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Wilhelm Krüger, Rektor auf vier Beinen

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Der Veterinäranatom Wilhelm Krüger (1898–1977) durchlief eine Karriere voller Höhen und Tiefen.44 1930 an die Tierärztliche Hochschule in Berlin berufen, wurde er schon nach wenigen Jahren, am 1. Mai 1933, zu deren Rektor ernannt. Auch Krüger konnte sich das nur mit den politischen Verhältnissen erklären. Er hatte nämlich, angeregt durch die bäuerlichen Verwandten seiner Ehefrau, an Adolf Hitlers »nationalem Sozialismus«, dem Konzept der Volksgemeinschaft und der Parole »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« Gefallen gefunden und war im Oktober 1932 in die NSDAP eingetreten. Er galt – gerade noch – als »Alter Kämpfer«. In der Professorenschaft der Hochschule gab es keinen anderen, der dieses Kriterium erfüllte. Später wurde er auch Mitglied der SA und brachte es in der SS bis zum Untersturmführer. Als bald darauf die Tierärztliche und die Landwirtschaftliche Hochschule zusammengelegt und beide »Lebenswissenschaften« als eigene Fakultät in die Friedrich-Wilhelms-Universität integriert wurden, kandidierte Krüger sogleich für das Amt des Rektors und wurde tatsächlich gewählt. Die Stimmen aus der Dozentenschaft, also der jüngeren Hochschullehrer, gaben dabei den Ausschlag. Darin kam – so Krüger – der Wunsch zum Ausdruck, dass ein »wirklicher Nationalsozialist«, kein kürzlich konvertierter die »Führung« der Universität übernehmen sollte. Dementsprechend trat er bei seiner Amtseinführung auf.45

Auch das Reichserziehungsministerium verband mit Krügers Ernennung die Erwartung, einen »Führerrektor« neuen Typs an der Spitze der größten deutschen Universität zu sehen. Doch bald kam es zur Einsicht, dass Krüger den Anforderungen seines Amtes nicht gewachsen war. Das »Projekt Führeruniversität« ließ sich nicht so leicht verwirklichen: »Ernennen kann man Beamte, […] nicht aber Führer.«46 Krüger amtierte deshalb nur zwei Jahre. In der Berliner Universitätsgeschichte gilt er als ausgesprochen schwacher Rektor, der von seinen Kollegen als »vierbeiniger Rektor« verspottet wurde.47 Auch die prekäre Stellung seines Fachs in der traditionsstolzen Universität kam darin zum Ausdruck. Aufmerksam wurde registriert, dass der neue Rektor gleich zu Beginn seines Rektorats vom Minister »angeschnauzt« wurde und nicht sofort zurücktrat.48 Der Slawist Max Vasmer hielt ihn – wie auch Willy Hoppe – für »gänzlich unfähig«.49

Krüger selbst erklärte seine Schwierigkeiten mit den besonderen Verhältnissen an der Universität und der widerständigen Haltung unter den Studenten. An der Tierärztlichen Hochschule hatte er es mit bäuerlich geprägten »Naturkindern« zu tun, hier aber mit »Intellektuellen« und »bürgerlicher Schickeria«. Dagegen habe er nicht ankommen können.50 Öffentlich verkündete er seine Absicht, die »Gelehrtenrepublik«, die sich mehr der internationalen Wissenschaft als dem eigenen Volk verbunden gefühlt habe, zu einer »nationalsozialistische[n] Universität im nationalsozialistischen Deutschland« umzugestalten, und er gelobte, sein Amt »im Sinne der heiligen Idee unseres Führers« ausüben zu wollen.51 Er glaubte, das am besten durch die Neugestaltung der akademischen Feiern zeigen zu können. Bei der 125-Jahr-Feier begrüßte er es, dass nationalsozialistische »Kolonnen« jetzt auch in »unsere Hallen« einmarschierten, und beschwor den Geist Horst Wessels wider den »Schlamm der jüdischen Zersetzung«.52 Der Feier zum Jahrestag der »Machtergreifung« gab er eine »wuchtige Form«.53 Damit verlieh er der Berliner Universität ein nationalsozialistisches Erscheinungsbild. Die in seiner Amtszeit entlassenen jüdischen Professoren und Dozenten bezifferte er auf 213.54 Im Umfeld Carl Erdmanns betraf dies Ernst Perels, der seit 1923 die Historischen Hilfswissenschaften vertreten hatte, jetzt aber den geforderten Abstammungsnachweis nicht erbringen konnte.55 Insofern hinterließ Wilhelm Krüger doch mehr Spuren, als man einem schwachen, »vierbeinigen« Rektor zutrauen würde.

Nach dem Krieg musste sich Krüger zunächst als Kürschner verdingen, erreichte aber schließlich seine Emeritierung zu vollen Bezügen. Er musste freilich versprechen, keine Vorlesungen mehr zu halten (was er als entwürdigend empfand).56 Politisch blieb er bis ins hohe Alter unbelehrbar. Das Attentat vom 20. Juli 1944 nannte er eine »Wahnsinnstat«, verübt von »Wirrköpfen christlicher Provenienz«, die nicht einsahen, dass man einen mit hellseherischen Fähigkeiten begabten Mann wie Adolf Hitler nicht einfach umbringen könne.57 Aber an Willy Brandts Sozialpolitik fand er Gefallen. Denn er hielt sie für »national-sozial«. Er schickte deshalb seine Autobiographie ungebeten an Brandts Nachfolger im Bundeskanzleramt, Helmut Schmidt. Von dort gelangte sie ins Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung, wo die »Lebensbeichte eines Nationalsozialisten« nicht hingehört.58

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