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Auf der Grundlinie

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»Ich habe gerade mit meinem alten Freund Toni bei der Kripo telefoniert. Ich kann morgen vorbeikommen und die Bilder zur Analyse bringen. Innerhalb von einem Tag haben wir dann das Ergebnis.«

»Klingt gut.«

Viktoria leerte ihre Bierdose und stellte sie auf dem Schreibtisch ab. Felix tat es ihr gleich.

»Ich fahr dann mal nach Hause und gehe schlafen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es in nächster Zeit nicht viel Schlaf geben wird.«

»Alles klar, ich geh auch gleich, mache hier nur noch ein paar Notizen zum Fall Michalski. Wir sollten ihr noch Rückmeldung geben, ob es weitere Beweise gegen ihren Mann gibt.« Viktoria kritzelte abwesend auf einem Blatt Papier herum.

»Das war doch der mit dem Namenszettel im Schlüpfer, den wir im Mülleimer der Schwester der Michalski gefunden haben.«

»Ja. Schlüpfer.« Viktoria kritzelte weiter auf dem Bogen herum.

»Viktoria?«

»Ja, Felix?«

»Alles okay?«

»Alles okay.«

Er stand etwas unsicher in der Tür und sah seine Partnerin an, während sie über den Tisch gebeugt schrieb. Die schwarzen Haare fielen ihr wild ins Gesicht und auf den Tisch.

»Ich weiß, es geht mich ja nichts an, ab…«

»Verdammt richtig.«

»Ich wollte nur sagen, wenn du einen Platz zum Schlafen brauchst, kannst du gerne mit zu mir.« Sie lachte trocken, aber sah nicht auf.

»Wir können noch was trinken oder so«, fügte er hinzu.

»Und dann kann ich dir mein Herz ausschütten und ein bisschen weinen und du bist so verständnisvoll und eines führt zum anderen und wir landen im Bett?«

Jetzt sah sie ihn doch direkt an.

»Ähm, also natürlich nicht zwangsläufig aber wenn es dich aufmunt…«

»Geh nach Hause, Felix. Es ist ohnehin schon alles kompliziert genug.«

»Ich mein’s nur gut.«

»Ach komm schon, du willst doch nur ficken. Und dann? Dann hast du dein Ziel erreicht und du suchst dir die Nächste. Ich kenne dich doch und schau mir das schon viel zu viele Jahre an.«

Er biss sich auf die Lippe und schlug zum Abschied mit der flachen Hand leicht gegen den Türrahmen.

»Gute Nacht.« Damit war er weg. Viktoria atmete lange aus. Sie hatte die ganze Zeit nur Strichmännchen und Palmen auf den Kunden-Bogen von Frau Michalski gemalt, nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Einfach nur weg, irgendwohin, wo mich keiner kennt und neu anfangen.

Sie hing schon viel zu lange hier fest, ohne wirklich irgendwo richtig zu sein. Hier Paul, ihre Liebe aus dem Studium den sie mit 23 geheiratet hatte. Dreiundzwanzig, wie die Jahre vergingen. Seitdem war alles so schleichend bergab gegangen, dass sie es gar nicht so richtig mitbekommen hatte. Die schlechten Jobs, das wenige Geld, der triste Alltag. Jahrein jahraus. Wann hatte sich diese Gleichgültigkeit füreinander so dermaßen manifestiert? Seine Verachtung für sie? War sie selbst schuld daran, dass sie nicht mehr miteinander redeten, den Kinderwunsch schon gar nicht mehr erwähnten und sich die Frustration so lange aufstaute, bis sie explodierte wie ein rostiger Druckkessel? Sie konnte selbst nicht sagen, warum sie so sehr an diese Beziehung glaubte und an ihr festhielt, wie sollte sie es da erst so jemandem wie Felix erklären.

Felix und der Job auf der anderen Seite. Der Jugendfreund, mit dem sie schon ewig durch dick und dünn ging und so viel Mist gemacht hatte… er hatte sie erst zu diesem Job überredet. Es war damals die beste Option und zugegebenermaßen auch die einfachste. Sie hatten sich auf einer Uni-Party kennengelernt. Felix war damals noch bei der Polizei, hatte aber laut und selbstsicher verkündet, dass er das Detektivgeschäft ähnlich groß aufziehen wolle, wie drüben in Amerika. Das hatte ihr irgendwie gefallen, diese romantische Vorstellung des einsamen Detektivs. Viktoria selbst hatte soziale Arbeit und Philosophie studiert, das blöde war nur, sie mochte eigentlich gar keine Menschen. Und bevor man sich mit so einem Abschluss auf dem Arbeitsmarkt umsah … sie seufzte laut in dem menschenleeren Büro. Nachdem sie sich sicher war, dass Felix nicht wiederkommen würde, ließ sie den zerkauten Stift fallen und bückte sich unter ihren Schreibtisch. Aus einer versteckten Schublade zog sie eine Decke hervor, die sie dort für Notfälle verstaut hatte. Heute war so ein Notfall. Viktoria breitete die Decke auf dem Boden aus und versuchte es sich darauf so bequem wie möglich zu machen. Sie wusste jetzt schon, dass sie morgen schreckliche Rückenschmerzen haben würde. So lag sie da und beobachtete den Vollmond, der vor dem Fenster vorbeizog, darauf wartend, dass der Schlaf sie endlich von diesem Tag erlösen würde. Das war also ihr Leben.

Das Spiel des Greifen

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