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1. Grundlagen und Grenzen eines Täterstrafrechts

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Letztlich gar nicht bestreitbar dominiert der Erziehungsgedanke unser Jugendstrafrecht. Etwa konstatiert der BGH[45]: „Im Vordergrund steht der Erziehungsgedanke als Basis aller Regelungen des Jugendstrafrechts“. Tatsächlich nimmt das JGG seit jeher in einer Vielzahl von Sonderregelungen für das Verfahren und für die Sanktionierung von Jugendlichen und Heranwachsenden ausdrücklich oder implizit auf Erziehung Bezug (ausdrücklich etwa in §§ 9, 10 I, 12, 16a, 17 II, 18 II, 21 I, 24 I, III, 31 III, 35 II, 37, 38 II, 45 II, 46, 47 I, 48 III, 51 I, 52a I, 54 II, 61 II, 69 II, 71 I, 90 I JGG). Durch § 2 I idF des 2. JGGÄndG vom Dezember 2007 wird nun auch in einer zentralen programmatischen Vorschrift der Erziehungsgedanke hervorgehoben, nämlich als Grundlage für eine Anwendung des Jugendstrafrechts zur Verhinderung erneuter Straftaten[46]. Man spricht daher von einem Erziehungsstrafrecht, das idealtypischerweise als Täterstrafrecht in Kontrast zu einem Tatstrafrecht beschreibbar ist. Die Rechtsprechung hat den täterstrafrechtlichen Vorrang des Erziehungsprinzips sogar für die durch die Tatschwere geprägte Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld (§ 17 II 2. Alt. JGG) aufrechtzuerhalten versucht, obwohl dies von Wortlaut wie System des Gesetzes und von der Gesetzgebungsgeschichte her alles andere als nahe liegend ist[47].

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Trotz der durchaus nicht unangebrachten Charakterisierung des Jugendstrafrechts als Erziehungsstrafrecht wäre es naiv davon auszugehen, das Jugendstrafrecht verdanke dem Erziehungsanliegen seine Existenz. Wollte man nämlich wirklich nur erziehen, dann wäre für diese Aufgabe das Jugendstrafrecht mit seinen mannigfaltigen erzieherischen Handikaps fehl am Platze, vielmehr müsste man ganz auf Jugendhilfe setzen. Einzuräumen ist folglich zunächst einmal, dass dem Jugendstrafrecht als echtem Strafrecht ganz wesentlich die Funktion zukommt, die Werte und Normen der Gesellschaft zu bestätigen und derart den Rechtsfrieden zu verteidigen[48]. Deutlich wird diese generalpräventive Grundlage auch des Jugendstrafrechts ua daran, dass auf die Straftaten junger „reisender Täter“ ganz selbstverständlich jugendstrafrechtlich reagiert wird, obwohl dem Erziehungsgedanken hier keine wesentliche Bedeutung zukommt[49]. Und Entsprechendes gilt für die um Jahrzehnte verspätet erfolgende jugendstrafrechtliche Aburteilung von Mordtaten eines damals jungen Wehrmachtssoldaten oder Mauerschützen[50], wenn ein inzwischen bestens integrierter „braver Bürger“ durch Strafe eigentlich nur entsozialisiert werden kann[51].

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Seine also unleugbare generalpräventive Funktion legt das Jugendstrafrecht jedoch nicht etwa einseitig auf Repression, dh Übelzufügung zum Zwecke des Tatausgleichs, fest. Die auf der Makroebene letztlich generalpräventive Legitimation von Strafrecht muss nämlich nicht ohne weiteres auf die Mikroebene der einzelnen strafrechtlichen Maßnahmen durchschlagen. Unterhalb der ganz gravierenden, die Gemeinschaft herausfordernden Straftaten besteht großer Spielraum für die Berücksichtigung spezialpräventiver Strategien – solange die Tätigkeit der Justiz die Botschaft an den Täter wie an die Allgemeinheit enthält, dass Rechtsbruch inakzeptabel ist[52]. Gerade für die Behandlung der unser Rechtsgefühl noch relativ wenig herausfordernden ganz jungen Täter ist große Offenheit für schonende oder gar entwicklungsfördernde Strategien gegeben. Es sind also zwei Hauptkriterien für die zwischen den beiden Polen der erzieherischen Hilfe und der Repression nutzbaren Entscheidungsspielräume erkennbar: das Alter des Täters und die Tatschwere. Je jünger der Täter und je leichter die Tat, desto größer sind die für ein Erziehungsanliegen nutzbaren repressionsfreien oder -armen Möglichkeiten.

Jugendstrafrecht

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