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Ratten

In China wurden früher Ratten zum Vollzug von Hinrichtungen eingesetzt. Man befestigte zum Beispiel einen Käfig am Bauch des zum Tode Verurteilten und setzte eine Ratte hinein, die dem Unglücklichen nach und nach die Eingeweide herausfraß. Solche Hinrichtungsarten nannte man «Langsamer Tod», und sie wurden nur zur Sühne von besonders schweren Verbrechen angewandt. Übrigens enden die alten chinesischen Kriminalromane nicht einfach damit, dass der Täter aufgespürt und erwischt wird, sondern es wird immer noch haargenau beschrieben, wie man ihn bestraft. In Schanghai habe ich eine Oper gesehen, die damit aufhört, dass die hintergangene Frau mit Hilfe von vier Dienerinnen ihren Mann verprügelt. Über dieser Szene schließt sich der Vorhang, und die Zuschauer sind höchst zufrieden. Diese Oper, sagte man mir, gehöre zu den populärsten im südlichen China und sei ein klassisches Werk. Und heute?

Heute sind alle Chinesen freundlich. Sie winken die Touristen unermüdlich in ihre Reisebusse, bringen verlorene Brieftaschen über große Distanzen zurück, und schon die Vierjährigen sitzen ganz ruhig an ihren Tischehen im Hort und schauen lächelnd vor sich hin. Zwei Velofahrer, die frontal zusammenstoßen, rappeln sich auf, prüfen ihre Fahrräder, wechseln ein paar Worte und fahren dann weiter, verdutzt, nicht empört. Ich war drei Wochen in China und habe fast nie ein böses Wort gehört. Einmal, gegen Ende der Reise, habe ich eine unserer Dolmetscherinnen, eine sehr zarte Person, am Morgen gefragt, ob sie in der Nacht geträumt habe. Als sie ja sagte, habe ich sie gefragt, wovon, und da sagte sie, vom Teufel.

Da war ich beruhigt.

F.H.

Hin- und Hergeschichten

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