Читать книгу Das Spiel des Greifen - Frank Siller - Страница 13

Der Zuschauer

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»Hey Toni, na, was geht?«

»Hey Felix.«

Felix stiefelte, begleitet von einem Polizeibeamten, in das Büro des Forensikers.

»Der Kerl hier behauptet, er hätte einen Termin bei Ihnen.« Der Polizist sah zweifelnd auf den End-Zwanziger mit den ungekämmten Haaren, dem Drei-Tage-Bart und den löchrigen Turnschuhen.

»Ist schon gut, Bergmann, er ist ein alter Kollege, danke.« Beim Wort Kollege hob Bergmann eine Augenbraue bis knapp unter den Haaransatz, sagte aber nichts und verließ wortlos das Büro.

»Finde ich gut, dass du mich als Kollegen bezeichnest, weißt du die private und staatliche Strafverfolgung sollten viel enger zusammenarbeiten.« Toni seufzte.

»Es gibt keine private Strafverfolgung, Felix.«

»Ach ja, und was machen wir dann hier?«

»Das wissen nur die Götter.«

»Muss ich dich an unsere wundervolle Zeit auf der Polizeischule erinnern? Weißt du noch an diesem herrlichen Tag, als dich dieser Große, wie hieß er noch – Timmermanns, meine ich – in der Dusche nackt an das Rohr gekettet hat und das kalte Wasser hat laufen lassen? Hach ja, ich denke gerne an diese Zeit zurück, da war das Leben noch so unbeschwert und einfach. Stimmt's Toni? Toni?«

Während Felix sprach, hatte sich der Gesichtsausdruck seines Freundes verdüstert. Felix konnte regelrecht sehen, wie Tonis Erinnerung wieder in dieser Dusche festhing. Beide wussten nur zu gut, warum Felix einfach herkommen und Tonis Rat einholen durfte. Toni, eigentlich Antonius Berger, und Felix waren damals zusammen auf der Polizeihochschule des Landeskriminalamtes Bayern gewesen. Sie hatten sich schon am ersten Tag angefreundet, da sie rein zufällig beim Essen draufkamen, dass beide riesige Stargate Fans waren. Toni hatte davor Informatik studiert und schon einige Zeit in diversen Softwareunternehmen in der freien Wirtschaft gearbeitet. Nach einem spontanen Anfall von Patriotismus – und vielleicht auch der Aussicht auf Verbeamtung – hatte er sich bei der Polizei beworben. Toni hatte, wie der Name vermuten ließ, keine italienischen oder griechischen Wurzeln, seine Eltern fuhren einfach gerne dorthin in den Urlaub und ihnen gefiel der Name so gut. Er war recht klein geraten und so bleich, dass Dracula daneben wie einer aus der Gang von Jersey Shore aussah. Er hatte nur mit Mühe und Not den physischen Eignungstest geschafft. Was ihm an körperlicher Kraft fehlte, konnte er locker durch seine kognitiven Fähigkeiten wettmachen. Was ihm allerdings auch nicht dabei half sich gegen die Bullies an der Schule durchzusetzen. Der Korpsgeist tat sein Übriges und ein kleiner unsportlicher Nerd, der die Gruppe beim physischen Training schlecht dastehen ließ, war ein gefundenes Fressen für Mobbing. Und Felix hatte irgendwie Mitleid mit ihm. Seitdem hatten sie eine Art Symbiose gebildet, Felix passte auf seinen kleinen Kumpel auf, der half ihm im Gegenzug für die theoretischen Prüfungen zu lernen. Es war ein riesiger Schock für Toni als Felix im zweiten Jahr hinschmiss, zum Glück waren sie da schon so weit spezialisiert, dass Toni mit den »richtigen« Cops nichts mehr zu tun hatte. Toni brauchte eine ganze Weile, um zu Felix in die Realität zurückzukehren und die Erinnerungen wieder ganz tief unten wegzuschließen.

»Was kann ich für dich tun?«, fragte er schließlich.

»Ich hab‘ hier was, auf das du mit deinem Superhirn und deinen Supercomputern mal schauen könntest.«

»Felix, ich werde dir nicht wieder helfen auf Footballspiele zu wetten.«

»Darum geht’s doch gar nicht.«

»Noch auf sonstige Sportarten oder Pferderennen.«

»Du schätzt mich völlig falsch ein.«

»Hahnenkämpfe?«

»Idiot.«

Toni zuckte mit den Schultern. »Ich kenne dich eben.«

»Nicht mal ansatzweise so gut wie du denkst.« Er setzte sich Toni gegenüber und packte eine DIN-A4 Mappe aus.

»Sag mir bitte ob diese Bilder hier Fälschungen sind.«

Toni schaute die Mappe durch.

»Scheiße, Felix.«

»Das sagt irgendwie jeder.«

»Ich dachte, du schnüffelst irgendwelchen Hausfrauen nach. Was soll das hier werden? Ich muss das an die Kripo geben.«

»Nicht so schnell. Die Kripo würde doch erstmal dasselbe machen, oder? Checken, ob die Bilder echt sind. Außerdem wäre ich bei der anschließenden Befragung gezwungen zu erzählen, dass ein Staatsbeamter mit Staatsmitteln einem Privatdetektiv bei Fällen und Glücksspiel hilft.«

»Du Arschloch.«

»Erwischt.« Felix warf Toni einen Luftkuss zu.

»Bitte Toni, ich schwöre, wenn alles so ist wie auf dem Bild dargestellt, gehe ich höchstselbst zu deinen Kollegen und übergebe das Material. Nur wenn wir jetzt schon zur Kripo gehen, dann reißt das eventuell viele Leute in den Untergang, die gar nichts damit zu tun haben.« In Tonis riesigem Kopf ratterte es sichtlich. Felix hatte wirklich ein Talent ihn immer wieder in extrem unangenehme Situationen zu bringen.

»Biiiiette.«

»Ok, ok, ich hoffe nur, das wird nicht zur Gewohnheit. Mal sehen, was ich auf den ersten Blick sagen kann.«

Er knipste seine extrem helle Schreibtischlampe an.

»Also oberflächlich sehen die ganz gut aus. Also aus bildtechnischer Sicht, meine ich. Du hast nicht zufällig die digitalen Versionen?«

Kopfschütteln. »Leider nicht.«

»Schade, sonst könnten wir uns die Metadaten etwas genauer anschauen.«

»Aha.«

Er hatte eine Lupe ausgepackt.

»Auf den ersten Blick sehen sie echt aus. Wenn es Fälschungen sind, dann ganz Gute. Das heißt, da wusste jemand, was er tat oder er hatte eine sehr gute Software. Es könnte sein, dass das Bildrauschen in verschiedenen Arealen unterschiedlich ist, aber das ist mit bloßem Auge schwer zu erkennen.« Toni klebte jetzt fast mit dem Gesicht auf dem Bild. »Die schlechte Qualität kommt schon mal nicht von einer geringen Druckauflösung. Es kann natürlich an der Beleuchtung liegen, es könnte …« Er beugte sich noch weiter über das Bild, seine Nasenspitze berührte es jetzt, da wo man den vermeintlichen Johannes Greif sehen konnte, mit dem etwa zehnjährigen Mädchen auf dem Bett sitzend.

»Ja?« Felix wartete gespannt.

»Na ja, also es könnte sein, dass dieses unterschiedliche Rauschen daher kommt, dass in dem Bild mehrere Quellen verwendet wurden, also etwa verschiedene Kameras oder Originalbilder.«

»Und diese hinterher zusammengefügt?«

»Ja, so in der Art. Ich vermute einen Deep-Fake, also eine, von einer KI generierte, Fälschung.«

»Kannst du sagen, was von dem Bild alles Fake ist?« Felix witterte schon den Triumph.

»Noch kann ich gar nicht sagen, ob hier überhaupt irgendwas Fake ist, zumindest nicht mit bloßem Auge. Ich muss die Bilder wieder digitalisieren und ein paar statistische Analysen machen.«

»Okay.« Felix sah ihn erwartungsvoll an.

»Du glaubst doch nicht, dass ich das jetzt mache? Ich arbeite gerade. Lass sie da, ich mach das heute Abend. Ich ruf dich dann an, wenn ich genaueres weiß.«

Felix hatte kein gutes Gefühl dabei, das Material aus den Händen zu geben. Er hatte auch keine Kopien gemacht, da er nicht wollte, dass zu viele davon existierten.

»Aber, Antonius.«

»Ja, Mama?«

»Sei bitte diskret, sprich mit niemandem darüber.«

»Indianerehrenwort. Und du gehst dann direkt zur Polizei. Und du hältst meinen Namen da raus.«

»Indianerehrenwort.«

»Und jetzt verschwinde, ich muss arbeiten. Ich bin nämlich wirklich bei der Polizei.«

»Autsch.« Felix fasste sich theatralisch an die Brust.

»Du hast was gut.« Felix war schon fast aus der Tür, da hielt ihn Toni nochmal auf.

»Ach, Felix?«

»Hmm?«

»Mal wieder ein Bierchen? Samstag?«

»Nichts lieber als das. Ciao, Antonius.«

Das Spiel des Greifen

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