vermeiden kann, will er nicht gänzlich auf eine Besteuerung verzichten. Bezieht beispielsweise der im A-Staat ansässige Steuerpflichtige X Zinszahlungen von einem Sparkonto, das er bei einer Bank im B-Staat unterhält, und verpflichtet der B-Staat die Bank, auf die Zinszahlungen eine Steuer von beispielsweise 20% einzubehalten und abzuführen, so spricht man in der Terminologie des Internationalen Steuerrechts von einer Quellensteuer.

Ungeachtet der Tatsache aber, dass der Begriff „Quellensteuer“ in den oben genannten Gesetzesstellen Verwendung findet, ist er doch sicherlich im herkömmlichen Sinne kein Begriff des deutschen Steuerrechts. Zum einen findet er sich lediglich in neueren Vorschriften, die erst ca. bis zu 5 Jahre alt sind, zum anderen benutzen die deutschen Steuergesetze traditionell den Begriff der „Abzugsteuer“ bzw des „Steuerabzugs“, wie sich etwa aus den Überschriften vor den §§ 38, 43, 48 EStG bzw bei § 50a EStG ergibt. Sachlich ergibt sich dadurch freilich kein Unterschied: Die Steuer wird von einem Dritten (meist dem Leistenden der steuerpflichtigen Bezüge) einbehalten und an den Steuerpflichtigen wird lediglich ein Nettobetrag ausgekehrt. Der Steuerpflichtige mag sich sodann in einem zweiten Schritt um eine Steuererstattung (im Quellenstaat) oder eine Steueranrechnung (in seinem Ansässigkeitsstaat) kümmern; jedenfalls ist seiner Steuerpflicht mit dem Steuereinbehalt Genüge getan.

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