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Mein Tisch

Mein Tisch ist sehr groß.

Wenn ich beide Arme ausbreite, was sage ich, ausspanne, als wollte ich mich wie ein Adler erheben und davonfliegen, dann bleibt immer noch links und rechts ein Stück. Lehne ich mich ganz nach vorne über den Tisch wie ein Säufer, gelingt es mir nicht, mit den Fingerspitzen den vorderen Rand zu erreichen, meine Hände liegen dann auf den Manuskriptmappen, die in verschiedenen Haufen fast die ganze Länge des Tisches besetzen. Zuoberst sind die Arbeiten, die ich nächstens in Angriff nehmen will, das heißt das Material und die Notizen dazu, oder die Textsammlungen, die ich ab und zu ergänze, zum Beispiel «Gedichte» oder «Parodien» oder «Übersetzungen», und darunter liegen die Mappen mit älteren Sachen. Die Haufen sind so hoch, dass ich bei den meisten nicht mehr weiß, was zuunterst liegt.

Rechts außen stehen einige Notizbücher und ein Duden, daneben auch leere Bücher, Blindbände, die ich irgendwann einmal von Verlagen ergattert habe und irgendwann mit etwas zu füllen gedenke.

Dann kommt ein Umschlag mit Botschaften meiner Kinder, die ich mir aufhebe, also Zettel, die sie mir auf den Tisch legen oder an die Türe kleben, wenn ich nicht da bin, und auf denen Sätze stehen wie «Schlaffe bei Lukas. Kaspar».

Die leeren Blätter, die Briefpapiere, die Briefkuverts und die Kohlepapiere sind auch auf der rechten Seite.

Links von mir Briefe mit Bitten um Beiträge zu Anthologien, bei den meisten habe ich auf den Umschlag ein Datum und ein Stichwort geschrieben, zum Beispiel «Heimweh, Ende März 85». Dann folgen die neueren Texte, und davor liegt immer das, woran ich gerade arbeite, und links davon eine Schachtel mit Entwurfspapier, das ist Papier, welches auf der Rückseite kaum beschrieben ist und das ich noch für Entwürfe brauchen kann. An der äußersten Kante des Tisches ist ein gelbes Kuvert mit meinen Träumen, und meistens liegen auf dem Stuhl neben dem Tisch noch Bücher, die ich eigentlich lesen will oder die ich zum Recherchieren brauche, häufig setzen sich die Ablagerungen bis auf den Boden fort.

In der Mitte aber, in der Mitte vorn auf dem Tisch steht meine Schreibmaschine, und diese Schreibmaschine liebe ich, ich habe sie von meinem Vater, der sie von seinem Schwiegervater hat, sie ist mindestens fünfzig Jahre alt, und ich lasse sie immer wieder pflegen und reparieren, wenn ihr etwas fehlt, und wenn ich vor ihr sitze, bin ich fast wie der Säufer, der vor seiner Flasche sitzt, aber ein bisschen bin ich auch wie ein Adler, der jetzt dann gleich seine Schwingen ausbreitet und sich in die Luft erhebt.

F.H.

Hin- und Hergeschichten

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