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a) Ursachen

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Ein internationaler Sachverhalt, der nach den Regeln des Internationalen Steuerrechts beurteilt werden muss, kann immer nur entstehen, wenn – aus der Sicht des betreffenden Staates – ein Inländer im Ausland oder ein Ausländer im Inland Einkünfte erzielt. Bei Berührungspunkten zum Hoheitsgebiet nur eines Staates liegt dagegen ein rein nationaler Sachverhalt vor, für den insoweit keine Besonderheiten gelten[43]. Für den Steuerpflichtigen nachteilig wird die Situation jedoch nur, wenn aufgrund des internationalen Sachverhalts mehr als ein Staat auf dasselbe Besteuerungssubstrat einen Besteuerungsanspruch erhebt. Dann liegt eine Doppelbesteuerung vor. Eine solche kann entstehen, wenn die beteiligten Staaten als Ausdruck staatlicher Souveränität ihrem nationalen Steuerrecht entweder identische oder gegenläufige Anknüpfungsmerkmale für die Besteuerung zugrunde legen:

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Hat die natürliche Person X je einen Wohnsitz im Staat A und Staat B und folgen beide Staaten dem Ansässigkeitsprinzip, wird X in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sein, mit der Folge, dass beide Staaten aufgrund des Universalitätsprinzips das Welteinkommen des X besteuern möchten. Das Aufeinandertreffen zweier unbeschränkter Steuerpflichten ist für X besonders unerfreulich, weil die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit[44] nicht mehr gewährleistet scheint, wenn und soweit einer oder beide beteiligten Staaten nicht Vorsorge über sog. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung[45] getroffen haben[46].

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Weitaus häufiger aber kommt es aufgrund des Universalitätsprinzips im einen und des Territorialitätsprinzips im anderen Staat zu einem Aufeinandertreffen von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. Wenn die natürliche Person X ihren Wohnsitz im Staat A hat und ein im Staat B belegenes Haus an die natürliche Person Y vermietet und hieraus einen Mietzins erzielt, gerät das Universalitätsprinzip des Staates A in einen Konflikt mit der Besteuerung nach dem Belegenheitsprinzip im Staat B. Auch in diesem Fall stellen sich Fragen nach der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit[47], und es entsteht eine Doppelbesteuerung, wenn auch reduziert auf die aus der Sicht des X im Ausland erzielten Einkünfte aus dem Staat B[48].

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Denkbar ist es auch, dass die Besteuerungsansprüche dreier oder mehrerer Staaten in Widerstreit treten. Wenn der Einzelgewerbetreibende X seinen Gewerbebetrieb im Staat A und im Staat B eine Betriebsstätte unterhält, deren Betriebsvermögen Aktien einer Kapitalgesellschaft aus dem Staat C zugeordnet sind, so gilt unter Umständen für die Besteuerung ausgeschütteter Dividenden Folgendes: Bevorzugt der Staat A das Ansässigkeitsprinzip, wird X dort mit seinem Welteinkommen und daher auch mit den empfangenen Dividenden besteuert. X unterhält aber zusätzlich im Staat B eine Betriebsstätte und ist daher mit seinen Betriebsstätteneinkünften dort beschränkt steuerpflichtig (zu diesen Einkünften gehören die Dividenden, sofern die Beteiligung wirtschaftlich der Betriebsstätte zugeordnet werden kann). Und schließlich wird ggf der Staat C aufgrund der Belegenheit einer Einkunftsquelle auf seinem Hoheitsgebiet auf die ausgeschütteten Dividenden eine sog. Quellensteuer erheben. Die Lösung solcher sog. Dreieckssachverhalte ist dogmatisch sehr herausfordernd. Die sich hier regelmäßig stellenden Fragen lauten: Welches bzw welche DBA sind mit welchem Einkunftsartikel anwendbar und welcher Staat ist ggf auf welche Weise zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung verpflichtet[49]?

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Bei einem internationalen Sachverhalt gilt meist in einem der beteiligten Staaten das Universalitätsprinzip, so dass die Besteuerung von Einkünften jedenfalls in der Regel mindestens in einem Staat erfolgt. Eine doppelte Nichtbesteuerung[50] hingegen, dh das Fehlen einer Besteuerung in allen beteiligten Staaten, kommt seltener vor. Hauptsächlich sind dies Missbrauchsfälle, die der Steuerpflichtige durch eine entsprechende Sachverhaltsgestaltung provoziert hat und für die die Staaten Missbrauchsvermeidungsvorschriften entwickelt haben[51]. Es kann aber auch vorkommen, dass der Steuerpflichtige in keinem der beteiligten Staaten als ansässig gilt und dass in beiden Staaten bei der Besteuerung daher nur das Territorialitätsprinzip zur Anwendung kommen kann, der Steuerpflichtige aber die Anknüpfungskriterien jeweils nicht erfüllt (Aufeinandertreffen von beschränkter und beschränkter Steuerpflicht). Schlussendlich sind Fälle von Qualifikationskonflikten zu nennen. Darunter sind Konstellationen zu verstehen, in denen derselbe wirtschaftliche Lebenssachverhalt von zwei oder mehr Staaten unter unterschiedliche Normen (meist Normen eines DBA) subsumiert wird.

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Beispiel:

Die natürliche Person X (Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im Staat A) ist zusammen mit der natürlichen Person Y (Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im Staat B) an einer gewerblichen Personengesellschaft des Staates B beteiligt. Zusätzlich zu den Gewinnanteilen erhält X Zinsen aufgrund eines Darlehens, welches der Personengesellschaft ausgereicht worden war. Wir wollen unterstellen, dass der Ansässigkeitsstaat A bei Personengesellschaften das Institut der Sondervergütungen[52] kennt, der Quellenstaat B hingegen nicht. Der Staat B würde auf die Einkünfte (Darlehenszinsen) von X daher insoweit den Zinsartikel des jeweiligen DBA anwenden, während der Staat A aufgrund der gewerblichen Einkünfte von Unternehmensgewinnen ausgehen würde. Wenn jetzt der Zinsartikel (in Abweichung von Art. 11 OECD-MA) ausschließlich die Besteuerung der Zinsen im Ansässigkeitsstaat des Empfängers zulässt, während der Artikel über Unternehmensgewinne (entsprechend Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) dem Staat B das ausschließliche Besteuerungsrecht gewährt, liegt ein Qualifikationskonflikt vor, der zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen kann. Mit Deutschland als Ansässigkeitsstaat würde es dazu jedoch nicht kommen, weil die Finanzverwaltung das Problem erkannt und in Tz. 1.2.3 Betriebsstättenerlass[53] entsprechend vorgebeugt hat[54].

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