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I. Germanisches und mittelalterliches Recht

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In den Zeiten der germanischen Volksrechte und der Stadtrechte des Mittelalters bestanden noch überwiegend überschaubare, geordnete Gemeinschaften, in welchen Jugendkriminalität kaum Probleme bereitete. Wenn es aber einmal zu regelrechten Verfahren kam, konnte der Täter in seine Familie oder Sippe zwecks weiterer Erziehung und Beaufsichtigung zurückgegeben werden. Öffentliche Erziehung war überflüssig. Bei einem notwendig werdenden Ausgleich mit anderen Sippen trug man der geringeren oder gar fehlenden Vorwerfbarkeit bei Taten junger Menschen durch Strafmilderungen oder -ausschlüsse wohl einigermaßen Rechnung. Etwa unterschied man in Teilen des germanischen Rechts zwischen einer Straflosigkeit der Unmündigen und einer Halbbüßigkeit, als reduzierter, nicht selten halbierter, Verpflichtung zu Bußzahlungen an die Opferseite (sog. Wergeld) oder an die Obrigkeit (sog. Brüche). Darüber hinaus finden sich in den Rechtsbüchern gelegentlich auch Regelungen für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen, in welchen bereits erste intuitive Erziehungsansätze aufschienen[1].

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Für das Mittelalter im deutschen Reich lässt sich, bei allen Unterschieden im Einzelnen, das 12. Lebensjahr als besonders relevante Altersschwelle für die Zuerkennung voller strafrechtlicher Verantwortlichkeit festhalten, wobei aber nicht selten eine relative Strafmündigkeit in Form abgemilderter Deliktshaftung vorgeschaltet war. Auch waren Ansätze erkennbar, der individuell ausgeprägten Einsichtsfähigkeit junger Täter – etwa im Lübecker Stadtrecht mittels des Apfel-Münze-Tests – Rechnung zu tragen[2]. Die partielle Auflösung der quasi von selbst erziehenden und kontrollierenden sozialen Gemeinschaften am Ende des Mittelalters brachte vermehrt Jugendkriminalität mit sich und einen erheblichen Bedarf an öffentlicher Erziehung. Mangels entsprechender pädagogischer Ansätze und organisatorischer Ressourcen reagierte man auf die Herausforderung durch die Jugendkriminalität traditionalistisch. Die im bisherigen Kontrollsystem angelegten Sanktionsformen wurden – soweit durchführbar – immer weiter gesteigert. An die Stelle der gerade auf junge Täter häufig angewandten Strafen an Haut und Haaren, etwa dem „Streichen mit Ruten“, traten zunehmend auch sonstige körperliche Strafen wie gegen Erwachsene, etwa wurden auch an Kindern und Jugendlichen Verstümmelungen sowie Hinrichtungen vollzogen[3]. So strebten Grausamkeit und kriminalpolitische Ineffizienz einem Höhepunkt zu. Insbesondere im Falle von Stadt- oder Landverweisungen, die zur Vermeidung von Leibes- oder Lebensstrafen gerade auch bei Delinquenz Jugendlicher ausgesprochen wurden, blieb den so Bestraften kaum etwas anderes übrig, als mit weiteren Straftaten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – was im Falle der Ergreifung regelmäßig zur Hinrichtung führte[4].

Teil I Einführung§ 2 Der Weg zu einem eigenständigen Jugendstrafrecht › II. Vom Gemeinen Recht zu den Partikulargesetzbüchern

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