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Eine geheime Geschichte … Franz Heinrich Reuschs „Index der verbotenen Bücher“1
ОглавлениеHubert Wolf
„Der Index ist voller unzähliger und schlimmster Irrtümer, so dass man mit Anstand ohne grundlegende Korrekturen keine Neuauflage vorlegen kann. Man findet auf dem Index viele Namen von Autoren, die nie auch nur eine Zeile geschrieben haben; viele, die zwar ein Buch verfasst haben, von dem jedoch kein einziges Exemplar mehr existiert, weil im Mittelalter die Schriften der Häretiker vernichtet wurden; man findet viele Drucker, die Bücher gedruckt haben, von denen sie aber keinesfalls Autoren sein können; man findet viele protestantische Kirchendiener, die ein Protestschreiben gegen das Konzil von Trient unterschrieben oder Bücher protestantischer Autoren gelobt haben. Man findet viele, die ausschließlich über säkulare und profane Themen wie Medizin, Anatomie, Geographie oder klassische Literatur geschrieben haben. Man findet auf dem Index sogar eine Reihe hervorragender Katholiken, die aus purem Versehen in irgendwelchen auswärtigen Katalogen für Protestanten gehalten wurden.“2
Derartige Vorwürfe gegen die Zensurpraxis der Römischen Kurie und namentlich gegen die „schwarze Liste“ der verbotenen Bücher, den berühmt-berüchtigten Index librorum prohibitorum, sind nichts Ungewöhnliches; solche und ähnliche Gravamina finden sich bei den Gegnern des römischen Index zuhauf.3 Inhaltlich also nichts Neues unter der Sonne in Sachen Buchzensur in der katholischen Kirche. Aber – und das ist entscheidend – hier schreibt kein entschiedener Kritiker des Index, sondern ein glühender Anhänger, kein Opfer, sondern ein Täter, kein Zensurierter, sondern ein Zensor. Insofern verdienen diese Zeilen zumindest das Prädikat „überraschend“, man könnte auch von einer Selbstzensur der Zensur sprechen. Die zitierte Kritik findet sich nicht in einem polemischen Pamphlet gegen den Index, sondern in einem vertraulichen Schreiben eines einflussreichen Mitarbeiters und langjährigen Konsultors an den Kardinalpräfekten der Indexkongregation. Der Redemptorist Michael Haringer4 äußert in seinem auf Italienisch verfassten Weihnachtsbrief an Kardinal Domenico Bartolini für einen Gutachter der Indexkongregation durchaus ungewöhnliche und unzeitgemäße Gedanken. Seit über einem Jahr sei er – so Haringer – von einer „bedeutenden Angelegenheit in Bezug auf den Index“ völlig in Beschlag genommen: der überaus spannenden und informativen wie zugleich äußerst bedrückenden Lektüre des „Reusch“.