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Das 19. Jahrhundert

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Auch unter Kaiser Franz (II.) I. erfuhr die Hofburg keine wesentlichen Veränderungen. Zwar wurde Österreich 1804 ein eigenes Kaiserreich, was einen Ausbau oder zumindest eine architektonische Vereinheitlichung der bestehenden Anlage gerechtfertigt hätte, doch wieder einmal herrschte fast ununterbrochen Krieg, diesmal gegen das revolutionäre Frankreich. Die finanzielle Situation war dementsprechend angespannt.

Mit dem äußeren Feind hatte übrigens auch die Aufstellung jenes Denkmals vor der Hofbibliothek zu tun, das Kaiser Franz seinem Onkel und Vorgänger Josef II. errichten ließ. 1795 erhielt der Bildhauer Franz Anton Zauner den Auftrag, Entwürfe dafür zu machen.

Der junge Kaiser Franz stand damals ganz im Bann der Ereignisse in Frankreich, wo wenige Jahre zuvor bewaffnete Volksmassen das alte monarchische System gestürzt hatten. Die Angst war groß, dass die revolutionären Ideen auch in seine eigenen Länder überschwappen könnten. Die Entscheidung, in dieser Situation Josef II. durch ein großes Denkmal zu würdigen, war nun weniger Ausdruck einer innigen Verbindung zum Onkel (die beiden hatten sich nie besonders gut verstanden) als vielmehr Franz’ Versuch, Werbung für das Haus Habsburg zu machen. Der verstorbene Josef bot sich an, allen nationalen und konfessionellen Gruppen und gesellschaftlichen Schichten Österreichs als »einigendes Symbol« zu dienen, wie der Kunsthistoriker Mazakarini schrieb: Ein Monument, das Josef ehrte, war für Franz ein erhofftes »Mittel, die divergierenden Völkerschaften … zusammenzuhalten« und gegen das revolutionäre Frankreich einzuschwören.

Auf dem Sockel des Denkmals und auf den Medaillons der umstehenden Säulchen wurde alles angeführt, was Josef II. einst für seine Untertanen geleistet hatte: Förderung von Handel, Landwirtschaft und der schönen Künste, Gründung der Lemberger Universität, des Taubstummeninstituts, des Josephinums und des Allgemeinen Krankenhauses und natürlich die »concordia religionum« (»Eintracht der Religionen«), das Toleranzpatent. Die dadurch vermittelte Botschaft war klar: Ohne Kaiser Josef hätte es all das nicht gegeben, weshalb auch in Zukunft alle Völker der Monarchie auf die weise Regentschaft der Habsburger vertrauen sollten.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass im März 1848 die aufständischen Bürger und Studenten hierher auf den Josefsplatz zogen, das Denkmal mit Blumengirlanden schmückten und der bronzenen Reiterfigur die schwarz-rot-goldene Fahne der Revolution in die Hand drückten. Zum »einigenden Symbol« wurde Josef so tatsächlich, wenn auch nicht in dem Sinne, wie Kaiser Franz es gewünscht hätte: Als jenen Monarchen ließ man Josef hochleben, dem einst die – unter Franz wieder aufgehobene und jetzt lautstark eingeforderte – Lockerung der Pressezensur zu verdanken gewesen war.

In die Regierungszeit Kaiser Franz’ fielen die beiden französischen Besatzungen Wiens. 1809 verfügte Napoleon, die Burgbastei zu schleifen – das sollte den Wienern als Denkzettel dienen, sich nie wieder dem Franzosenkaiser entgegenzustellen. Auf dem nun offenen Areal entstanden in den folgenden Jahren ein Paradeplatz (der heutige Heldenplatz), der Volks- und der Burggarten.

Nach Napoleons Niederlage bei Leipzig und der Einnahme von Paris durch die alliierten Truppen verständigten sich die Sieger rasch auf das Abhalten eines großen Kongresses, auf dem die Neuordnung Europas geregelt werden sollte. Dieser hatte zwischen Herbst 1814 und Frühsommer 1815 ein gesellschaftliches Rahmenprogramm, das prächtiger und aufwendiger kaum hätte ausfallen können. Für all die Bälle, Ritterspiele, Hoftafeln und Konzerte, die rund um den Wiener Kongress gegeben wurden, gab man Unsummen aus – und das zu einer Zeit, da das Gastgeberland Österreich soeben einen Staatsbankrott überwunden hatte. Die ausländischen Monarchen (Zar Alexander I., König Friedrich Wilhelm von Preußen, König Friedrich VI. von Dänemark und König Friedrich von Württemberg) wurden mitsamt ihrer Entourage in der Hofburg untergebracht, allein die Verpflegung der vielen Gäste kostete rund 750 000 Gulden im Monat! Dass bei einem der Bälle in den Redoutensälen von 10 000 silbernen Teelöffeln ein Viertel verloren ging (oder als Souvenir eingesteckt wurde), fiel angesichts solcher Summen kaum noch ins Gewicht.


Der Michaelerplatz um 1900. Links im Hintergrund die Stallburg, daneben die Winterreitschule Fischer von Erlachs (Sohn) und rechts die repräsentative Fassade des Michaelertrakts aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert

Während die Hofburg in der Biedermeierzeit kaum Veränderungen erfuhr, begann ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die letzte große Ausbauphase. Zeitgleich mit der Ringstraße und all ihren prächtigen Palais und öffentlichen Gebäuden sollte auch die kaiserliche Residenz durch großzügige Zubauten aufgewertet werden, ja sie sollte zum glanzvollen Herzstück des entstehenden Boulevards werden.

Kurz bevor die Stadtmauern Wiens abgerissen wurden, erhielt der Bildhauer Anton Dominik Fernkorn den Auftrag, ein Reiterdenkmal Erzherzog Carls, des Siegers über Napoleon bei Aspern, zu schaffen. Im Mai 1859, pünktlich zum 50. Jahrestag der Schlacht, war es fertig – und wurde nicht enthüllt! So schwelgerisch man damals auf militärische Erfolge der Vergangenheit zurückblicken konnte, so wenig Optimismus war für die Gegenwart angebracht. Österreich befand sich im Krieg, diesmal gegen das Königreich Sardinien und das mit ihm verbündete Frankreich. Im Juni mussten sich die kaiserlichen Truppen bei Magenta und Solferino den Feinden geschlagen geben, die Lombardei ging verloren. Die Stimmung in Wien war dermaßen schlecht, dass es unpassend gewesen wäre, das Carl-Denkmal zu enthüllen. Erst ein Jahr später präsentierte man es mit viel Prunk (und in Gegenwart von über 100 Veteranen von Aspern) der Öffentlichkeit. Als 1865 Fernkorns zweites Reiterdenkmal, jenes von Prinz Eugen, fertig wurde, war die Stimmung ebenso wenig euphorisch. Der Führungsanspruch Österreichs im Deutschen Bund war durch Preußen längst unterhöhlt, eine direkte militärische Konfrontation nur noch eine Frage der Zeit. Auch im Inneren brodelte es, verlangten die Ungarn doch vehement einen Sonderstatus unter den habsburgischen Kronländern.

Angesichts dieser Probleme klangen die Worte, die anlässlich der Denkmal-Enthüllung im Oesterreichischen Soldatenfreund zu lesen waren, eher zweckoptimistisch als ehrlich zuversichtlich: »Sind wir wieder zu festem Einklange in unserem eigenen Hause gelangt, dann können wir getrost jedes Feindes warten, der an unsere Thore pocht. Dann wird auch das alte Oesterreich mit der unverwüstlichen Kraft seiner sehnigen Völker … wie unter Prinz Eugen, dem edlen Ritter, der ganzen Welt zu trotzen vermögen.« Doch diese Kraft erwies sich als keineswegs »unverwüstlich«: Nach der Lombardei ging auch die Toskana für Habsburg verloren, Österreich wurde nach der vernichtenden Niederlage von Königgrätz aus dem Deutschen Bund ausgeschlossen, zur gleichen Zeit verlor man Venetien.


Der Innere Burghof um 1900. Im Hintergrund die Amalienburg, rechts der barocke Reichskanzleitrakt. Das Denkmal für Kaiser Franz wurde 1846 enthüllt.


Das Schweizertor im frühen 20. Jahrhundert

In der Haupt- und Residenzstadt Wien baute man indes unverdrossen weiter. Zwischen Hofburg und Hofstallungen sollten zunächst die Hofmuseen entstehen, also das Kunsthistorische und das Naturhistorische Museum. Namhafte Architekten wie Theophil Hansen, Heinrich Ferstel, Carl Hasenauer und Moritz Löhr beteiligten sich an der Konkurrenz, doch die Fachjury war uneins, die Debatten arteten in Streit aus. Der berühmte Hamburger Architekt Gottfried Semper wurde 1869 als unabhängiger Gutachter in das Projekt eingebunden. Er sprach sich aber nicht klar für einen der eingereichten Entwürfe aus, sondern forderte, dass in weit größeren Dimensionen gedacht werden sollte: Ein imposantes »Kaiserforum« sollte beiderseits der Ringstraße entstehen, ein kolossales, historistisches Ensemble mit zwei neuen Anbauten der Hofburg, um den Heldenplatz im Süden und Norden einzufassen. Mit mächtigen Triumphbögen quer über die Ringstraße sollten diese neuen Trakte mit den geplanten Hofmuseen verbunden werden.

Kaiser Franz Joseph gefiel dieser Entwurf, und er beauftragte Semper mit der Verwirklichung; die Pläne der zwei Museen sollte hingegen Hasenauer ausführen. Die beiden Architekten harmonierten jedoch nicht miteinander, es kam zu Streitigkeiten und Kompetenzgerangel. 1876 zog sich der gesundheitlich bereits schwer angeschlagene Semper vollends vom Projekt zurück (er starb drei Jahre später).

Wie so vieles in Wien wurde auch das Kaiserforum nur teilweise verwirklicht. 1881 begann man, die Fundamente der »Neuen Burg« auszuheben, bis zu deren Fertigstellung dauerte es Jahrzehnte, zahlreiche Architekten waren daran beteiligt. Noch bis weit in den Ersten Weltkrieg hinein baute man an diesem sündteuren Palast, von dem niemand so recht wusste, wie er dereinst genutzt werden sollte. Franz Joseph musste selbst einsehen, dass aus diesem gigantischen Prestigeprojekt nichts Rechtes mehr werden konnte. Er zog sich davon zurück und übergab die weitere Verantwortung seinem Thronfolger Franz Ferdinand. Es war deutlich zu sehen: Das Kaiserforum wurde, wie Otto Schwarz schreibt, »gleichsam zur Bleikugel am Fuß der Stadtplaner«. Das ursprünglich vorgesehene Pendant der Neuen Burg auf der Seite des Volksgartens wurde nie realisiert, ebensowenig die Triumphbögen über die Ringstraße.


Der Maria-Theresien-Platz mit den beiden Hofmuseen, Teil des nur teilweise verwirklichten Kaiserforums von Gottfried Semper an der Ringstraße

Die beiden Museen wurden hingegen 1891 feierlich eröffnet und bilden seither wichtige Sehenswürdigkeiten Wiens, so wie der gesamte Hofburgkomplex mit seinen vielen bedeutenden Schausammlungen. In der Neuen Burg sind heute – neben der Nationalbibliothek – gleich vier Museen untergebracht (Ephesos-Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Weltmuseum, Sammlung alter Musikinstrumente). Nach jahrelanger Diskussion soll in naher Zukunft ein weiteres hinzukommen, das »Haus der Geschichte«.

*Kurz bevor man durch den Torbogen in den Schweizerhof tritt, ist die Inschrift etwa in Hüfthöhe auf der rechten Seite zu finden. Man muss allerdings genau schauen, denn sie fällt auf dem grauen Untergrund kaum auf.

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