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Haringer und die Totalkontrolle des Buchmarkts

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Im Anschluss an Reusch setzt sich Haringer auch mit den sogenannten Expurgatorien auseinander. Hierbei handelt es sich um Verzeichnisse, die auflisten, welche Stellen in welchen beanstandeten Büchern zu verändern oder zu tilgen waren, um einem totalen Verbot zu entgehen. Nach dem Konzil von Trient hatte die Indexkongregation ein gigantisches Expurgationsprogramm aufgestellt und zahllose Zensuren zur Reinigung von Büchern verfassen lassen.35 Betroffen waren unter anderem:

– die kritischen Ausgaben der Kirchenväter von Ambrosius über Irenäus und Tertullian bis Thomas von Aquin,

– die medizinischen Standardwerke von Hippokrates, Galenus, Avicenna oder Paracelsus,

– in der philosophischen Sektion selbstredend neben vielen anderen Aristoteles und Platon,

– im Bereich der Historiographie neben zahlreichen Chronologien Theodoret, Philo, Herodot, Thukydides, Euseb von Caesarea oder die Cosmographie Sebastian Münsters,

– sämtliche mathematische Standardwerke, von Euclid angefangen,

– im Bereich der Klassikerausgaben: Cicero, Ovid, Virgil, Horaz, Sallust, Livius, Plutarch, Plinius, Xenophon, Sokrates, Homer, Tacitus, Cato, Plautus, die Aesop-Fabeln – um nur einige zu nennen.

Die Protocolli-Serie im Archiv der Indexkongregation belegt, dass es nicht nur beim Programm dieser Totalkontrolle blieb. Hier finden sich unzählige Zensuren zur Expurgation der genannten Werke. Heilige, Kirchenväter, Kardinäle und sogar Päpste waren von dieser Überwachung keineswegs ausgeschlossen. So wurden posthum in den 1570er Jahren Verfahren gegen die als Vermittlungstheologen geltenden Kardinäle Contarini und Cajetan eröffnet. Bei letzterem stand interessanterweise dessen Ausgabe der Werke des heiligen Thomas von Aquin im Mittelpunkt.36 Auch Kardinal Robert Bellarmin, der spätere Kopf der römischen Inquisition, konnte nicht verhindern, dass er selbst auf dem Index landete. Seine Versuche, als Kardinalinquisitor von der „schwarzen Liste“ wieder gestrichen zu werden, gehören zu den köstlichsten Episoden der römischen Indexgeschichte.37 Papst Pius II. wurde posthum auf den Index gesetzt. Er findet sich dort freilich nicht unter seinem Papstnamen, sondern unter Piccolomineus Aeneas Silvius mit dem Werk Commentariorum de Concilio Basileae celebrato libri duo. Er hatte dieses Werk nach seiner Wahl zum Papst zwar selbst mit dem bekannten Satz „Aeneam rejicite, Pium recipte“ zurückgezogen. Der Gutachter Francisco Peña schonte den Heiligen Vater in seiner Zensur allerdings nicht, rügte dessen Affektiertheit und mangelnde Schamhaftigkeit und kam zu dem Schluss: „Pius meinte, nichts sei verwerflich … wie die Menge an Ausdrücken zu frivolen und anstößigen Sachen zeigt.“38

Die Ergebnisse der Expurgationen waren aber eher bescheiden. So veröffentlichte der Magister Sacri Palatii, der päpstliche Hoftheologe Giovanni Maria Guanzelli da Brisighella, ex officio Mitglied von Inquisition und Indexkongregation, 1607 einen Band mit Expurgationsanweisungen, was ihm in der Sicht von Reusch die Beförderung zum Bischof von Polignano durch Paul V. „als Zeichen des besonderen Wohlwollens“ eingetragen haben soll.39 Hier korrigiert Haringer seinen altkatholischen Gewährsmann, was selten genug vorkommt: Der päpstliche Hoftheologe wurde wegbefördert, weil sein Werk dem Papst missfiel und die Originalausgabe im geheimen verurteilt wurde.

Der Index der verbotenen Bücher. Bd.1

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