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3Schwarzer Drache
ОглавлениеGewitterwolken verdunkelten den Himmel über Frankfurt, als der Shuttlebus vom Parkhaus am Rebstock mit einem Ruck vor der Messehalle 9 zum Stillstand kam. Gleichzeitig mit dem Zischen der Türen fuhr ein Blitz nieder, gefolgt von einem krachenden Donner und dem Stakkato der vom Himmel stürzenden Regenmassen. Die Insassen nützten eine Unterbrechung des Regenschwalls, um fluchtartig den Bus zu verlassen. Sofort bildete sich ein Stau an den Glastüren.
Der Regen nahm wieder an Heftigkeit zu.
Max wartete, bis die letzten Passagiere ausgestiegen waren. Er zog den Mantelkragen über den Kopf und rannte zum Eingang. Obwohl er nur kurz dem Schauer ausgesetzt war, fühlte es sich an, als sei er bis auf die Haut durchnässt.
Er durchquerte den Vorraum mit den Kassen, an den Besucherscharen vorbei, die sich vor den Schaltern aufreihten. An der Eingangskontrolle lächelte ihm eine Hostess zu und las die Eintrittskarte mit der Aufschrift ›Modric Verlag‹ mit dem Scanner.
Erneut warf er einen Blick auf die Karte, die ihm zugeschickt worden war. Er hatte gestaunt, nachdem er den Umschlag geöffnet und die Einladung gelesen hatte. Das Staunen wuchs beim Nachforschen im Internet: Was wollte ein wissenschaftlicher Verlag von ihm, einem unbekannten erfolglosen Krimiautor?
Der Verlagsinhaber wolle ihn persönlich treffen, hieß es im Begleitschreiben.
Er dachte an die Auseinandersetzung mit Jenny. Auch er glaubte nicht wirklich, dass etwas aus der Riesenchance werden konnte.
Eine Gruppe von farbenprächtig kostümierten Jugendlichen hastete aufgeregt gestikulierend an ihm vorbei. Cosplayers – er schmunzelte, jedes Jahr gab es mehr von ihnen.
Unten im Foyer der Halle 4 weckte eine Gruppe Messebesucher seine Neugierde. Ihm blieb noch Zeit bis zu der Verabredung und er fuhr die Rolltreppe hinunter. Eine Schar Menschen hatte sich um einen Jugendlichen in einem schwarzen Drachenkostüm versammelt. Drohend drehte sich der Drache um die eigene Achse, den Kopf auf und ab bewegend, als überlegte er, welchen der Zuschauer er zuerst verspeisen sollte. Die Flügel mit nahezu vier Metern Spannweite schlagend, trieb das Ungeheuer seine Beute im Kreis um sich herum. Plötzlich fixierte er Max, trat einen Ausfallschritt auf ihn zu. Die Schwingen wollten ihn einfangen. Max wich zurück, stolperte.
Die Umstehenden lachten.
Er sah auf seine Armbanduhr. Der Drache hatte ihn die Zeit vergessen lassen. Nur noch Minuten verblieben bis zum vereinbarten Termin.
Schwer atmend erreichte er den Stand des Modric-Verlags. Unzählige Exemplare der Neuerscheinung eines Autors namens Wladimir Voronin zogen Max´ Blick auf sich. Seine Augen huschten von den Büchern über die Namensschilder der Standmitarbeiter, auf der Suche nach Modric, dem Verleger.
»Herr Delius, nehme ich an?«
Max fuhr herum. Vor ihm stand ein hagerer, kräftiger Mann in einem scharf gebügelten grauen Anzug, der ihn mit durchdringendem Blick musterte. Eine Wolke von aufdringlichem Aftershave umhüllte ihn. Ein Kribbeln fuhr Max über den Rücken, als er ihm in die dunklen Augen sah.
»Oh, entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken.« Der Mann reichte ihm eine klamme Hand: »Rupert Modric.« Er sprach es aus wie ›Modritsch‹ und fügte grinsend hinzu: »Nicht zu verwechseln mit einem britischen Medienmogul mit ähnlich klingendem Namen.« Er neigte den Kopf zu der korpulenten Person mit Halbglatze und Hornbrille neben ihm, den er um einen Kopf überragte. »Darf ich vorstellen: Doktor Wladimir Voronin, einer meiner wichtigsten Autoren.«
Der Angesprochene nickte lächelnd und reichte Max die Hand. »Angenehm, Sie kennenzulernen. Leider muss ich auch schon gehen. Auf Wiedersehen Herr Delius, … Rupert.« Mit einem Kopfnicken verschwand er in der Menschenmenge.
Modric zeigte auf einen Tisch am Stand. »Setzen wir uns. Darf ich Ihnen einen Sekt anbieten?« Er winkte einer Hostess, die kurz darauf zwei Gläser brachte. Modric hob das Glas.
»Auf die Literatur.«
Max trank einen winzigen Schluck. Er hatte kaum gefrühstückt und wollte sich vom Sekt nicht benebeln lassen. »Vielen Dank für die Einladung, Herr Modric. Ehrlich gesagt habe ich mich darüber ein wenig gewundert. Wie sind Sie auf mich gekommen? Ich schreibe Kriminalromane, Sie publizieren so viel ich weiß wissenschaftliche Werke.« Der Verleger lächelte. »Die Zeiten ändern sich, Herr Delius. Das große Geld lässt sich mit wissenschaftlichen Büchern allein nicht verdienen. Obwohl ich mit Autoren wie Doktor Voronin überaus glücklich bin. Wir haben gerade sein neuestes Werk herausgebracht. Waren Sie zufällig bei der ARD-Veranstaltung vorhin?«
Max verneinte.
»Schade, dann hätten Sie mitbekommen, dass sehr kontrovers über das Buch diskutiert wurde, was uns natürlich freut.«
Max hob die Brauen. »Das verstehe ich nicht so ganz, um ehrlich zu sein.«
»Kontroverse Diskussionen über ein Buch bringen den Autor ins Rampenlicht und steigern ganz nebenbei den Umsatz. Das sollten Sie sich für die Zukunft merken, Herr Delius.«
Eine kurze Pause, dann kam der Verleger zurück zum Thema. »Ich habe beschlossen, eine Belletristiksparte aufzumachen. Dazu benötige ich neue Autoren. Ehrgeizige Autoren. Autoren wie Sie.«
»Aber ich habe noch nichts veröffentlicht, bis auf ein paar selbst publizierte E-Books.«
»Ich weiß. Das spielt im Moment keine Rolle. Den Rest erkläre ich Ihnen in einer etwas gemütlicheren Umgebung. Darf ich Sie zum Mittagessen einladen? Ich kenne hier ein ruhiges Restaurant.«
Max, der die Buchmesse jedes Jahr besuchte, stutzte. »Ruhig? Hier, auf der Messe?«
Modric lachte verschmitzt. »Etwas für Eingeweihte.« Er hob eine Aktentasche vom Boden und stand auf. »Trinken Sie Ihren Sekt aus, Herr Delius.«