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11. Reisevorbereitung
ОглавлениеDas Haus in der Kipenga Street in Mwenge, einem voll erschlossenen, gut angebundenen Wohnviertel im Norden der Stadt, liegt auf halber Strecke zwischen der Nation Group und dem Meer. Ambi bewohnt es gemeinsam mit einer Kollegin. Hier lebt die winzige Mittelschicht. Um dort hinzukommen, besteigen Hannes und Ambi das erstbeste Daladala, das stadtauswärts fährt. Nach kaum zwanzig Minuten sind sie an der Mlimani-Busstation.
„Seit es die neuen Schnellbusse gibt, brauche ich von hier aus sogar zur Rushhour keine halbe Stunde mehr bis Kariakoo”, schwärmt Ambi ihrem Begleiter vor, wie schnell sie seit neustem zum größten Markt mitten in der Stadt gelangt.
Die Straßen Mwenges sind netzartig im Halbrund angelegt, Ambis Straße liegt nah am Mittelpunkt. Aus einer provisorischen Bar am meterhoch zugemauerten Wegrand dröhnen tansanischer Rumba und hipper Bongo Flava-Sound um die Wette. Mehrmals wird die Journalistin freundlich gegrüßt – man kennt sich. Nach wenigen Minuten stehen die beiden vor einem massiven Stahltor. Ambi schlägt laut dagegen, grüßt mit dem traditionellen „Hodi?”, und wird kurz darauf von einer runzligen Alten eingelassen. Hinter dem Tor führt ein schmaler Pfad durch einen vertrockneten Vorgarten zu einem massiven, zweigeschossigen Gebäude: Ambis Haus. Hannes ist beeindruckt.
„Wer wohnt denn alles hier?”
„Nur ich und meine Kollegin Salma”, antwortet die Hausherrin, die sich in der Tür lässig ihrer Highheels und des Huts entledigt. „Und hinten im Hof noch Paradis mit den Kindern ...”
„Kinder? Deine?”, schreckt der Detektiv auf.
„Mach dich locker, kleiner Mchagga ! Gehören zu Paradis ...”
„Nur Frauen? Darf ich denn da überhaupt mit rein?”
„Nun sei mal kein Angsthase, Hannes! Klar gibt’s hier auch mal Männer. Sonst schläfst du eben im Hof. Da passen die Kids dann auf dich auf ... Zieh die Schuhe aus!”
Als Ambi in die Küche tritt, wird sie von der älteren Frau abgepasst, die ihnen das Tor öffnete. „Missis, so gut, dass Sie endlich da sind! Mabula! Er klagt schon den ganzen Tag über schreckliche Bauchschmerzen. Sie haben doch bestimmt Medikamente. In dem großen blauen Sack unterm Bett, oder? Können Sie bitte gleich mal gucken, ja?” Ambi stellt Hannes die kleine grauhaarige Frau kurz vor – „Paradis Masibo, unsere Hausmutter!” –, die sich vor ihr aufbaut und umgehend Ambis Hilfe erwartet. Wer Hannes ist, interessiert sie nicht.
Erst nachdem Ambi aus einem der hinteren Zimmer eine Packung 200er Ibuprofen geholt und Paradis eine Pille aus dem Blister in die Hand gedrückt hat, klärt sie Hannes ein bisschen auf. „So geht das hier oft. Paradis ist Oma, Hilfs-Oma oder auch nur Tante, weiß ich nicht so genau, von fünf schulpflichtigen Rotzlümmeln, die alle bei ihr untergekommen sind, nachdem die Väter durchgebrannt oder die Mütter an Aids gestorben sind. Du kennst die Geschichten. Paradis gehört zum Haus, putzt, wäscht, kocht und wacht, seit sie denken kann. Salma und ich sind natürlich für sie da. Und mit den Kids werden wir schon fertig, sind eigentlich ganz zahm. Auch wenn deren Respekt mit zunehmendem Alter abnimmt.”
„Von wessen Alter sprichst du, Ambi? Doch nicht von deinem!” Hannes glaubt zu wissen, wie man Frauen mittleren Alters Komplimente macht.
Dann braucht es keine Stunde, bis Ambi über einen Bekannten einen Suzuki Escudo angemietet hat, der ihnen morgen früh vors Tor gebracht werden würde.
„Hannes, bei Sonnenaufgang geht´s los! Ich schätze, wir brauchen mindestens fünf Tage, drei zum Fahren und je einen in Njombe und Mlakizi. Auf dem Rückweg setz ich dich dann in Chalinze ab, von dort kannste mit dem Bus zurück an deinen Berg, okay?”
Die Vorstellung, tagelang neben einer faszinierenden Frau wie Ambi zu verbringen, macht den Detektiv zunehmend nervös. Was, wenn der Reiz zu heftig würde und er um seine Contenance zu fürchten hätte? Sich gar verlieben sollte? Das kann er sich doch überhaupt nicht leisten! Brächte seine bequeme Lebensführung ernsthaft in Gefahr! Hat er alles schon erlebt, auch hier, in dieser schrecklich großen, lauten Stadt. Damals das mit Majorie. Und am Ende nichts als Ärger.
„Wenn du irgendwas brauchst für die nächsten Tage, für deinen Kulturbeutel zum Beispiel, kannst du dir das gegenüber im Einkaufszentrum besorgen. Auch ein bisschen Proviant für uns, sawa? Wasser, Nüsse, Ndizi und so. Wenn wir pünktlich loskommen, können wir es in einem Rutsch bis Kyela schaffen. Dann gibt´s aber keine großen Pausen.”
Während Hannes mit dem Einkauf beschäftigt ist, packt Ambi ihre Siebensachen. Die große Reisetasche sollte reichen: Notizblock, fünf Bic-Kulis, Tablet, Kamera, Mikro, Batterien, Slips, zwei BHs, Negligee, Hosenanzüge, Blazer, drei Kangas, sechs Blusen, Pumps und Sandaletten, Schminktasche (Wimpernbooster! Pille!) und Waschsachen. Nur: Wohin mit den Hüten? Mindestens drei hält sie für unerlässlich: einen bunten, eleganten mit, den kleinen blauen ohne Krempe und den extra großen, blendend weißen Sommerhut. „Die kommen auf die Rückbank, basta.” Ihr Mobile hat sie ohnehin immer dabei.
Als kurz vor acht auch Salma eingetroffen ist, serviert Paradis den beiden Hausherrinnen und dem Gast das Abendessen – Salat, Nudeln mit Tomatensoße, ein frisches Fladenbrot. Sie selbst hat längst draußen im Hof mit den Kindern gegessen. „Mabula wieder okay?”, fragt Ambi flüchtig, doch mehr als ein kurzes „Ja" hat die Hausmutter nicht für sie übrig. Die um einiges jüngere Salma fragt Hannes noch ein bisschen aus, dann zieht sie sich ins Obergeschoss zurück.
„Was macht die denn eigentlich bei der Nation?”, will Hannes wissen, um sich nicht zu sehr auf Ambi zu fixieren.
„Arbeitet seit Jahren als Tippse für den Lokalchef. Möchte gern noch was werden, aber ich bezweifle, dass er sie lässt. Als ich da anfing und bei Salma einzog, ging der Mann hier ein und aus. Mittlerweile ist´s etwas abgekühlt.”
„Hat Salma das Haus damals allein bewohnt?”
„Eher nicht, viel zu teuer. Auf jeden Fall suchte sie genau im richtigen Moment eine Mitmieterin. – Komm mal rüber!” Die große, aufreizend attraktive Ambi hat es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht, einem prächtigen Viersitzer. Ihre langen Beine untergeschlagen, thront sie in einer Ecke und wartet. Hannes, aus Prinzip eher schüchtern, ziert sich. Wohin, Himmel, soll das nur führen?
„Ist noch Cola im Kühlschrank? Möchtest du auch noch eine? Ich hol sie ...” Zurück aus der Küche, lässt sich der Detektiv betont lässig am anderen Ende des Sofas nieder. „Hast Du denn schon alles gepackt, Ambi?”
„Die Tasche steht im Gang. – Lass die Cola stehen, ich will gleich schlafen. Wir müssen schließlich früh los. – Ganz gemütlich, das Sofa, oder? Hab’ ich lange drauf gespart, hat mir ein Möbeltischler aus der Nachbarschaft gebaut, super Kaltschaum, Velourbezug, über 25.000 Martindale ...”
„Bitte? Wer sind denn diese Martindales?”
„Sorry, ist eine Einheit für Scheuerbeständigkeit. Je höher, desto haltbarer. Ab 10.000 hält der Bezug fast ein Leben lang ...”
„Du scheuerst dein Sofa? Wie oft machst du denn so einen Blödsinn?”
„Hannes, sei nicht bescheuert. Du scheuerst! Immer wenn du dich drauf setzt ...”
„... oder?”
„Nix oder.”
„Aber ich bin doch das erste Mal hier, das wird deinem Sofa doch wohl nichts anhaben. Es sei denn, wir ...”
„Fang nicht an zu spinnen, mein Lieber. Jetzt wird geschlafen. Du darfst es dir auf dem tollen Sofa gemütlich machen ... Die Steckdose ist dahinten! Denk dran, dein Mobile aufzuladen!”
Aus der Traum, romantischer wird es heute Abend nicht. Hannes wird länger brauchen, um einschlafen zu können.