Читать книгу Wie Buddha im Gegenwind - Gabriela Urban - Страница 15

Die neugierige Putzfrau

Оглавление

Unser gemeinsamer Roadtrip durch Malaysia verlief leider viel zu schnell. Nach dem kräftezehrenden Erlebnis in den Cameron Highlands gönnten wir uns Entspannung auf der Insel Tioman, wo wir den vergeblichen Kampf gegen die Sandfliegen am Strand aufgaben und uns in die Hängematten zurückzogen. Bis auf ein paar riesige fliegende Kakerlaken in unserer Hütte und dem nächtlichen Besuch einer Katze in meinem Bett – ich hielt sie zunächst für einen Affen – verlief alles relativ ruhig.

In der nächsten Stadt in Johor Bahru entschied ich mich, allein mit meinem Sohn einen Tagesausflug nach Singapur zu machen, während Madeline im Hotel blieb und sich als Tagesziel setzte, die Wäsche zu waschen.

Als ich abends aus der Megacity mit den zahlreichen prunkvollen Louis-Vuitton- und Chanel-Läden ins beschauliche Johor Bahru zurückgekommen war, ließen wir beim Abendessen auf dem quirligen Nachtmarkt den Tag Revue passieren. Madeline erzählte mir von ihrem amüsanten Gespräch mit der Reinigungsfrau im Hotel.

»Wie habt ihr das denn gemacht?«, hatte diese wissen wollen.

»Was denn genau?«

»Na ja, das mit den Kindern?«

Zuerst hatte Madeline so gar nicht verstanden, was die kleine neugierige Frau mit Kopftuch von ihr wollte. Bis sie dann endlich aussprach, was zuvor mit allergrößter Wahrscheinlichkeit die meisten Malaien, denen wir auf unserer Reise begegnet waren, gedacht hatten.

»Ihr seid doch lesbisch und habt zwei Babys. Wie habt ihr das denn gemacht?«

Madeline und ich schauten uns ganz tief in die Augen und prusteten gleichzeitig laut los. Die Leute auf dem Nachtmarkt schauten uns ziemlich komisch an, weil wir uns vor Lachen nicht mehr einkriegen konnten. Wir beide wären nie im Leben auf den Gedanken gekommen, dass uns die Leute für lesbisch halten könnten. Aber verständlich: zwei Mamas und zwei Babys. Und noch dazu beide Frauen mit kurzen Haaren! Wir konnten den Malaien ihre Fantasie gar nicht verübeln. Höchstwahrscheinlich hätten wir an ihrer Stelle dasselbe vermutet. Umso mehr waren wir überrascht, wie freundlich und hilfsbereit uns auf unserer Reise die meisten Menschen im muslimischen Malaysia doch begegnet waren.

Zuvor hatte ich von vielen Reisenden gehört gehabt, dass sich vor allem die malaiischen Männer an der Ostküste sehr schwer mit westlichen Frauen täten, sie sogar teilweise ignorierten und kein Wort mit ihnen wechselten. Unsere persönlichen Erfahrungen waren da ganz anders. Die Menschen waren uns gegenüber meistens sehr aufgeschlossen, offen und hilfsbereit. Lag es nun daran, dass uns die Malaien für Lesben hielten? Oder eher, weil wir mit zwei niedlichen westeuropäischen blonden Babys unterwegs waren, die uns beiden jedes Mal die Show stahlen? Oder vielleicht, weil wir vier allgemein mit unserem weißen Bus einen ungewohnten Anblick boten? Uns war klar, dass wir keine eindeutige Antwort auf unsere Fragen finden würden.

***

Es musste ja so kommen! Der Abschied am Flughafen in Kuala Lumpur verlief sehr tränenreich. Wir hatten gerade unseren treuen Fahrgefährten, den weißen Bus, bei der Autovermietung abgegeben und das ganze Gepäck sortiert, als mir bereits die Tränen aus den Augen schossen. Dabei hatte ich mir felsenfest vorgenommen, nicht zu weinen. Aber wie taff ich nach außen hin auch manchmal wirken mag – wenn es um Abschied geht, bin ich sehr, sehr nah am Wasser gebaut und werde schnell zur absoluten Heulsuse, die sich noch dazu über sich selbst ärgert, weil sie gerade so sentimental ist.

Ich war nicht mehr in der Lage, einen vollständigen Satz rauszubekommen. Stattdessen machten wir zu viert noch ein kurzes Gruppenkuscheln. Wir mussten auch keine großen Worte mehr wechseln. Madeline und ich waren uns einig: Wir hatten gemeinsam einen unvergesslichen Trip erlebt, der manchmal auch ganz schön crazy war. Ich drehte mich um und stieg ins Auto. Der Besitzer der Autovermietung hatte mir angeboten, mich zum anderen Terminal zu fahren, von wo aus die Inlandsflüge gingen. Ich hatte mich ganz spontan entschieden, die letzten fünf Tage mit meinem Sohn allein auf der Insel Langkawi zu verbringen. Ein hervorragender Abschluss der spektakulären Reise und zugleich meiner Elternzeit. Denn in ein paar Tagen würde ich bereits am Schreibtisch in meinem alten Büro sitzen. Und während ich die letzten Stunden am Strand damit verbrachte, mich zu fragen, wie ich ab jetzt wieder mit 25 Tagen Urlaub im Jahr zurechtkommen sollte, beobachtete ich, wie mein fast einjähriger Sohn gerade seinen ersten Meilenstein machte: Er richtete sich freihändig auf, schwankte auf seinen kleinen Beinen ein wenig hin und her, jauchzte vor Freude, klatschte in die Hände, ging zwei wackelige, zaghafte Schritte und plumpste wieder zu Boden.

Wie Buddha im Gegenwind

Подняться наверх