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Bestandsschutz {Bestandsschutz}

Die Anforderungen an Sportstätten in § 17 der DGUV Vorschrift 81 Schulen gelten für die (Neu-)Errichtung von Sportstätten. Für bestehende Hallen gewähren die Übergangsregel­ungen in § 29 Abs. 1 DGUV Vorschrift 81 Bestandsschutz.

Anpassungen an den Stand der Technik werden nach § 29 Abs. 2 DGUV Vorschrift 81 erforderlich, bei

wesentlichen Erweiterungen oder Umbauten,
wesentlichen Nutzungsänderungen und
konkreten schulischen Unfallschwerpunkten mit einer Gefahr für Leben oder Gesundheit der Schüler.

Unstrittig ist die Anpassung an den Stand der Technik bei Erweiterungen, Umbauten und Umnutzung. Was sind aber konkrete schulische Unfallschwerpunkte mit Gefahren für Leben oder Gesundheit?

Oberflächlich betrachtet wäre anzunehmen, dass hier objektbezogen nach Unfällen die konkreten Unfallursachen zu ermitteln und zu beseitigen seien. Eine solche Herangehensweise widerspricht dem präventiven Gedanken, da das „Kind erst in den Brunnen fallen muss“, damit weitere Unfälle verhindert werden.

Präventives Vorgehen bedeutet, vorhandene Unfallschwerpunkte zu erkennen, bevor Unfälle eingetreten sind. Maßstab können hier wiederum nur die anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik und Arbeitsmedizin sein. Von Sporthalle zu Sporthalle muss ein Mangel nicht die gleiche Bewertung nach sich ziehen. Vielmehr müssen die konkreten Randbedingungen, wie Schulart, Schülerklientel, durchzuführende Sportarten u. Ä., im Komplex betrachtet und bei den Maßnahmen berücksichtigt werden.

In der Praxis ist der Begriff „Bestandsschutz“ sehr oft zu hören, nämlich immer dann, wenn ein nicht vorschriftsmäßiger Zustand begründet werden soll. In diesem Zusammenhang folgen oft Äußerungen wie „Das haben wir schon immer so gemacht.“ oder „Dabei ist noch nie etwas passiert.“

Tatsächlich soll durch Bestandsschutz gesichert werden, dass ein Unternehmer wirtschaftlich mit seinem Eigentum umgehen kann, ohne ständig daran Veränderungen vornehmen zu müssen, wenn sich die Vorschriften oder Normen ändern. Ein Beispiel soll das verdeutlichen:

Die Elektroanlage einer Sporthalle in den neuen Bundesländern wurde 1976 auf der Grundlage der damals geltenden Bestimmungen (TGL) errichtet. Als Leiterwerkstoff wurde Aluminium verwendet. Die ordnungsgemäße Errichtung wurde in einer Erstprüfung festgestellt und dokumentiert.

Obwohl heute Aluminium als Leiterwerkstoff kaum noch verwendet wird, weil es gegenüber Kupfer zahlreiche Nachteile aufweist, steht diese Installation unter Bestandsschutz und kann nicht beanstandet werden.

Zum Zeitpunkt der Errichtung waren Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs), auch als FI-Schutzschalter oder Fehlerstromschutzschalter bekannt, weder Standard noch Vorschrift.

Soll aber z. B. eine neue Steckdose installiert werden, so sind für diese die zum (heutigen) Installationszeitpunkt geltenden Anforderungen maßgebend. Nach DIN VDE 0100-410 [1] ist für Steckdosen bis 32 A sowie alle Beleuchtungsstromkreise ein Zusatzfehlerschutz über Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) mit einem Bemessungs-Differenzstrom IΔN ≤ 30 mA vorgeschrieben.

Daraus lässt sich für den Bestandsschutz Folgendes ableiten:

Hinweis
Bestandsschutz gilt zeitlich und sachlich unbefristet, sofern eine Anlage, ein Erzeugnis, ein Bauwerk etc. (noch) den zum Zeitpunkt der Errichtung geltenden Vorschriften und Normen entspricht.

Im Umkehrschluss ergibt sich daraus:

Hinweis
Für ein Produkt, das zum Zeitpunkt des Errichtens nicht den geltenden Vorschriften oder Normen entsprach, kann Bestandsschutz nicht geltend gemacht werden.

Dazu folgendes Beispiel:

In der für den Neubau von Sporthallen in der DDR verbindlichen Projektierungsrichtlinie war vorgegeben, dass die Hallendecke einschließlich der dort angebrachten Elemente ballwurfsicher sein oder durch zusätzliche Netze oder Gitter die gleiche Sicherheit erreicht werden muss.

Wenn mittlerweile durch langjährige Beanspruchung die Decke oder das Netz so verschlissen sind, dass die Ballwurfsicherheit nicht mehr gegeben ist, so fällt dieser Zustand nicht unter Bestandsschutz. Selbstverständlich besteht auch für einen nachträglich installierten, nicht ballwurfsicheren Lautsprecher kein Bestandsschutz.

Wird festgestellt, dass die Decke einer Sporthalle bereits zum Zeitpunkt der Errichtung nicht uneingeschränkt ballwurfsicher war, so entsprach der Zustand bereits damals nicht den geltenden Forderungen und ist deshalb nicht durch den Bestandsschutz gedeckt.

Anpassungsforderungen {Bestandsschutz, Anpassungsforderungen}

Forderungen nach Anpassung einer Anlage, eines Bauwerks, Geräts etc. an den aktuellen Stand der Sicherheitstechnik setzen den Bestandsschutz außer Kraft. Sie können nur in begründeten Einzelfällen durch Behörden oder per Gesetz bzw. Rechtsverordnung gefordert werden. Anpassungsforderungen in Normen oder anderen anerkannten Regeln der Technik erlangen nur dann Rechtsverbindlichkeit, wenn diese Normen in Rechtsvorschriften ausdrücklich für verbindlich erklärt werden.

So enthielten z. B. die elektrotechnischen Regeln bis vor einigen Jahren Anpassungsforderungen. Aufgrund der europäischen Harmonisierung ist das nicht mehr zulässig. Anpassungsforderungen, die unmittelbar den sporttechnischen Teil von Sporthallen betreffen, sind den Autoren nicht bekannt.

In Anhang 1 der Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ befinden sich eine Reihe von Anpassungsforderungen, die teilweise auch für Sporthallen zutreffen.

Das sind u. a.:

Nr. 1 Realisierung des teilweisen Berührungsschutzes für Bedienvorgänge nach DIN VDE 0106 Teil 100, 3/83 bis zum 31. Dezember 1999
Nr. 6 Umstellen von Drehstromsteckvorrichtungen nach der alten Norm DIN 49450/457 (Flachsteckvorrichtung) auf das Rundsteckvorrichtungssystem nach DIN 49462/463 bis zum 31. Dezember 1997
Nr. 7 Anpassung von Innenraumschaltanlagen ISA 2000 an die „Regeln für den sicheren Betrieb von Niederspannungs-Innenraumschaltanlagen ISA 2000“ bis zum 31. Dezember 1999
Nr. 9 Trennung von Erdungsanlagen in elektrischen Verteilungsnetzen und Verbraucheranlagen von Wasserrohrnetzen bis zum 31. Dezember 1997

Obwohl die Fristen für die Anpassung längst abgelaufen sind, ist diese in der Praxis in Einzelfällen noch nicht vollständig durchgesetzt. Solche Verstöße gegen eine Unfallverhütungsvorschrift können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Anpassungsforderungen im Einzelfall

Die Unfallversicherungsträger haben das Recht und die Pflicht, nach §§ 17 und 19 SGB VII die zugehörigen Unternehmen bei der Durchführung der Unfallverhütung zu beraten und zu überwachen. In diesem Zusammenhang sind Anpassungen durchsetzbar als

Anordnung im Einzelfall nach § 17 SGB VII oder
sofort vollziehbare Anordnung der Aufsichtspersonen gem. § 19 SGB VII.

Ähnliche Befugnisse haben auch andere Behörden, z. B. die Aufsichtsbeamten der Arbeitsschutzbehörden der Länder.

Instandhaltung, Erweiterung, Umbauten {Bestandsschutz, Umbauten} {Bestandsschutz, Erweiterung} {Bestandsschutz, Instandhaltung}

Instandhaltungsmaßnahmen sorgen dafür, dass der ordnungsgemäße Zustand, bezogen auf den Stand der Errichtung, beibehalten wird. Sie sichern die Fortdauer des Bestandsschutzes.

Als Beispiel können hier Steckvorrichtungen nach TGL 45333 [2] gelten. Diese auch in technischen Bereichen von Sporthallen früher teilweise vorhandenen fünfpoligen Steckvorrichtungen sind nach DIN nicht genormt und deshalb für Neuinstallationen nicht zulässig. Soweit sie vor 1990 installiert wurden, besteht zeitlich unbefristeter Bestandsschutz. Bei Schäden dürfen solche Steckvorrichtungen durch gleiche Exemplare ersetzt werden, ohne dass hieraus irgendwelche Anpassungsforderungen resultieren.


Bild 1: Steckvorrichtungen nach TGL 45333. (Quelle: GAO – Gesundheits- und Arbeitsschutz Onischka UG (haftungsbeschränkt))

Erweiterungen vorhandener Anlagen sind zumindest für den neu zu errichtenden Teil nach den, (neuen) zum Erweiterungszeitpunkt geltenden, Vorschriften vorzunehmen. Es kann also durchaus sein, dass in einem Gebäude oder Objekt bei der technischen Prüfung von Anlagen unterschiedliche Vorschriften zu berücksichtigen sind, wenn es bereits einmal Erweiterungen gegeben hat. Bei Umbauten verhält es sich mit dem umgebauten Teil analog.

Eine andere Betrachtung erfordert die Umnutzung. Wenn beispielsweise in eine ehemalige Werkhalle eine Sporthalle eingebaut werden soll, wird zunächst ein Bauantrag erforderlich. Bestandsschutz gilt hier nicht. Sind durch objektive Gegebenheiten bestehende Vorschriften nicht oder nicht vollständig erfüllbar, sollte gemeinsam mit den zuständigen Behörden nach Möglichkeiten gesucht werden, gleiche Sicherheit auf andere Weise zu erreichen.

Fußnoten:

[1]

DIN VDE 0100-410:2018-10 – Errichten von Niederspannungsanlagen, Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag.

[2]

TGL 45333, Elektroinstallationserzeugnisse. Kragensteckverbinder dreipolig mit neutralem Kontakt und Schutzkontakt 10A 380 V, Hauptkennwerte. TGL können über das Patentinformationszentrum und Normen-Infopoint Magdeburg, online unter: www.ub.ovgu.de [Stand: Januar 2021], oder über die Bauhaus-Universität Weimar, online unter: www.uni-weimar.de [Stand: Januar 2021], zu den jeweiligen Kopierkosten bezogen werden.

Das 1x1 der Sportstätten- und Sportgeräteprüfung

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