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Josef I., August »der Starke« und ein falsches Gespenst

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Mit Leopolds ältestem Sohn und kaiserlichem Nachfolger Josef I. ist eine interessante Geschichte verbunden, die sich in der Hofburg zugetragen haben soll und heute nur noch wenig bekannt sein dürfte. Erstmals tauchte sie im Jahr 1734 in einem Buch des preußischen Schriftstellers Karl Ludwig von Pöllnitz auf (La Saxe galante), das sich mit den – meist amourösen – Abenteuern des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. (also des späteren, legendären polnischen Königs August II., des sogenannten »Starken«) beschäftigte.

Diese Anekdote fand bis weit ins 19. Jahrhundert auch Eingang in durchaus seriöse Darstellungen der Wiener Geschichte sowie in Biografien Friedrich Augusts. Freilich darf man sie nicht für bare Münze nehmen, doch sie vermag, so wie jede gute Anekdote, gewisse historische Begebenheiten zu illustrieren – in diesem Fall die konfliktreiche Beziehung Josefs I. zur katholischen Kirche.

Der geschichtliche Hintergrund ist schnell skizziert: In den beginnenden 1690er-Jahren verbrachte der junge Kurfürst von Sachsen, Friedrich August I., einige Zeit in Wien, wo er als Gast der kaiserlichen Familie in der Hofburg wohnte. Eine besondere Freundschaft verband ihn bald mit Josef, der damals ein 13-, 14-jähriger Knabe war, aber als gewählter römischer König bereits die Anwartschaft auf die Kaiserwürde innehatte.

Eines Nachts – so lautet nun die von Pöllnitz erzählte Geschichte – erschien eine unheimliche, in weiße Gewänder gehüllte und mit Ketten rasselnde Gestalt in König Josefs Schlafzimmer, die den jungen Habsburger mit hohler Stimme vor weiterem Umgang mit dem Sachsen warnte: »Entsage seiner Freundschaft oder erwarte die ewige Verdammniß!« Falls er sich weigere, so das »Gespenst« weiter: »So ist dein und sein Verderben unvermeidlich.« Josef bekam drei Tage Bedenkzeit zugestanden, dann wollte der unheimliche Gast wieder erscheinen.

Josef berichtete am folgenden Morgen seinem Freund Friedrich August über die schaurige Szene, worauf dieser sich in der angekündigten Nacht auf die Lauer legte. Tatsächlich erschien der Geist abermals, um seine Drohungen zu wiederholen, da stürzte sich der starke Friedrich August auf die geheimnisvolle Gestalt und schleuderte sie kurzerhand aus dem Fenster. Mit einem gebrochenen Bein blieb sie liegen und es stellte sich heraus, so Pöllnitz weiter, dass es ein katholischer Priester war, ein Jesuit, »der allezeit mit dem Beichtvater des Römischen Königes gieng«. Josef war daraufhin dermaßen wütend, dass er »schwur, er wolle dereinst alle Jesuiten aus seinen Ländern jagen«.

Die Anekdote ist damit zu Ende. Gerade der letzte hier zitierte Satz aus Pöllnitz’ Darstellung lässt allerdings aufhorchen, da er auf tatsächliche, historisch verbürgte Spannungen zwischen dem damals mächtigen Jesuitenorden und dem jungen Josef verweist. Dieser war, verglichen mit seinen Vorgängern, als nicht besonders fromm bekannt, hatte aber in seinem Religionslehrer, dem Priester Franz von Rummel, einen vertrauten und sehr geschätzten Erzieher. Rummel jedoch wurde von den Jesuiten abgelehnt, immer wieder forderten sie dessen Absetzung. Selbst der Papst verlangte auf deren Drängen Rummels Entlassung, worauf Josef selbstbewusst ausrichten ließ: »Wenn dies geschähe, müßten ihm alle Jesuiten das Geleite geben.« Er konnte sich tatsächlich durchsetzen und behielt Rummel als Lehrer. Später, kaum war er der neue Kaiser, ließ er ihn sogar gegen massiven Widerstand der Jesuiten zum Fürstbischof von Wien ernennen.


Thronfolger Josef, sein Freund August »der Starke« und das falsche Gespenst der Hofburg

Zweites »Leitmotiv« der geschilderten Anekdote ist das Verhältnis Josefs zum sächsischen Kurfürsten. Friedrich August stand zwar aufseiten der Habsburger gegen die Franzosen (weshalb er in Wien so freundschaftlich aufgenommen wurde), führte 1695 sogar den Oberbefehl über das kaiserliche Heer gegen die Türken in Ungarn – aber er war damals noch evangelisch! Das erklärt die großen Ressentiments, mit denen ihm von katholischer Seite begegnet wurde. Erst 1697 konvertierte er in der Frauenkirche in Baden bei Wien, um bald darauf König des streng katholischen Polens werden zu können (was ihm wiederum die Protestanten sehr übelnahmen).

Als Letztes sei noch erwähnt, dass sich Kaiser Josef auch nicht davor scheute, in direkte, bewaffnete Opposition zum Papst zu gehen, was angesichts der langen, romtreuen Politik seiner Vorgänger überrascht. Als Josef nämlich zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges versuchte, seinen jüngeren Bruder Karl (den späteren Karl VI.) als König von Spanien zu etablieren, verweigerte Papst Clemens XI. dessen Anerkennung.

Clemens stand unter dem Druck der Franzosen, die ihn dazu gebracht hatten, ihren eigenen Thronkandidaten Philipp von Anjou zu unterstützen. Außerdem fürchtete der Papst eine Ausdehnung der Habsburgermacht in Italien, immerhin hatte der österreichische Feldmarschall Wirich Graf Daun (siehe Seite 135f.) bereits das zu Spanien gehörende Königreich Neapel besetzt, das direkt an den – damals noch großen – Kirchenstaat grenzte. Auch im Norden marschierten kaiserliche Truppen unter Prinz Eugen ins Herzogtum Parma ein (das der Heilige Stuhl als päpstliches Lehen betrachtete).

In sehr scharfem Ton wandte sich Papst Clemens nun an Kaiser Josef: »Höre auf, Sohn! und wende Dein gläubiges Gemüth wieder zur Ehrfurcht gegen die Kirche! Alsdann wollen auch Wir das erlittene Unrecht vergessen und Dich als unseren erstgebornen Sohn lieben. Solltest Du aber in so unbescheidenen Gesinnungen beharren, so wollen auch Wir die Gnade eines Vaters ablegen und Dich als einen aufrührerischen Sohn mit dem Kirchenbanne, ja selbst mit den Waffen, wenn es nöthig sein sollte, bestrafen.« Und weiter schrieb er: »Wir vertheidigen die Sache Christi und die Kirche. Christus selbst wird Kraft verleihen, damit Wir siegen, – und wenn Du Dich nicht schämst, die Kirche und Gott selbst zu befehden und von der alten österreichischen Frömmigkeit abzuweichen, – so wird eben dieser Gott, der Reiche ertheilt, auch Reiche zu Grunde richten.«

Doch Josef ließ sich keineswegs einschüchtern. Er wusste, dass die Zeiten, da sich ein Kaiser nach den Interessen des Papstes zu richten hatte, längst vorüber waren. Er gab seinem Feldmarschall Daun im Herbst 1708 den Befehl, mit seiner Armee in den Kirchenstaat einzumarschieren. Die päpstlichen Truppen mussten sich schnell zurückziehen und Papst Clemens, der eine Besatzung Roms durch die Österreicher befürchtete, lenkte ein und erkannte Josefs Bruder Karl als spanischen König an. Der letzte Krieg, den ein Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gegen den Papst geführt hatte, war vorbei.

Kaiser Josef zeigte in dieser – glimpflich verlaufenen – als »Comacchiokrieg« bezeichneten Auseinandersetzung großes Selbstbewusstsein, überhaupt war er von der dynastischen Sendung seiner Familie überzeugt. Die Jahre seiner Regentschaft stellten einen Höhepunkt österreichischer Großmachtpolitik dar – und habsburgischer Reichspolitik.

Dazu passend wollte er natürlich auch seine Wiener Residenz prachtvoll ausbauen lassen, denn »da er Kayser war, wollte er, daß Alles Kayserlich seyn sollte; hieher gehöret das große vorhaben, so er im bauen vorhatte«. Sein einstiger Architekturlehrer Johann Bernhard Fischer von Erlach wurde mit Entwürfen zu einer völligen Neugestaltung der Hofburg beauftragt, doch konnten diese nie verwirklicht werden, denn der Spanische Erbfolgekrieg verschlang so gut wie alle finanziellen Ressourcen (siehe Seite 106f.). Fischer von Erlach erhielt keinen einzigen Bauauftrag von Kaiser Josef.

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