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Metternichs Sturz und das weitere Schicksal der Staatskanzlei

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In seiner Furcht, dass Volkserhebungen die neu geschaffene Ordnung Europas gefährden könnten, legte Metternich eine beispiellose Härte gegen alles an den Tag, was nur im Entferntesten nach Revolution roch. Obwohl er in erster Linie Außenpolitiker war – für die Leitung der Innenpolitik zeigte sich sein Rivale, Staatsminister Franz Anton Graf Kolowrat-Liebsteinski, zuständig –, wurde sein Name bald zum Inbegriff des reaktionären Polizeistaates, zu dem sich Österreich unter ihm entwickelte. Metternich wurde für Millionen Menschen verhasste Symbolfigur von Unterdrückung und staatlicher Bevormundung.

Gemeinsam mit Preußen setzte er die Regierungen der übrigen deutschen Länder unter Druck, alle liberalen und nationalen Strömungen und Stimmungen im Keim zu ersticken. Gerade das multinationale Staatengebilde Österreich musste Angst vor einem deutschen »Nationalstaat« haben, ebenso wie vor dem Aufkeimen eines tschechischen oder italienischen Nationalismus. Es ging um nichts weniger als den Fortbestand der Habsburgermonarchie.

Nach den berühmten »Karlsbader Beschlüssen« von 1819 setzte man im Deutschen Bund auf Bespitzelung, auf strengste Zensur von Presse und Theater sowie auf die Überwachung der Universitäten. Schnell konnte etwa die unbedachte Äußerung eines Professors zu Entlassung und Berufsverbot führen. Johann Nestroy, selbst immer wieder im Fokus der argwöhnischen Behörden, schrieb: »Die Zensur is das lebendige Geständnis der Großen, daß sie nur verdummte Sklaven treten, aber keine freien Völker regieren können.«

Die ständige Bereitschaft, in allem und jedem eine potenzielle Gefahr zu erkennen, nahm mitunter groteske Ausmaße an. Der völlig unpolitische dänische Dichter Hans Christian Andersen machte 1834 bei seiner Einreise nach Österreich den Fehler, dem Zöllner von seinem »Gesellschaftshut« (seinem Zylinder) zu berichten, den er im Gepäck mitführte. Da der misstrauische Beamte bei der Erwähnung jeder »Gesellschaft« aber einen revolutionären Geheimbund witterte, wurde der verdutzte Andersen besonders penibel überprüft.

Doch auf Dauer ließ sich das System Metternichs nicht halten. Der Ruf nach Presse- und Meinungsfreiheit, nach Lehr- und Lernfreiheit an den Hochschulen und nach einer freiheitlichen Verfassung konnte im Frühjahr 1848 nicht mehr unterdrückt werden. So wie in weiten Teilen Europas strömten die Menschen auch in Wien auf die Straßen, um lautstark ihre Forderungen zu stellen.

Zu Mittag des 13. März zogen einige Hundert Demonstranten auf den Ballhausplatz, während dort das Militär Stellung bezog. Der 19-jährige Medizinstudent Josef Burian ließ sich von Freunden auf die Schultern heben und hielt spontan eine Rede. Darin waren wohlgemerkt keine Angriffe auf den »gütigen, gnädigen Herrn«, Kaiser Ferdinand, zu hören. Burian rief überhaupt mehrfach zur Mäßigung auf, beharrte aber auf den Forderungen der Revolution. Er rief: »Unser gütiger Monarch hätte uns auch schon Alles gewährt, aber«, und nun zeigte er auf die Staatskanzlei, »er ist von falschen Rathgebern umgeben!« Darauf folgte stürmisches Bravorufen.

Der Wiener Lokalhistoriker Wilhelm Kisch, damals ein 21-jähriger Student, wurde Zeuge der dramatischen Ereignisse: »Diese kühne Sprache eines kaum erwachsenen Burschen gegen den noch gestern allmächtigen Staatskanzler (und dies noch dazu ihm persönlich ins Gesicht geschleudert) bezeichnete jedenfalls die Situation des Augenblickes vollkommen. Ich bemerkte, wie der greise Fürst hinter den Sprossen seiner Jalousien mit einer Lorgnette auf Burian lächelnd herabsah. Er schien damals noch nicht den Ernst der Lage erkannt zu haben, denn er blieb ruhig beim Fenster, bis sich der Tumult wieder verlief.«

Auch Franz Grillparzer, Direktor des Hofkammerarchivs, das sich damals in einem noch bestehenden Trakt des ehemaligen Kaiserspitals befand, hatte von seinem Arbeitszimmer einen guten Blick auf den Ballhausplatz. Er »fürchtete … jeden Augenblick, die Grenadiere würden mit dem Bajonett auf die jungen Leute losgehen« und schrieb weiter: »Die Unbekümmertheit, mit der die jungen Leute wie Opferlämmer sich hinstellten und von den aufgestellten Bewaffneten gar keine Notiz nahmen, hatte etwas Großartiges. Das sind heldenmütige Kinder, sagte ich zu mir selbst.« Die Menge zog schließlich weiter, noch war es zu keinen blutigen Zusammenstößen gekommen.

In der benachbarten Hofburg wurden inzwischen hektische Besprechungen zur Lage abgehalten, denn die Stimmung auf den Straßen wurde immer hitziger. In der Herrengasse gab das Militär die ersten Schüsse auf Demonstranten ab, fünf Menschen starben. Nun brach die Revolution wirklich aus. Die »Bürgergarde« forderte den Rückzug des Militärs und die Bewaffnung der Studenten – und immer wieder rief man nach der Entlassung des verhassten Metternich.

In den Abendstunden war es schließlich so weit, der Staatskanzler wurde in die Hofburg gerufen. Da man – wie es hieß – seine Sicherheit nicht mehr gewährleisten könne, bat Erzherzog Ludwig, der Vorsitzende der Staatskonferenz, Metternich um seinen Rücktritt. Dessen Frage, ob er nun Österreich verlassen solle, wurde bejaht. Während er mit seiner Familie die letzte Nacht in der Staatskanzlei verbrachte, wurde sein Palais am Rennweg von Aufständischen gestürmt und verwüstet. Am nächsten Tag reiste er ab. In England verbrachte er sein Exil und kehrte erst 1851 nach Österreich zurück. 1859 starb er und wurde im böhmischen Plasy, neben seinem dortigen Schloss, bestattet.

Nach der Schlacht um Wien im Herbst 1848 und der blutigen Niederschlagung der Revolution übernahm Felix Fürst Schwarzenberg als Ministerpräsident und Außenminister die Staatskanzlei.

Während der kommenden Jahre und Jahrzehnte wurde Österreich außenpolitisch zunehmend isoliert, die Zeiten, da es unter Kaunitz oder Metternich tonangebend im europäischen Konzert der Mächte gewesen war, gehörten der Vergangenheit an. Der bisherige Partner Preußen entwickelte sich im Deutschen Bund immer mehr zum Rivalen, der die Vorherrschaft in einem geeinten Deutschland übernehmen wollte, und auch in Italien entwickelten sich die Dinge dramatisch, ließen sich die dortigen nationalen Forderungen doch nicht mehr niederhalten – die italienische Einigung nahm ihren Lauf. Mit dem katastrophalen Ausgang der Schlacht bei Königgrätz gegen die Preußen (1866) und dem Ausschluss Österreichs aus dem – gleich darauf aufgelösten – Deutschen Bund ging die Ordnung des Wiener Kongresses endgültig zu Ende.

Das Gebäude am Ballhausplatz, von wo im Sommer 1914 Außenminister Graf Berchtold das verhängnisvolle Ultimatum an Serbien abgeschickt hatte, blieb auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie eines der wichtigsten Zentren österreichischer Politik. Direkt nach dem Ersten Weltkrieg war hier nicht nur das Außenministerium der jungen Republik untergebracht, auch der erste Bundespräsident bezog hier seine Amtsräume. Im Jahr 1920 übersiedelte auch das Bundeskanzleramt von seinem bisherigen Sitz im Palais Modena in der Herrengasse hierher.

Während die Bundeskanzler bis heute hier ihre Büros haben, residieren die Bundespräsidenten seit 1946 im gegenüberliegenden Leopoldinischen Trakt der Hofburg. Das Außenministerium zog 2005 nach über 280 Jahren auf den benachbarten Minoritenplatz.

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