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12. ... und die Sache ist erledigt

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Mittwoch, 31. Dezember Makaïdis Hilfssheriffs Wilfrem Fundikira und Sergeant Nehemiah Baregu haben ihren Chef genau beobachtet, wie er mit dem deutschen Botschaftssekretär im Nebenzimmer ver­schwand. Jeder weiß, was sich hinter der Tür abspielt – sie sind es gewohnt, etwas abzubekommen. Als Makaïdi herauskommt, hören sie ihn zu dem Diplomaten sagen:

„Verbrechen? Sieht so aus. Viel Blut und Knochenbrüche. Glaubt man den Eintragungen im Melderegister des Hotels, han­delt es sich bei dem Gast um einen Finn Schutte aus der Nähe von Hamburg in Deutsch­land.“ Abrupt wendet er sich von zur Lippe ab und schreit quer durch den Flur: „Hey, Oscar, wo ist mein Stuhl?“ Der Hoteldirektor, der tuschelnd am Ende des Flurs steht, schreckt zusammen. Auf seine Geste hin, setzt sich einer seiner Leute in Bewegung und bringt dem Superintendenten einen billigen Plastikstuhl, viel zu eng und viel zu schwach in den Beinen für Makaïdis Gewicht. Der starrt das Gartenmöbel an wie eine Erscheinung, bevor er erneut nach dem Hotelchef brüllt: „Kambona, krieg ich hier noch was zum Sitzen, oder muss ich erst dein gesamtes Personal einbuchten?“ Gleich zwei Angestellte wuchten kurz darauf einen schweren Sessel aus dem Erdgeschoss die Treppen hoch zum Kommissar, der endlich Ruhe gibt und sich niederlässt. Zur Lippe bleibt neben dem Super­intendenten stehen und blickt ihm von oben herab ins Gesicht: normalerweise eine Geste, die Makaïdi zum Platzen bringt, jetzt aber fühlt er sich wohl. Schließlich ist er es, der hier das Geschehen bestimmt.

„Hamburg, das ist diese Hafenstadt, Dar es Salaam’s Partnerstadt, kurz vor Oslo, stimmt’s? Bislang haben wir keinen Grund, die Eintragungen im Meldebuch anzuzweifeln, auch wenn Pass und Papiere verschwunden sind“, fährt der Superinten­dent mit seinen Erläuterungen fort. „Allerdings fehlt uns jegli­cher Hinweis auf den Namen des zweiten Mannes, der mit Schutte das Zimmer teilte. Kennen sie ihn?“

„Finn Schutte? Nie gehört. Der Mann ist uns unbekannt wie die allermeisten Touristen in ihrem Land. Die melden sich bei uns nicht an. Aber ich schaue gern noch einmal nach.“ Zur Lippe hat sich den Namen des Toten selbstverständlich sofort notiert.

Makaïdi waren das einige Sätze zu viel, er klingt ungedul­dig. „Diesen Schutte meine ich ja nicht allein. Vielleicht schauen sie mal in ihren berühmten deutschen Melderegistern nach seinem Begleiter, da wird sich schon was finden lassen. Schutte könnte schwul gewesen sein. Wenn das stimmt, dürfte es ihnen doch nicht schwer fallen, den Namen seines Freundes zu ermitteln.“

„Wie kommen sie denn darauf?“ Zur Lippe ist wieder leicht pikiert.

„Aber Herr Attaché. Verkaufen sie mich nicht für dumm! In Deutschland gibt es seit Jahrzehnten Listen, die solche ‚Paare’ registrieren, das ist bekannt.“ Unverhohlen lässt der Kommis­sar beim Wort ,couple’ seinen Abscheu raus. „Die ‚vermählen’ sich bei ihnen doch sogar! Wir wissen, dass dieser vermeintli­che Schutte hier mit einem weiteren mzungu untergekommen ist, einem Landsmann. Wohl auch so eine Schwuchtel, auf jeden Fall einer, der deutsch spricht. Dessen Namen brauchen wir. Die Angestellten beschreiben ihn alle ähnlich: Groß, hellhäutig, bärtig, allerdings nicht wie jemand, der in Mekka war. Damit hören die Ähnlichkeiten dann allerdings schon auf. Weder kön­nen die Zeugen sich auf ein Alter einigen noch auf seine Augenfarbe, Gesichtsform oder wenigstens auf die Figur. Er sieht halt aus wie alle ‚Weißen’. Könnte höchstens sein, dass er eine nicht ganz so afrikanische Statur wie der Tote hat.“ Jetzt ist Makaïdi auskunftsfreudig.

Zur Lippe hat anhaltend genickt und sich Notizen gemacht. Aus der fehlenden „afrikanischen Statur“ macht er „schlank“. Er spürt, dass er sich auf diesen Kommissar noch lange nicht verlassen kann. Die halbe Million wird diesmal wohl nicht reichen. Mehr aber hat er nicht dabei. Der Diplomat macht des­halb auf besonders freundlich. „Superintendent, ich werde schauen, was sich über diesen Schutte und den Zweiten heraus­bekommen lässt. Wann, glauben Sie, wissen Sie genau, ob es sich um ein Gewaltverbrechen handelt? Dann müssten wir natürlich auch die deutsche Staatsanwaltschaft informieren ...“

„Was ist das denn für ein Quatsch? Die hat hier doch nichts zu sagen!“

„Verzeihung, aber bei Mord an einem Deutschen im Ausland ermitteln die von ganz allein ... Ich darf mich doch darauf verlassen, dass auch Sie mich auf dem Laufenden halten?“

Makaïdi, der durchaus erfasst hat, dass die Einschaltung deutscher Ermittler die eigene Handlungsfreiheit in diesem Fall erheblich behindern könnte, steckt unvermutet freundlich zurück: „Selbstverständlich, Herr Attaché, die tansanische Polizei ist ihren deut­schen Freunden doch stets zu Diensten.“ Geflis­sentlich überhört zur Lippe Makaïdis feine Ironie und macht sich rasch davon.

Fundikira und Baregu haben mittlerweile ihre Arbeit fast beendet. Aus dem ersten Stock lässt sich der Gerichtsmediziner vernehmen, der Totenschein samt Sarg und Leichenwagen auf­getrieben hat. „Kann die Leiche mit?“, ruft er Makaïdis Mannen schon von der Treppe aus fröhlich zu. Oben angekommen, wendet er sich an deren Boss: „Hujambo, Makaïdi, das is ja mal ´ne blasse Leiche, wa’?“ Der Superintendent zögert ein wenig mit dem Lachen. Ist der Botschaftsmensch auch wirklich weg? Dann übertönt sein dröhnendes Gelächter alle anderen Geräu­sche auf dem Flur.

Als er sich wieder gefasst hat, hat Makaïdi nachgedacht. „Hey, Doc, warte noch mal mit dem Wegräumen.“ Assistent Fundikira runzelt die Stirn: Sein Chef wird sich doch wohl nicht etwa selbst an den Tatort begeben wollen? Das hat er ja noch nie erlebt! Es soll auch dabei bleiben: Superintendent Makaïdi hasst es, sich Tote anzuschauen. Um die Lagerung der Lei­che geht es ihm. Bloß nicht gleich verwesen lassen! Die teuren Untersuchungen kommen doch erst noch, an denen sich so einiges verdienen lässt!

„Die Leiche kommt fürs erste in den Kühlschrank!“ Wo aber funktioniert zur Zeit einer so zuverlässig, der groß genug ist für einen toten, aufgedunsenen wazungu? Im Leichenkeller der Universitäts-Pathologie gibt’s keinen Strom, und alle umliegen­den Krankenhäuser weigern sich seit Monaten beharrlich, Ma­kaïdis Opfer kostenlos zwischenzulagern. Sein letzter Toter mo­derte tagelang im Wirtschaftskeller des Präsidiums vor sich hin, bis der Gestank auch die oberen Stockwerke erreichte und zum allgemeinen Aufruhr führte.

Wer, verdammt noch mal, hat eine passende Tiefkühltruhe? Wilfrem! Natürlich, warum ist er da nicht gleich drauf gekom­men. Wilfrem Fundikira, sein bester Mann, dessen Bruder die­ses Restaurant in der Indira-Gandhi-Street betreibt. Dort müsste es doch eine Truhe geben.

„Wilfrem, angetreten!“ Makaïdi ist wild entschlossen. Sein Helfer stolpert mit tropfenden Duty-Free-Tüten an den Füßen herbei.

„Dein Bruder hat doch eine Tiefkühltruhe, hä?“

„Im Restaurant, ja klar. Wieso?“ Fundikira schwant Böses.

„Und Strom? Die letzte Rechnung ist bezahlt?“

„Ja, Chef, aber ...“, weiter kommt er nicht.

„Yeah, dann packst du jetzt mit Nehemiah deine Sachen, und die Leiche in einen unserer großen Säcke. Zusammen bringt ihr sie auf der Stelle in die Truhe!“

„Aber Chef!“ Jetzt ist auch der letzte Bulle alarmiert. „Mein Bruder wird mich rausschmeißen. Ich kann ihm doch keine Lei­che in die Tiefkühltruhe legen. Da liegen sonst Fische, Hühnchen, sogar Rinderbeine drin!“ Doch Fundikiras Wider­stand bricht schneller zusammen als er sich empören kann: Um die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit zu unterstreichen, hebt Makaïdi zweimal kurz die Augenbrauen. Dann steckt er Fundi­kira zwei, Baregu einen von zur Lippes Scheinen zu, und die Sache ist erledigt.

Der Schatz von Njinjo

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