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10. Lehrstunde in Sachen Honorar

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Die Vorstellung, so ganz spontan in Deutschland anzurufen, quält den Detektiv ein wenig. Das muss doch vorbereitet sein! Morgen wollte er Jens einen ausführlichen Bericht zuschicken, ausgefeilt und abschließend. Zögernd fragt er Ambi, warum sie nicht selbst anruft. „Wenn´s dir so wichtig ist? Das würde er vielleicht besonders ernst „nehmen ...”

„Hannes! Sei ein Mann der Tat. Du kannst das.”

Will er nicht als Looser dastehen, bleibt ihm nichts anderes übrig. Denkt´s und greift nach seinem Galaxy. Eine halbe Minute später läutet in Rosengarten bei Hamburg das grüne Videocall-Symbol auf dem Handy von Jens Petermann, mitten in einem heftigen Streit zwischen ihm und Frieda.

„Hannes! Wie gut, dass Sie anrufen!” Petermanns Stimme dringt durch, kein Bild indes. Wäre die Leitung nicht so schwach und knarzig, könnte der erleichterte Tonfall seines Auftraggebers den Detektiv glatt auf die falsche Fährte bringen: Braucht der Deutsche seine Infos etwa derart dringlich? Unter­bro­chen von atmosphärischen Störungen fährt Petermann hingegen un­beirrt fort: „Haben Sie etwas herausbekommen?”

„Jens, ich kann Sie nicht sehen!”

„Ich Sie auch nicht, wollen wir´s nochmal versuchen?”

„Nein, geht ja auch so, verstehen tu ich Sie einiger­ma­ßen.” Wie oft bei diesen blöden Billigcalls führen Echo und Verzö­gerung dazu, dass sich Frage und Antwort überlappen. So werden die Gesprächspausen nun größer.

„Sie sind noch in Dar es Salaam?”

„Ja, kurz vorm Rückflug. Und nein, leider habe ich bislang nicht wirklich viel herausbekommen. Rein gar nichts, um ehrlich zu sein. Niemand der Kontaktleute aus Stiftungen und Ministerien, die ich hier treffen konnte, hat je etwas von Mlakizi gehört. Auch in der Presse: absolut nichts, hakuna lo lote.”

„Schade. Unbefriedigend, doch nicht zu ändern. Dann schi­cken Sie mir einfach Ihre Rechnung.”

Aufgeben aber will Hannes vor Ambi nun noch lange nicht. „Warten Sie, Jens, ich hab’ hier noch jemanden für Sie!” Damit reicht er sein Handy an Ambi weiter, die erst leicht empört ihr Gesicht verzieht, Hannes dann aber keck anlächelt und sich vorstellt.

„Jens Petermann? Guten Abend! Ambi Maregesi hier, die Ex von Gerd.” Die ersten Worte kann sie immer noch auf Deutsch.

„Oh, Ambi, hallo!” Glücklicherweise bleibt der Hamburger im Englischen. „Welch eine Überraschung. Hier ist es erst Nachmittag. Geht es Ihnen gut? Wusste gar nicht, dass Sie und Hannes sich so gut kennen. Sie sind nicht mehr mit Gerd zusammen, oder ...?”

„Nein, aber alles gut. Danke der Nachfrage. Und Ihnen?”

„Mir? Mir geht´s prächtig, wirklich!”

„Na, das freut mich aber, Herr Petermann. Endlich mal je­mand ohne Beziehungsprobleme. Sie hatten my sweetheart Han­nes” – Hannes wird schon wieder knallrot, während Ambi ihn unverblümt anstrahlt – „um einige Aus­künfte be­züg­lich eines Waisenheims gebeten. Vielleicht könnte ich Ihnen da doch noch weiterhelfen, wenn sie es ernst meinen ...”

Jens Petermann ahnt, dass dieses Angebot auf ein weiteres Honorar hinauslaufen wird. Eine renommierte Journalistin, wie er diese Ambi in Erinnerung hat, arbeitet nicht für lau. Die Ge­schichte aber ist ja vielleicht auch einen höheren Einsatz wert. Als er Sabine von den 600 $ erzählte, die er Hannes ver­spro­chen hatte, war sie nicht über ihn hergezogen, hatte nur ver­nehm­bar Luft eingesogen. Als wenn ein Tansanier mit diesem Betrag überbezahlt wäre! Ihm war die Summe angemessen, geradezu sozial erschienen. Sonst hätte er sie ja nicht verein­bart. Dann ließ Sabine flapsig einfließen, dass sie jedes Jahr allein 10.000 Euro an ihren Wirtschaftsprüfer für das Jahresabschlusstestat über­wei­se. Damit war der Rahmen abgesteckt. Denn mittlerweile hatte er auch erfahren, wie hoch die Summen waren, um die es hier ging. Das „befreundete Ehepaar” aus dem Dunstkreis der Stiftung beab­sich­ti­ge „mehrere Millionen” in Mlakizi zu investieren, hatte Sabine ihm gesteckt.

So beißt Petermann an. „Ja? Wie denn?”, fragt er in vertrauli­chem Ton zurück.

„Vielleicht haben Sie auch in Deutschland von diesen schreck­li­chen Kindermorden im Süden meines Heimatlandes gehört, Jens. Haben Sie?”

„Ja, das ging durch alle Medien.”

„Schon klar. Kinder, Tod und Afrika läuft ja immer. Die Geschichte aber ist noch lange nicht ausgestanden. Solche Morde geschehen leider öfter, nur nicht immer gleich in Serie wie in Njombe. Die lokalen Behörden sind anscheinend völlig überfordert ...” Ambi holt weit aus, bevor sie ihre Idee zum Verkauf anbietet.

„Ja, das ist schrecklich, Missis Maregesi. Doch was verbindet diese Morde mit Mlakizi?”

Opportunities, Jens, Gelegenheiten, fursa. Ihre Anfrage lässt sich eventuell mit einer Reportage verbinden, an der ich derzeit arbeite, die sich allerdings schlecht finanzieren lässt. Meine Zei­tung, der East African, zahlt erst bei Erscheinen, also wenn die druck­fertige Story steht. Um dahin zu kommen, braucht´s ne­ben Zeit – die ich hätte – auch ein Spesenkonto für Transport, Unterkunft undsoweiter. Sonst sitzt man hier genauso schlecht infor­miert im Büro wie Sie in Hamburg oder deutsche Fernseh­leute, die von Nairobi aus über ganz Ostafrika berichten.”

„Ich kann ihnen folgen, sehe jedoch immer noch keine Ver­bin­dung ... Man hat mich ja nicht beauftragt, eine Reportage über die schrecklichen Kindermorde zu finanzieren.”

„Nein, das sollen sie auch nicht. Nur das Drumherum für ihre Zwecke nutzen: Njombe und Mlakizi sind nicht weit voneinander ent­fernt. Ich könnte mir von Njombe aus auch Mlakizi an­schauen.” Für einen Deutschen würde diese Behauptung jeder Überprü­fung standhalten, auch wenn Ambi genauso wie Hannes weiß, dass zwischen den beiden Orten eine Tagesreise liegt. „Wenn Sie wollen, dass wir mehr über diese ominöse Mlakizi Foun­dation herausbekommen, bleibt uns – meinem Freund Han­nes und mir hier – nach den erfolglosen Recherchen nichts anderes übrig, als uns selbst ein Bild vor Ort zu machen. Das ist natür­lich von Dar´ aus erheblich kostengünstiger als für Sie von Deutsch­land aus. Da ich ohnehin in die Gegend will, mir das aber ohne Auftraggeber schlicht nicht leisten kann, müs­sen Sie uns nur den Transport und ein paar Unterkünfte finan­zieren.”

Petermann denkt bereits in Flug- und Hotelpreisen. „Das kann teuer werden ...”

„Nicht unbedingt. Vielleicht haben Sie das noch nicht so drauf nach ihren letzten Besuchen hier im Land. Liegen ja ein paar Jahre zurück. Die Straßen­verhältnisse haben sich seither dra­ma­tisch verbessert, man braucht lange nicht mehr überall einen Four-Wheeler und nur noch sechs Stunden zum Beispiel bis nach Lindi, wohin man früher Tage lang unterwegs war.” Petermann erinnert sich, dass er einmal bis nach Kilwa, das noch 200 Kilometer vor Lindi liegt, zwei volle Tage gebraucht hatte und ohne Polizeihub­schrau­ber fast nicht mehr zurückgekommen wäre.

Ambi fährt fort: „Das hatte einen Effekt, den Sie, lieber Jens, kaum gewärtigen dürften: Die Autovermieter sind viel bil­liger geworden. Hier in Dar bekomme ich heute für weniger als 50 $ pro Tag einen fahrbaren Untersatz ...”

„Oh, das kostete früher glatt das Vierfache!” Petermann ist be­eindruckt.

Je länger das zum Glück kostenlose WhatsApp-Ge­spräch dauert, desto unruhiger wird Hannes auf seinem Stuhl: Kriegt er seinen Flieger noch? Er kann nicht mehr lange warten. „Ambi, ich muss los!”, flüstert er seiner Begleiterin ins freie Ohr und tippt auf sein nacktes Handgelenk.

Ambi aber beruhigt ihn mit federnder Hand und fährt ungerührt fort: „Ich habe mit Hannes vorhin intensiv darüber nachgedacht, was sich für Sie noch machen ließe, Herr Petermann. Ich schlage Ihnen jetzt einen Deal vor. Sie übernehmen Leihgebühren und Versicherung für den Wagen von, sagen wir, 50 $ am Tag, für sieben Tage. Sprit und Extrakilometer kosten bei der Entfernung – hin und zurück immerhin gut 2.000 Kilometer! – zusätzlich 750 $. Obendrauf legen Sie nochmal 300 $ für Unterkunft und Verpflegung und versprechen uns ein Erfolgshonorar, falls wir belastbare Infor­ma­tionen beschaffen können. Was halten Sie davon?”

„Mehr als tausend Dollar, um sich Mlakizi einmal anzu­schau­en? Käme da Fliegen nicht billiger?”

„Sie meinen, das würde Zeit sparen?”

„Ja, und Kilometer.”

„Aber ein Auto bräuchte man auch, wenn man Mlakizi von Mbeya aus, dem nächstgelegenen Flugplatz, erkunden wollte. Und da kosten Leihwagen immer noch mehr als doppelt so viel wie hier in Dar. Schneller wäre man auch nicht unbedingt. Bringt also eher nichts.”

Petermann hat inzwischen mitgezählt. „Das wären dann 1.400 Dollar für eine Woche, richtig?”

„Machen Sie Euro draus, und wir fahren los!”, ruft Hannes ungeduldig ins Telefon.

„Wie das jetzt? Noch zehn Prozent Aufschlag?”

Sofort übernimmt wieder Ambi. „Entschuldigung, das war Mister Wabaye, der kennt sich mit Devisen aus. Halten wir uns doch nicht länger mit Pea­nuts auf. Den Unterschied merken Sie gar nicht. Kommt Sie am Ende sogar billiger, wenn Sie in Euro statt Dollar bezahlen. Denken Sie nur an die Umtauschge­büh­ren! Wie sieht´s mit dem Erfolgshonorar aus?”

„Auf Zweitausend würden wir wohl aufrunden können...”

Hannes, der das „round up” weder gut hören konnte noch viel damit anzufangen wüsste, versteht „two thousands” und will jubilieren. Ambi hält ihn zurück. „Okay, Jens, dann haben wir einen Deal: Wir fahren für Sie in den Süden und Sie über­neh­men 1.400 Euro der Kosten. Sollte die Reise aus landes­typi­schen Gründen nicht in einer Woche beendet werden können, müss­ten Sie allerdings die Leihge­büh­ren fürs Auto noch ein paar Tage weiter bezahlen.”

„Aber nur die Miete!”

„Abgemacht.”

„Meinetwegen.”, willigt auch Petermann ein. „Ich hab´s ja mit ehrlichen Leuten zu tun.”

Als die WhatsApp-Verbindung ausgeschaltet ist, sagt Ambi: „So, Hannes: So macht man das. Jetzt, mein Lieber, jetzt darfst du jubeln. Und mitkommen ...”

Den Rückflug konnte er vergessen.

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