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Prolog Im Süden Tansanias
ОглавлениеDas Bild wird Juma Kapeta nie vergessen. Nie. Die verschrumpelte, von blutigen Rissen überzogene helle Haut, dunkle Flecken hinter jeder Falte, den aufgeblähten Torso mit der tiefen, offenen Wunde unter den Rippen, bedeckt von braunem, modrigem Blattwerk. Schwarze Stümpfe dort, wo Arme und Beine sein sollten. Fliegen und Ameisen allüberall. Der Kopf des Jungen lag leicht abgewinkelt, die hellen Brauen kaum sichtbar über den aufgerissenen, ausgestochenen Augen in einem abstrus friedlichen Gesicht unter kurzen weißen Kraushaarlocken – ein Kindheitstrauma.
Wegschaffen sollten sie sie, die kleine Leiche, ab in den Fluss, hatte der „Fährmann” befohlen. Ally Raza, die Heimleiterin, hatte ihm Bescheid gesagt. Um alles Weitere werde er sich kümmern.
Wer hatte es gewagt, den kleinen Körper ausgerechnet hier abzulegen? Zog der Wahnsinn denn so weite Kreise?
„Fährmann” Alphonce Edward Danda ist weit herumgekommen und sieht sich selbst als Kapitän. Er befehligt ein großes Schiff, sein Unternehmen, die Stiftung, das Waisenhaus Mlakizi direkt am idyllischen Songwe River, der schon vor über hundert Jahren Nordrhodesien und Nyasa-Land von Deutsch-Ostafrika trennte. Der Kapitän residiert in einem alten Gutsverwalterhaus auf einem Hügel hoch über Tabakfeldern und dem Fluss, spricht vier Sprachen und ist stolz auf seine Übersicht.
Seit acht Jahren herrscht er hier und leistet Aufbauarbeit. Von der Zucht bis zur Ernte, so das Programm, das jetzt endlich Mal wieder den vollen Ertrag einbringen soll. Zum Wohle aller: der Kinder, denen es hier so unendlich viel besser geht als dort, wo seine Mitarbeiter sie aufgelesen haben. Zum Wohl der Angestellten drüben im Heim, die gar nicht wissen, dass er sie bezahlt. Zum Wohle auch der Dorfbewohner, deren Kinder kostenlos seine Schule besuchen dürfen und die nie wissen müssen, wer er wirklich ist. Er, der alle paar Wochen mit seinem Außenborder aus Malawi über den Fluss herüberrauscht und die Heimleiterin besucht. Und natürlich zum Wohle seiner kleinen Kapitalgesellschaft und all der Geber, die Mlakizi unterstützen, darunter echte Philanthropen. Die sehen in seinem Heim die Zukunft.
Nun aber kommen ihm, der die öffentliche Wahrnehmung Mlakizis stets scharf zu kontrollieren wusste, diese Hexer in die Quere. Ausgerechnet hier, in der allerletzten Ecke Tansanias oder auch Malawis, je nachdem, von welcher Seite des Flusses man die Sache sieht. Abgedrehte Heiler mit ihrem verqueren Quatsch von heilsbringenden Albinoteilen ziehen Aufmerksamkeit auf die Region, falsche Publicity, die das ganze Projekt gefährdet. Manche Eltern der toten Kinder haben ihre Kinder doch noch nicht einmal vermisst!