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Willy Hoppe, Karrierist

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Eigentlich konnte Willy Hoppe (1884–1960) nicht mit einer akademischen Karriere rechnen.1 Spätestens nachdem er die Bibliothekarslaufbahn eingeschlagen und an verschiedenen Bibliotheken erfolgreich gewirkt hatte, kam der promovierte Historiker für eine universitäre Stellung nicht mehr infrage. Wissenschaftliche Aufgaben versah er nur mehr im Nebenberuf. Er engagierte sich in historischen Vereinen, Gesellschaften und Kommissionen und gab sich mit der Erforschung der brandenburgischen Geschichte zufrieden. Mit der Habilitation an der Berliner Universität 1924 und der Ernennung zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor 1929 schien der Höhepunkt und zugleich Abschluss seiner akademischen Laufbahn erreicht. Er beteiligte sich am »landesgeschichtlichen Aufbruch der 1920er Jahre«2 und zählte auf, was eine moderne Landesgeschichte in den Blick nehmen sollte: Kirche, Klerus und Bauern, Straßen, Flüsse und Bäche, Wüstungen, Gewerbe und Bienenzucht, Siedlungsgeschichte und überhaupt historische Geographie, weniger die Grafen und Kurfürsten der Mark als die vielen »ungezählten Brandenburger«. Das hatte Zukunft und ließ sich bald in eine Geschichte von Blut, Boden und Volkstum ummünzen. Aber Hoppe gehörte keineswegs zu den führenden Vertretern dieser Richtung.

Seine steile Karriere wurde denn auch nicht durch seine vielen orts- und heimatgeschichtlichen Publikationen, sondern durch sein frühes Bekenntnis zum Nationalsozialismus begründet. Schon Ende 1931 trat er der NSDAP bei (daher die relativ niedrige Mitgliedsnummer 856 307) und galt als einer der wenigen Universitätsprofessoren, die schon vor der nationalsozialistischen »Machtergreifung« offen für die Ziele der »Bewegung« eingetreten waren. Der Nutzen stellte sich ein, als der Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine sich aus Furcht vor Eingriffen der Partei selbst gleichschaltete und sich auf eine Wissenschaft festlegte, die der Volksgemeinschaft dienen sollte. Gleichzeitig wurde ein neuer Vorstand installiert, an dessen Spitze Willy Hoppe trat. Wahlen hatten zu unterbleiben: »Der als Führer Bestellte bestimmt den ihm zur Seite stehenden Rat selbst.« Mündlich und schriftlich machte Hoppe deutlich, dass er »als Nationalsozialist an diese Stelle gekommen« sei und sich »rückhaltlos« zum neuen Staat bekenne. Alle Glieder des Verbands hätten sich »unbedingt die Forderungen Adolf Hitlers an die Geschichtswissenschaft zu eigen« zu machen und Landesgeschichte als »Forderung der Gegenwart« zu begreifen. Man forsche »nicht um des Forschens willen«, vielmehr sei es des Forschers »heilige Verpflichtung, Geschichte und Gegenwart in Beziehung zu setzen und sein Forschen nutzbar zu machen für die Gesamtheit«.3 Erdmann hielt Hoppes Einsetzung zum »Führer« des Gesamtvereins für ein unmissverständliches Zeichen, dass künftig nur noch Parteigenossen in die maßgeblichen Ämter berufen würden.4


Willy Hoppe (1884–1960).

Nur unwesentlich länger zog sich Hoppes Aufstieg in der Universität hin.5 Eine schmale Schrift über »die Führerpersönlichkeit in der deutschen Geschichte« (1934), die er zusammen mit einem anbiedernden Begleitschreiben Adolf Hitler als »Geburtstagsspende« zuschickte, verfehlte noch die erhoffte Wirkung. Aber im gleichen Jahr wurde er zum »Führer« der Dozentenschaft und ein Jahr später zum Prorektor ernannt. Zu diesem Zweck musste ihm ein persönliches Ordinariat verliehen werden. Ein wirklicher Lehrstuhl wurde daraus, als er im Oktober 1937 zum Rektor avancierte. Das Verfahren zog sich hin und Hoppe konnte sich nur als Kompromisskandidat durchsetzen, nachdem andere verzichtet hatten. Er gilt in der Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität als schwacher Rektor, der seinen »Führerwillen« nicht immer durchsetzen konnte. Aber er amtierte länger als jeder andere Berliner Rektor im »Dritten Reich«, repräsentierte mehr als vier Jahre lang die bedeutendste deutsche Universität nach außen und hatte zugleich einen Lehrstuhl für »Landesgeschichte und historische Geographie in Verbindung mit der Reichsgeschichte« inne.

Dass ihm die Vielzahl seiner Pflichten über den Kopf wuchs, liegt auf der Hand und wurde von ihm selbst beklagt. Auch wenn er nie ein bedeutender Historiker war (und deshalb seine Berufung in die Preußische Akademie der Wissenschaften beharrlich verhindert wurde), hätte er sich doch mehr Zeit für die landesgeschichtliche Forschung gewünscht. Es mag sein, dass »gleichsam in seinem Windschatten« immer noch auf einem ansehnlichen Niveau gelehrt, geforscht und publiziert werden konnte.6 Aber er selbst nahm daran nicht teil. Er hatte sich zum Wissenschaftsorganisator entwickelt und musste zur Kenntnis nehmen, dass sich die eigene Forschung damit nur schwer vereinbaren ließ. Sein wissenschaftliches OEuvre blieb überschaubar. Stattdessen hielt er festliche Reden, zog gegen Judentum, Liberalismus und undeutsches Wesen zu Felde und pries den »großen Arbeitsrhythmus unserer Tage«. Die »auch in unsere Hallen einmarschierenden nationalsozialistischen Kolonnen« hätten die Einheit von Nation und »Bewegung« zustande gebracht, an der die Universität teilnehmen müsse. Nur auf den politischen Professor komme es jetzt und künftig an.7 Als es damit zu Ende ging, beteiligte er sich noch am sogenannten Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften, konnte aber seine wissenschaftliche Bilanz auf diese Weise erst recht nicht aufbessern.

Das alles fiel ihm 1945 auf die Füße. Hoppe gehörte zu den nicht allzu zahlreichen deutschen Historikern, die dauerhaft von den Universitäten entfernt wurden. Er behauptete, im Laufe der Jahre zum Nationalsozialismus auf Distanz gegangen und auch nie ein Antisemit gewesen zu sein. Die Zeit nach 1933 bezeichnete er jetzt als »Irrjahre«.8 Aber als bekennender Nationalsozialist und langjähriger Rektor schien er allzu belastet. Immerhin wurde ihm nach Jahren der Not die volle Pension zugestanden und er konnte sich wieder dem widmen, was er zeitweilig so schmerzlich vermisst hatte: der wissenschaftlichen und publizistischen Arbeit. Alte (auch fragwürdige) Netzwerke halfen dabei. Er erhielt sogar eine akademische Festschrift, die ausgesprochen mild mit seiner Vergangenheit umging. Das Gleiche gilt für eine Sammlung seiner Aufsätze, die sein bekanntester Schüler herausgab.9 Schuld, Sühne und Selbstbegnadigung der deutschen Geschichtswissenschaft lassen sich auch an Willy Hoppes Lebensweg ablesen.

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