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Werner Reese, Hoffnungsträger

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Am 20. Juli 1941, einem Sonntagnachmittag, starb ein deutscher Kriegsverwaltungsrat bei Knokke im besetzten Belgien.117 Daran ist dreierlei bemerkenswert:

−Der Tod holte sich sein Opfer nicht auf dem Schlachtfeld, sondern beim Schwimmen im Meer, als es sich von den Strapazen des Dienstes erholte und einem Herzschlag erlag. Nehmen wir an, es war ein strahlender Tag.

−Der Tote war nicht einmal 32 Jahre alt geworden, hinterließ Ehefrau und zwei Kinder, von denen eines den Vater noch nicht kannte.

−Im zivilen Leben hatte er den Beruf eines Historikers ausgeübt. Mehrere Nachrufe wurden auf ihn geschrieben, was in so jungen Jahren noch seltener vorkommt als ein so plötzlicher Tod.118

Werner Reese (1909–1941) muss wenn nicht schon ein bedeutender, so doch ein hoffnungsvoller Wissenschaftler gewesen sein.

Reese kam mit dem Neuzeithistoriker Arnold Oskar Meyer an die Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin und blieb dort bis zur Habilitation. Noch während des Verfahrens zog er in den Krieg. Die Wissenschaft wurde ihm – so schrieb er nach Hause – »ein fernes Eiland«, die Rückkehr zu ihr nur ein »Wunschbild«.119 Die Nachrufe rühmen seine immense Arbeitskraft, seine Verwurzelung im »Grenzlanddeutschtum« (er stammte aus Kiel, seine Vorfahren sollen aus Westfriesland gekommen sein) sowie seinen unermüdlichen Einsatz für die »Bewegung«. Er sei ein »glühender Nationalsozialist« gewesen.120 Neben seinen dienstlichen Verpflichtungen gründete er eine studentische Arbeitsgemeinschaft, die sich mit der Geschichte des »Deutschtums« im Osten befasste und beim »Reichsberufswettkampf der deutschen Studenten« in der Sparte »Kampf um die Weltanschauung« mit einer »Mannschaftsarbeit« über »Gesamtdeutsches Denken in Österreich« preisgekrönt wurde. Als das Buch pünktlich zum »Anschluss« erschien, konnte es mit allem aufwarten, was eine nationalsozialistische Publikation ausmachte: mit einem passenden Reihentitel (»Junge Wissenschaft«), einem Geleitwort des Reichsstudentenführers, einem Motto aus einer Führerrede, einem Vorwort, das die Größe der Zeit, und einem Schlusswort, das die Bedeutung des Augenblicks pries.121 Es illustriert, was A. O. Meyer im Nachhinein seinem prominenten Schüler attestierte: Reese habe seine historischen Studien nie zum Selbstzweck antiquarischer Betrachtung betrieben, sondern immer als »Dienst an der neuen Zeit« verstanden.122

Dazu gehörte offenbar auch, dass er regelmäßig Gutachten über andere Lehrkräfte verfasste und damit über deren weiteren Lebensweg entschied. So sorgte er dafür, dass Heinrich Sproembergs »Geschichte der Niederlande und Belgiens« nicht gedruckt werden konnte. Denn über deren Beurteilung waren sie völlig und grundsätzlich uneins.123 Seinen nur ein Jahr jüngeren potenziellen Konkurrenten Fritz Fischer erklärte er für politisch unzuverlässig. Nationalsozialistische Wissenschaft sei von ihm nicht zu erwarten. Vielmehr versuche er, zwischen den älteren Professoren und seiner eigenen Gesinnung zu lavieren. Er habe deshalb als Historiker keine Zukunft, die Gewährung eines Stipendiums komme nicht infrage.124 Wie Carl Erdmann musste sich Fischer nach einer anderen Finanzierung umsehen, besaß aber – anders als Erdmann – genügend Geschick, um an der Universität zu bleiben und wenige Jahre später auf eine Professur berufen zu werden (von seiner weiteren Karriere als einer der bekanntesten Historiker in der jungen Bundesrepublik ganz zu schweigen).


Werner Reese (1909–1941).

Nicht einmal vor seinen dienstlichen Vorgesetzten machte der junge Mann in seinen Gutachten für die Dozentenschaft halt. An dem 54-jährigen Fritz Hartung erkannte er »Leistung und Grenzen«: Einerseits sei er von »unbestechliche[r] Ehrenhaftigkeit« und habe sich nicht gescheut, »manchmal Nationalsozialisten helfend zur Seite zu treten«; andererseits habe er »kein Hehl daraus gemacht, dass er als Angehöriger seiner Generation im Innersten niemals den Nationalsozialismus ganz in sich auf[zu]nehmen vermöge«. Und seinen eigenen Doktorvater A. O. Meyer beschrieb Reese ebenso gönnerhaft wie ambivalent: Seine Sachlichkeit habe ihn »vor einem Abgleiten in die geisteswissenschaftlichen Spielereien der Nachfolger Friedrich Meineckes« bewahrt und auch »für die Aufgaben des geistigen Volkstumskampfes« habe er »Wesentliches« geleistet. Dann aber habe er sich »von einer vorbehaltlosen Anerkennung der Bewegung« zunehmend entfernt und sei mit seinem »stark professorale[n] Gehabe« gelegentlich »in die Rolle eines politischen Besserwissers« geraten. Für »irgendwelche politische Aufgaben« komme er schwerlich infrage; doch es sei auch nicht zu befürchten, dass Meyer »irgendwie aktiv gegen die Forderungen der Bewegung oder des Staates Stellung nehmen wird«.125 Möglicherweise stammt auch ein weiteres Gutachten über den längst emeritierten Otto Hintze von Reese. Es gipfelt in dem Vorwurf, Hintze sei »ganz in das Fahrwasser Friedrich Meinekes« [sic!] geraten und habe »durch seine Heirat mit einer erheblich jüngeren Volljüdin […] seine Instinktlosigkeit zur Genüge unter Beweis gestellt«.126 Mit seinen Urteilen grenzte Reese sich scharf von den älteren Vertretern der Berliner Geschichtswissenschaft ab und bemaß deren Nachfolger an ihrem Verhältnis zum Nationalsozialismus.

Er selbst galt als charakterlich »einwandfrei«, von »gerade[r] Gesinnung« und »weltanschaulich […] auf dem Boden des Nationalsozialismus« stehend. Der Dozentenbund unterstützte seine Ernennung zum Oberassistenten schon nach wenigen Monaten und sein Betreuer förderte den Habilitanden, indem er nicht nur dessen fachliche Qualitäten, sondern auch seine politische Gesinnung hervorhob: »unmittelbare Lebensnähe und Volksverbundenheit sind ihm innerliches Bedürfnis«.127 Damit war aber kein Zustand, sondern ein Anspruch umschrieben, ein Anspruch auf Tat und Gestaltung. Reese gehörte jener Generation an, die als »Kriegsjugendgeneration« bezeichnet wird: »zu jung, um noch eingezogen zu werden, und zu alt, um den Krieg nur als eine ferne Kindheitszeit zu erinnern«.128 Der Weltkrieg hatte die Jahrgänge 1900–1912 zur »Erfahrungsbewältigungsgemeinschaft« zusammengefasst, die schwierige Nachkriegszeit eine weitere Radikalisierung bewirkt. Die Jungen glaubten sich vor die Aufgabe gestellt, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und den Blick entschlossen selbst dann in die Zukunft zu richten, wenn Vergangenes, also Geschichte, reflektiert wurde. Das war gemeint, wenn es hieß, Reeses historische Arbeiten seien dazu bestimmt gewesen, der »neuen Zeit« zu dienen. Sie sollten auf die Fragen der Gegenwart Antworten geben und im nationalsozialistischen Sinn zur Gestaltung der Zukunft beitragen.

Das gilt vor allem für sein prominentestes Werk, die Habilitationsschrift über »die Niederlande und das Deutsche Reich«. Nur der erste Teil wurde gedruckt. Ein zweiter sollte nach Kriegsende erscheinen, ein dritter dann folgen und bis zur Gegenwart reichen.129 Doch der Plan ging nicht auf. Obwohl also die Entwicklung nur bis ins frühe 14. Jahrhundert verfolgt wurde, kann man den Verfasser nicht als Mediävisten bezeichnen. Er hatte Größeres vor. Angeblich beschäftigte ihn seit Langem die Frage, die sich ihm seit einem Besuch in den Niederlanden stellte: »Wie ist es gekommen, daß aus einem deutschen Stamm ein selbständiges Volk, aus einem deutschen Territorium ein europäischer Staat geworden ist?«130 Auf Hunderten von Seiten ging er ihr nach und fasste dafür den gesamten Raum zwischen der belgisch-niederländischen Küste und dem Teutoburger Wald ins Auge. Reese sprach von den »Niederrheinlanden« und wollte zeigen, dass die Verbindungen zwischen dem Deutschen Reich und den Niederlanden viel länger hielten, als man gemeinhin meinte. Als Kontrahenten betrachtete er die niederländische Geschichtsforschung, die die frühe Eigenständigkeit für selbstverständlich nahm, und vor allem Henri Pirenne, der in seiner siebenbändigen Geschichte Belgiens die Entwicklung einer belgischen Identität (»l’âme belge«) weit vor der Entstehung des belgischen Staates nachgezeichnet hatte.

Reese dagegen bestand darauf, dass Flamen, Holländer und Niederdeutsche ihrem Wesen nach zusammengehörten und sich dessen auch bewusst waren. »Noch lebte in vielem das Reich, weithin zur Form erstarrt, aufgesogen und ergriffen durch den Eigenwillen der Landschaft und des Territoriums, noch immer aber die einzige umfassendere politische Lebensform, in der gemeinsam aller Schicksal gestaltet werden konnte.« Dynastischer Eigennutz und »völkisches Wollen« seien in einen »klaffenden Gegensatz« zueinander geraten. Als jener sich durchsetzte und »eine Fülle […] territorial-dynastischer Widerwärtigkeiten« den Kampf entschied, sei »reichische Vergangenheit« zur nur noch »ferne[n] Wirklichkeit« geworden.131

Das Buch ist in einer hochambitionierten, oft emphatischen, manchmal suggestiven Sprache geschrieben, die mit den damals angesagten, bald schon völlig diskreditierten Begriffen nur so um sich wirft: Deutschtum, Volkstum, rassische Grundlagen, gärende Zersetzung, schaffende Tat, Kraft, Front, Kampf, Ringen, deutsche Tragik, deutsches Schicksal usw. usf. Auch dadurch erweist es sich als Paradebeispiel einer völkischen Geschichtsschreibung. Es erschien in einer Buchreihe des Deutschen Auslandswissenschaftlichen Instituts in Berlin, dem aufgegeben war, ein »deutsches Weltbild« zu formen und von der Wissenschaft eine Brücke zur Politik zu schlagen.132 Direktor des Instituts und Herausgeber der Buchreihe war der ebenfalls 1909 geborene, geradezu den Prototyp des jungen und erfolgreichen nationalsozialistischen Wissenschaftlers verkörpernde Franz Alfred Six, »Gegnerforscher« an der Friedrich-Wilhelms-Universität und Amtschef im Reichssicherheitshauptamt der SS.133

Ein Jahr nach Reeses Tod wurde sein Werk von der längst gleichgeschalteten Deutschen Akademie (der Vorläuferin des Goethe-Instituts) mit dem »Jahrespreis für wissenschaftliche Förderung zwischenvölkischer Geistesbeziehungen« ausgezeichnet. Dadurch wurde der Name des Verfassers, durch Rezensionen der (ungefähre) Inhalt seines Buchs weithin bekannt. Merkwürdigerweise waren daran nur wenige wissenschaftliche Zeitschriften, sondern vor allem Tageszeitungen, populäre Zeitschriften und allgemeinbildende Magazine beteiligt. Die Aufnahme war euphorisch, insbesondere in der breiteren medialen Öffentlichkeit, weniger in der historischen Zunft, noch weniger in Belgien und den Niederlanden, wo man nicht einsehen wollte, dass jede Kontaktaufnahme gleich eine tiefgreifende kulturelle Beziehung ausdrückte. So gesehen, handelte es sich von Anfang an eher um ein politisches als um ein wissenschaftliches Werk.134

Der Verfasser hätte da auch nicht widersprochen. Der Bezug seines Gegenstands zur Gegenwart stand ihm immer vor Augen. Geschichtsschreibung nannte er eine »wesentlich politische Wissenschaft«.135 Als er dann die Möglichkeit erhielt, seine Kenntnisse und Vorstellungen in die Verwaltung des besetzten Belgiens einzubringen, gab er sich auch dieser Aufgabe vollständig hin. Einen »wesentliche[n] Teil« der Fragen, die er in seinem Buch berührt hatte, sah er nun »praktisch« in seiner Hand. Völkische Theorie und militärische Praxis miteinander zu verknüpfen, das mache ihn glücklich.136 Eng arbeitete er dabei mit dem Kölner Privatdozenten Franz Petri zusammen, der sich früher als Reese mit siedlungsgeschichtlichen Studien zum nordfranzösisch-belgischen Raum und zur Frage der romanisch-germanischen Sprachgrenze profiliert hatte. Beider Werke standen im Zentrum einer sich entfaltenden »Westforschung«, die wie gleichzeitig die »Ostforschung« die Reichweite der deutschen Geschichte und damit den Spielraum der künftigen deutschen Politik ausloten sollte.137 Reese und Petri leiteten die Gruppen »volk« und »kult« beim Militärbefehlshaber in Brüssel, bereisten gemeinsam das Land und schrieben gemeinsam Stellungnahmen und Berichte, die das Verhalten der zivilen und militärischen Stellen regeln und steuern sollten. So eng war ihre »kameradschaftliche« Zusammenarbeit, dass das Duo den Spitznamen »Peese« (Petri + Reese) erhielt.138 Petri erklärte später einmal, er, der Ältere, sei unter den Einfluss des deutlich Jüngeren geraten.139 Aber vielleicht handelte es sich um eine Schutzbehauptung, um den nach dem Krieg gegen ihn erhobenen Vorwürfen auszuweichen. Der Tote konnte sich schließlich nicht wehren.

Sicher ist, dass beide die gleichen Vorstellungen vom kultur- und »volkspolitischen« Vorgehen der Besatzungsmacht hatten. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten die Angelegenheiten des schulischen Unterrichts, die Aufsicht über Hochschulen, Volkshochschulen und Bibliotheken, Sprachgesetzgebung und die Nationalitätenfrage. Sie stellten Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Belgien her, bereiteten die Gründung eines Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Brüssel vor und beteiligten sich an der Organisation von Fest- und Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen und Tagungen. In Personal- und Berufungsfragen mischten sie sich massiv ein. Gemeinsam bemühten sie sich, durch entschiedene, aber umsichtige und immer »korrekte« Maßnahmen die deutsche Sprache zu fördern, dem flämischen Bevölkerungsteil sein angeblich germanisches Erbe in Erinnerung zu rufen, ihn »vom Schutt seiner romanischen Überfremdung zu befreien«140 und dadurch auf die deutsche Seite zu ziehen. Ein »Wiederhineinwachsen Belgiens in den germanisch-niederdeutschen Lebensraum« zu ermöglichen, war ihr unausgesprochenes Ziel, »Verantwortung vor der germanisch-deutschen Zukunft und vor der Wissenschaft in gleicher Weise« ihre erklärte Maxime.141 Dass sie es damit ernst meinten und an die Vereinbarkeit von völkischer Politik und seriöser Wissenschaft glaubten, muss man ihnen wohl abnehmen.

Im Grunde wurde damit wiederholt, was schon im Ersten Weltkrieg versucht worden war. Wieder wurde der Kontakt zu flämischen Kollaborateuren gesucht und die »Verflamung« der Universität Gent betrieben. Ein Festakt sollte nach genau 25 Jahren daran erinnern.142 Pirennes »belgische Idee« stand nach wie vor im Raum, sodass Petri glaubte, sich »wissenschaftlich« mit ihr auseinandersetzen zu müssen.143 Gedenktafeln, die an die Gräueltaten deutscher Soldaten in Löwen und Dinant erinnerten, wurden als deutschfeindlich abmontiert. Der Ausschluss deutscher Mitglieder aus der Belgischen Akademie der Wissenschaften sollte rückgängig gemacht, die 1918 aus Belgien vertriebenen flämischen »Aktivisten« rehabilitiert werden – das sei »für Deutsche […] eine Frage der Ehre«. Einer von ihnen, der Dichter und Publizist Raf Verhulst, wurde mit einem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet.144 Das alles knüpfte unmittelbar an die Geschehnisse im Ersten Weltkrieg an. Man war sich einig, dass »auch 1940 wieder Vlamenpolitik not tut«.145 Allerdings hielt man sich etwas zugute darauf, die Dinge dieses Mal konsequenter, systematischer, »völkischer« anzugehen und jene Fehler zu vermeiden, die damals gemacht worden seien.146 Ob die Betroffenen, also die belgische Bevölkerung, einen Unterschied sahen, steht auf einem anderen Blatt.

Werner Reese schrieb einmal an seinen Doktorvater aus dem Feld: »Deutschland ist hart und bedingungslos, aber seine Soldaten haben Haltung«, und darauf sei er stolz.147 Damit brachte er sein Selbstverständnis auf den Punkt. Man darf ihn zu den typischen Vertretern jener Unbedingtheit (respektive Rücksichtslosigkeit) zählen, die sich aus den Erfahrungen der »Kriegsjugendgeneration« ergab und deren typisches Verhalten kennzeichnete.148 Er bekannte sich freudig zur nationalsozialistischen Ideologie und war willens, sie in seinem Amtsbereich in der Militärverwaltung zur Anwendung zu bringen. Ein kompromissloses Vorgehen gegen jüdische Professoren, jüdische Studenten, jüdische Autoren und das Jiddische als Unterrichtsfach gehörte unbedingt dazu.149 Das alles hatte in sachlichen Formen zu geschehen. Eine »korrekte« Besatzung wurde von ihm und Petri selbst dann angestrebt, wenn sie inhumane Züge annahm.150 Wir wissen nicht, wohin sein Weg gegangen wäre, wenn er länger gelebt hätte. Eine Berufung nach Hamburg stand im Raum.151

Zu Lebzeiten haben Reeses weltanschaulicher Eifer und die Konsequenz seines Handelns offenbar Eindruck gemacht. Banal freilich war die Art seines Todes: an einem Sonntagnachmittag beim Schwimmen im Meer. Die Witwe musste sogar mit versorgungsrechtlichen Nachteilen rechnen. Es kam darauf an, den Badeunfall als Folge dienstlicher Überanstrengung hinzustellen. Eine Auskunft des zuständigen Wehrmachtsfürsorgeoffiziers ergab, dass unter keinen Umständen ein eigenes Verschulden des Verunglückten eingeräumt werden dürfe.152 Ein ärztliches Attest stellte denn auch in schönstem Amtsdeutsch wunschgemäß fest, dass eine nicht auskurierte Angina durch dienstliche Belastung verschlimmert worden und letztlich für den »Todeserfolg« verantwortlich gewesen sei – »außerdienstliches Baden« liege nicht vor.153 Ebenso wurde in den Nachrufen das Herzversagen als Folge dienstlicher Überlastung hingestellt, Reese apodiktisch zum »Opfer des Krieges« erklärt. Eine Grabstätte auf dem »Heldenfriedhof« in Evere bei Brüssel stand ihm zu.154 Die Witwe ging in der Todesanzeige, die an geeigneter Stelle, nämlich im »Völkischen Beobachter«, erschien, auf die Umstände des Todes ihres »edle[n] Mann[es]« und »treue[n] Kamerad[en]« überhaupt nicht ein, sondern bestand auf einer pathetischen Deutung: »Sein Leben verzehrte sich im Frieden und im Kriege in hingebungsvoller Arbeit für sein Volkstum.«155 Noch gaben familiäre Traueranzeigen nationale Hochstimmung wieder.156 Reeses Andenken schien damit fürs Erste gesichert. Doch schon wenige Jahre später fielen er und sein Werk fast völligem Vergessen anheim.

Fackel in der Finsternis

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