Читать книгу Asphaltblüten - Gabi Paumgarten - Страница 8
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Оглавление„Französisch, mit Blasen, mit Gummi, eine Halbe oder eine Ganze?“ Nüchtern wie eine Eisverkäuferin, die vom Sommergeschäft schon etwas müde ist, bietet Daisy ihrem Neukunden das Repertoire ihrer Dienste an.
„Wie viel ist eine Ganze?“
„Zweihundertfünfzig, mit Gummi.“
„Wie ist es mit Sadomaso?“
„Eine Ganze, vier Riesen.“
Das kurze, bestätigende Nicken des Freiers genügt Daisy, um es als Übereinkommen zu verstehen. Sie zieht unter dem Bett, dem einzigen Möbelstück im Raum, eine Reisetasche hervor, öffnet sie und noch ehe sich ihre Kundschaft der eleganten Kleidung entledigen kann, um nackt in die Schattenidentität einzutauchen, hält die Domina eine Ledergerte in der Hand. Schnalzend klatscht sie das siebenendige Gezieme ihrem Sklaven entgegen, sodass er jäh vor ihr zu Boden geht.
Als hätte sie ihr grundsanftes Gemüt mit den Alltagskleidern in die Sporttasche gepackt, zeigt sich Daisy nun als gebieterische Herrin über ihrem erbarmungswürdigen Knecht. Von ihrem Beruf als Krankenschwester weiß sie, wie viel Schmerz ein Mensch bereit ist zu ertragen, wenn das peinigende Gefühl Befriedigung verspricht. Sie weiß auch, dass die Intensität der Qual in einem direkten Verhältnis zur Lust steht, sodass der davon Abhängige ständig nach mehr lechzt.
Die Domina streckt dem sich kindlich Unterwerfenden die roten High Heels unter das Gesicht, damit er seiner Herrin die Füße küsst.
Ihre anfängliche Hemmung, Freiern den gewünschten Liebestorturen auszusetzen, hat sie mit den Jahren abgelegt, wie sie sich auch als Schwesternschülerin daran gewöhnte, Patienten für eine gewisse Dauer wenig mitleidvoll einer schmerzhaften Behandlung zu unterziehen. Bedenkenlos ist sie im Stande, das zu bieten, was von ihr verlangt wird, ohne auch nur im Geringsten von echten Gefühlen geleitet zu werden. Die zu einem Wimmern unterdrückten Schmerzensschreie des Mannes lassen sie an das gequälte Stöhnen der verletzten Patienten erinnern, das sie beim schmerzhaften Einrenken eines Knochenbruchs von sich gegeben haben. Unbarmherzig ist Daisy bereit, ihrem Freier die gewünschte Marter zu verpassen.
„Na, du warst wohl unartig“, droht sie dem Knecht zynisch, während sie ihn an den Fesseln zerrt. „So etwas duldet deine Herrin nicht. Du wirst dich bei mir entschuldigen“, befiehlt sie ihm, während sie die Geißeln der Gerte auf ihn niederfahren lässt.
Dem strengen Gebot folgend, bittet er umgehend und unterwürfig wie ein kleines Kind um Verzeihung. Denn was wie eine Szene eines Laientheaters aussieht, entspricht für den Freier einer ernstzunehmenden Wirklichkeit. Als würde Leben oder Tod davon abhängen, beugt er sich widerstandslos den Befehlen seiner Domina.
Für Daisy hingegen ist es schlicht ein Geschäft, das auf Angebot und Nachfrage beruht. Quasi als besonderes Offert, um auf die Veränderungen des Marktes zu reagieren, hat sie Sadomaso vor einiger Zeit in ihr Repertoire aufgenommen. Obwohl das Gewerbe gerade in den letzten Jahren starken Umbrüchen ausgesetzt ist, indem neue, sehr junge, nicht selten minderjährige Mädchen aus dem Ausland monatlich den Markt überschwemmen, kann sich Daisy nach wie vor als Alteingesessene behaupten.
Als Dagmar Weinerl alias Daisy vor einem halben Jahrzehnt mit dieser Arbeit begonnen hat, um sich aus einer drohenden Schuldenfalle zu kämpfen, konnte für Liebesdienste noch ein guter Lohn verlangt werden. Heute schuften die Mädchen zu Dumping-Preisen und müssen von der hart verdienten Kohle das meiste abliefern. Diesem Diktat wollte und will sie sich nicht unterwerfen. Für sie war und ist immer klar, dass sie nur in die eigene Tasche arbeitet.
Wie auf ein vereinbartes Zeichen hin beendet sie das Spiel der erotischen Knechtschaft. Erschöpft, aber sichtlich zufrieden verwandelt sich der unbekannte Freier zurück in den Mann von Welt. Wieder in seinen Kleidern greift er in seinem Jackett nach seiner Geldbörse, um sechs große Scheine herauszuholen, die Daisy ungezählt nimmt und in ihre Tasche steckt.
„Wenn es für dich gut war, weißt du jetzt ja, wo du mich findest“, bietet sie sich für ein nächstes Mal an.
Mit einem knappen „Okay“ öffnet der Mann die Tür und lässt Daisy in der Kammer zurück.