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Tischgenossen

Zu meinen Tischen gehören ein paar blanke oder mit bunten Kunstfasertüchern bedeckte Wirtshaustische im Zürcher Milchbuck-Quartier. Ich teile sie mit Leuten, die ihre Ellbogen schwer aufstützen, als müssten sie die Möbel am Wachsen hindern.

Gestern, am späten Nachmittag, saß eine Frau Mitte fünfzig mir gegenüber, die einen Teebeutel mit den Fingern ausquetschte und die Finger am Tischtuch abrieb. Dann kam ein etwa zehn Jahre jüngerer Mann dazu mit flehenden Augen und mit Lippen wie Himbeeren; er gab der Frau die Hand, tat das aber so zögernd, dass die Begrüßung, wohl gegen seinen Willen, eher bedeutungsvoll als flüchtig ausfiel. Er setzte sich neben sie, bestellte ein Bier, eine «Stange». Nach dem ersten Schluck begann er zu schimpfen: sie habe versprochen, da nicht mehr hinzugehen, nun sei sie da doch wieder hingegangen. Die Frau zwinkerte mit den Lidern; sie hatte Mühe standzuhalten, blickte gewissermaßen gegen den Strom. «Du trinkst alles durcheinander», sagte sie, «Wein und Bier durcheinander.» Er, sehr bitter, stellte richtig, er habe nur dieses eine Glas Bier, es sei das erste, und von Wein könne schon gar nicht die Rede sein. «Ist ja auch noch nicht Abend», presste sie heraus. Die beiden verstummten. Nach einer langen Pause stand die Frau mit einem Ruck auf, die Augen kalt und leer, um sich an einen Nebentisch zu setzen, wo sie ihren Tee, wie sie im Gehen sagte, in Ruhe trinken könne.

Als ich nach meiner Jacke griff und mich mit einem Wort vom Mann und mit einem Nicken von der Frau verabschiedete, spürte ich Respekt vor der Verzweiflung des Paares.

J. Sch.

Hin- und Hergeschichten

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