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7. Vertragsverhandlung
Оглавление„Hallo, Jens! Schön von Ihnen zu hören! Zum Glück sind alle hier gesund, ich hoffe auch bei Ihnen.”
Nicht fünf, doch wenigstens drei Tage hat Hannes Jens Petermann mit seiner Antwort warten lassen. Eine Mail am heiligen Sonntag würde besonders gewichtig rüberkommen, hat er sich überlegt – ganz so, als wenn es für ihn keinen anderen freien Moment gäbe. Sein Angebot hatte ihm mehr Mühe gemacht als erwartet. Kam ja nicht so oft vor, dass er einen zahlungskräftigen Klienten im Ausland hatte. Schließlich war der Text endlich fertig.
„Danke für das Vertrauen, mich nach der Mlakizi Foundation zu fragen. Ich habe mich ein bisschen umgehört, auch unter lokalen Stiftungen: Niemand hier hat den Namen Mlakizi je gehört. Das will allerdings, wie Sie sich denken können, nichts heißen. Moshi liegt weit weg vom Songwe River und ein Stiftungsregister, das man schnell mal einsehen könnte, gibt es hier nicht. Am Telefon meldet sich da unten nur eine Mobilbox, da bleibe ich dran. Doch wenn ich blind in der Gegend herumtelefoniere, scheuche ich am Ende womöglich ja auch schlafende Hunde auf. Wie sagt man so schön bei uns: Provozier die Bienen nicht!
Versuchen könnte man es in einem Pressearchiv, doch ich bezweifle, dass da viel bei herauskäme. Es müsste schon einen handfesten Skandal rund um die Stiftung gegeben haben, von dem Sie wüssten. So sehe ich eigentlich nur die Möglichkeit, mir Hilfe von Bekannten zu holen oder selbst runter zu fahren und mir das Waisenheim anzuschauen. Das aber kann kosten! Nebenbei: Wie viel Zeit soll ich denn für die Recherche noch aufwenden? Wie umfangreich soll der Bericht werden?” Nach dieser Volte hatte Hannes Luft geholt und war auf ein vermeintlich unverfänglicheres Thema übergeschwenkt.
„Das Leben hier wird zunehmend stressig. Da sehnt man sich nach jedem freien Wochenende! Bin seit unserem letzten Abenteuer gut im Futter, wie man so sagt. Ohne Scherz, Jens: Für mehr Fragerei müsste ich mir Zeit borgen! Vielleicht von Ihnen? Nichts für ungut, aber Wazungu haben ja immer Zeit, oder? Zumindest wenn sie uns besuchen kommen ...”
Über seinen kleinen philosophischen Ausflug in die seltsame Zeitbegrifflichkeit des Deutschen hatte sich der Detektiv diebisch gefreut. Hatten die Wazungu das Konzept verstreichenden Lebens als Kolonialisten doch erst mitgebracht und überall ihre Uhren aufgestellt. Seitdem muss alles immer pünktlich, schnell und effektiv vonstattengehen – was für ein lebensfremder, freudloser Blödsinn!
Sein zeitgeschichtlicher Einfall sollte hoffentlich reichen, um dem Mzungu einen fairen Preis abzuluchsen. Danach muss ihm doch klar sein, dass Hannes Zeit die gleiche ist wie Petermanns, oder? Ebenso wertvoll. Und so auch keinen anderen Preis verdient.
„Also lassen Sie mich gern Genaueres wissen, lieber Jens! Ich warte auf Ihre Antwort.”
Sieben Mal hat Hannes seine Mail mittlerweile durchgelesen und umgeschrieben. Vor Yussufs Straßentischen waren schon vor Stunden hunderte Gläubige im Sonntagsstaat vorbeigezogen, bald kommen sie zurück vom Gottesdienst, es muss längst nach Mittag sein. Als Yussufs dritter Chai vor ihm steht, drückt Hannes endlich den weißen Pfeil zum Absenden. Die Uhr im Galaxy zeigt 6:33 Swahili-Zeit, sechs Stunden und 33 Minuten nach Sonnenaufgang, in Hamburg musste es demnach halb elf Uhr morgens sein. Bereits wenige Minuten später ist seine Nachricht mit zwei kleinen blauen Häkchen markiert – der Deutsche hat sie sofort gelesen. Prompt klingelt es. Unter der Klebefolie auf dem zersplitterten Handybildschirm des Detektivs erscheint Jens Petermann. Boah, was ist der alt geworden, der Mzungu!
„Jens, salaam aus Moshi, ich grüße Sie!”
„Ja, hallo Hannes, klasse Verbindung, oder? Störe ich?”
Der Detektiv reagiert ein wenig aufgeschreckt. „Nein, ja, meine SIM-Karte wurde gerade erst neu registriert, Staatssicherheit, Sie wissen schon. WhatsApp funktioniert dafür heute fast überall. Haben wir unserem Bulldozer zu verdanken. ...”
„Wem?”
„Unserem Tingatinga, dem großartigen Staatspräsidenten! Sehr gläubig! Wird alle drei Tage in den Himmel gehoben ...”
„Hannes, machen Sie Witze?” Wenn das so weiter geht, könnte Petermann am Geisteszustand seines Bekannten zweifeln.
„Nein, wirklich, hab’ gerade die Sunday News vor mir! Was der versprochen hat, hält er, da braucht´s keine Opposition.”
„Hallo? Spreche ich mit dem gleichen Hannes Wabaye, mit dem ich in der Serengeti notgelandet bin und reihenweise Geheimdienstler austrickste?”
„Jens, seien Sie beruhigt, ich bin immer noch ich! Aber die Zeiten ändern sich, bei uns herrscht jetzt ein bisschen mehr alte Ordnung!”
Petermann wird nicht ganz schlau aus dem Polit-Gefasel des tansanischen Detektivs und besinnt sich lieber auf sein eigentliches Anliegen.
„Hannes! Wie ich höre, geht es ihrer Familie gut. Auch ihrer famosen Tante Honorata? – Ja? – Das ist schön. – Wie sie wissen, will hier irgendein ebenso betuchtes wie betagtes Ehepaar Geld in die Mlakizi Foundation stecken. Gestern habe ich erfahren: richtig viel Geld. Die wollen das allerdings nicht versenken und auch sicher keinen kriminellen Mist erleben. Soll alles nicht groß nach draußen dringen, sie wissen schon: Understatement, alter Kaufmanns-Adel!”
Dass Hannes vom Hamburger Adel etwas wissen könnte oder gar müsste, will ihm nicht so recht in den Kopf. Was soll das heißen? Vom geplanten Investment soll niemand etwas erfahren? Lautete nicht sonst immer das Motto der Wazungu „Tue Gutes und sprich darüber!”? Seit wann brauchen die keine Werbung? Halten die ihr Wirken jetzt etwa automatisch für gut? Ehe er sich das lang erklären lässt, folgt der Detektiv lieber seinen eigenen Gedanken: „Die wollen die Stiftung sozusagen kaufen?”
„Soweit wohl nicht, aber ich weiß nichts über den Wert des Unternehmens in Mlakizi. Es heißt, es sei ein einfaches Waisenheim, zwar exzellent ausgestattet, doch nicht besonders groß.”
„Klingt nach einem ernstzunehmenden Interesse, oder? Da wäre ja ein ex-Wirtschaftsberater und aktuell erfolgreicher Detektiv genau der Richtige, um das abzuklopfen, oder?” Als Hannes, dem das Englische als zweite Alltagssprache geläufig ist, fürs Abklopfen das Verb „to sound out” benutzt, versteht Petermann „herausposaunen” und ist alarmiert.
„Nein, Hannes, wir wollen niemanden vor den Kopf stoßen! Ich möchte nur verlässliche Antworten haben. Eigentlich bin ich ja auch gar nicht derjenige mit den vielen Fragen, sondern Dr. Kortweit, die Geschäftsführerin einer hiesigen Stiftung ...”
Hannes, der finanziell Morgenluft wittert, wird zunehmend mutiger. „Also, Jens, ich schlage ihnen jetzt mal Folgendes vor: Ich nehme mir kommende Woche zwei Tage frei, jette nach Dar und unterhalte mich mit Kontaktleuten, zum Beispiel in der Justiz und im Erziehungsministerium. Das geht nur persönlich, am Telefon sagen die nichts. Wenn da nichts bei rauskommt, können wir immer noch überlegen, ob es Sinn macht, dass ich weiter bohre und bis nach Tukuyu runter fahre.”
Petermann denkt einen Moment nach, bevor er antwortet. Tatsächlich hatte er erst gestern noch einmal mit Sabine über Mlakizi gesprochen, die das Waisenhaus zum Vorwand genommen hatte, ihn schon wieder anzurufen. Dabei hatte Jens ihr erzählt, dass er sich ziere, Dienstleistungen in Tansania kostenlos einzufordern – eine Überlegung, die Sabine offenbar nie angestellt hatte. Für sie, die seit Jahren gut von staatlichen Apanagen für die Stiftungen ihrer Arbeitgeber lebt, stand nie infrage, dass die Arbeit des Detektivs zu bezahlen sei. Allerdings nach lokalen Tarifen. Daraufhin hatte Jens ihr einen kleinen Vortrag über gerechte Löhne gehalten und darauf bestanden, dass man einem Mann wie Hannes ein angemessenes, eher westliches Honorar anzubieten habe. Genau an diesem Punkt sieht er sich jetzt.
„Dar es Salaam, nicht Moshi, gut. Aber muss denn fliegen sein? Macht es das nicht unnötig teuer?”
„Jens, wann waren Sie zuletzt in Tansania? Auch hier ist Zeit wertvoll geworden! Auf der Straße brauche ich je einen vollen Tag, einen hin, einen zurück, am Ende wäre ich vier Tage unterwegs. Da kommt der Flieger deutlich billiger, vom Kili-Airport, ist nur eine Stunde weit weg.”
„Okay, sorry. Wo liegt denn mittlerweile ihr Tagessatz, Hannes?”
„500.000”, platzt Hannes heraus. Darauf hatte er die ganze Zeit gewartet. Honnis Aufstockung, die auf 800.000 hinausgelaufen wäre, traut er sich einfach nicht anzubringen.
„Das sind?”
„Ungefähr 200 Dollar. Plus Spesen natürlich.”
„200 Euro also”, bestätigt Petermann, dem der Preis zwar nicht astronomisch, aber doch erheblich höher vorkommt als beim letzten Mal. „Wo lagen wir damals am Victoriasee?”, versucht er wie gewohnt zu handeln. Doch diesmal stößt er auf einen vorbereiteten Hannes und muss sich rasch geschlagen geben.
„Weiß ich nicht mehr genau. Interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht, Jens. Die Zeiten ändern sich, meine Kosten und Preise auch.”
„Okay, Hannes, abgemacht. Zwei Tage Recherchereise plus Flug und Tagesspesen, macht ungefähr ...?”
„600 Dollar insgesamt, ziemlich exakt.”