Читать книгу Großer Herren Häuser - Georg Hamann - Страница 8

Von der Ritterburg zum Barockpalast – ein Überblick

Оглавление

Ihr ältester Teil stammt aus dem Hochmittelalter: Ottokar II. Přemysl – König von Böhmen und Herzog von Österreich – ließ in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts anstelle eines babenbergischen Vorgängerbaus eine Burg errichten (den späteren »Schweizertrakt«). Sie lag direkt an der alten Stadtmauer, diente also in erster Linie als militärischer Zweckbau: Türme sicherten ihre Ecken, ein Wassergraben mit Zugbrücke verwehrte feindlichen Zugriff.

Sehr behaglich dürfte es in ihren Räumen nicht gewesen sein und besonders imposant sah sie auch nicht aus. Im beginnenden 16. Jahrhundert schrieb ein französischer Wien-Besucher: »Dieser Palast ist so hässlich wie nur irgendeines der Häuser in der Rue de Lombards zu Paris. Ein Tor, aus Brettern wie zu einer Scheune; an demselben nur auf einer Seite ein kleines Pförtchen; ein Hofraum so enge, dass sich in ihm mit einer Kutsche ohne Schwanenhals gar nicht umkehren lässt.«

Erst Jahrzehnte später, als die Kunst der Renaissance endlich auch in Österreich Fuß fasste, wurde die Hofburg deutlich vergrößert und erhielt ein Aussehen, das um einiges repräsentativer war als bislang. Ab den 1550er-Jahren wurde anstelle eines alten Getreidespeichers zunächst die sogenannte »Stallburg« errichtet. Sie war ursprünglich für Erzherzog Maximilian (den späteren Kaiser Maximilian II.) als Residenz gedacht, doch noch ehe sie fertig war, starb dessen Vater Ferdinand I., womit Maximilian gleich dessen Räume in der alten Burg beziehen konnte. Der neu erbaute Trakt wurde nun als »Hofstallgebäude« und Wagenremise genutzt.

Ungefähr zur gleichen Zeit wurde auch das Eingangstor in die alte Burg (das heutige »Schweizertor«) von Pietro Ferrabosco in markanten Renaissanceformen neu gestaltet, und nach seinen Entwürfen errichtete man – direkt gegenüber, auf der anderen Seite des damaligen Turnierplatzes (des heutigen »Inneren Burghofs«) – einen weiteren neuen Trakt der Burg.

Bislang hatten dort mehrere Häuser gestanden, das größte war nach seinen einstigen Besitzern, den Grafen Cilli, benannt (der »Cillierhof«). Nachdem diese mächtige Familie im Mannesstamm ausgestorben war, fiel deren Besitz Mitte des 15. Jahrhunderts an Kaiser Friedrich III. Der Cillierhof wurde lange Zeit als Küche und Rüstkammer genutzt, jetzt, gut hundert Jahre später, riss man ihn ab.

An seiner Stelle entstand die (später sogenannte) »Amalienburg«, ein stattliches, vornehmes Renaissanceschloss, das ursprünglich für Kaiser Maximilians Sohn Rudolf als Residenz gedacht war. Als dieser jedoch 1576 zum neuen Kaiser aufrückte, hatten die Bauarbeiten gerade erst begonnen und Rudolf hielt sich ohnehin meist in Prag und nicht in Wien auf. Bald blieb er für immer am Hradschin, im neuen Gebäude der Hofburg wohnte er nie.

Die Bauarbeiten zogen sich lange hin, so wie auch jene an der Stallburg mehr Zeit als vorgesehen in Anspruch genommen hatten. Die Erklärung liegt nahe: Es fehlte an Geld. Das ausgehende 16. und beginnende 17. Jahrhundert war eine Phase erneuten Krieges, wieder einmal ging es gegen die Türken. Der Ausbau der Grenzfestungen in Ungarn hatte allerhöchste Priorität. Für die Hofburg blieb kaum noch Geld übrig, ja selbst für die dringend nötige Instandsetzung der Wiener Stadtmauern mangelte es am Nötigsten: Die requirierten Arbeitskräfte erschienen zwar zur Arbeit, da für sie aber weder Baumaterial noch Werkzeug zur Verfügung standen, mussten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Als die finanziellen Mittel endlich wieder gesichert waren, versickerten prompt große Summen durch Korruption und Unterschlagung. Betrügerische Handwerker zweigten so viel ab, dass sich der leitende Baumeister der Amalienburg, Hans Schneider, 1607 mit einer Beschwerde an den Hof Kaiser Rudolfs in Prag wandte – er hatte bloß das Pech, dass dessen Kammerdiener, selbst ein skrupelloser Betrüger, ihn nicht zum Kaiser vorließ. Erst um 1610 konnte das neue Gebäude fertiggestellt werden.

Abgesehen vom spärlich fließenden Geld wurde man bei der Hofburg in jenen Jahren auch sonst des Öfteren an den tobenden Krieg gegen das Osmanische Reich erinnert: Dutzende türkische Gefangene waren in den kalten, unterirdischen Gewölben untergebracht, manche sogar im Stadtgraben vor der Hofburg angekettet.

Auch wurde im Oktober 1601 auf dem alten Turnierplatz ein grausiges Spektakel inszeniert: Der kaiserliche Hauptmann Georg Paradeyser, ehemaliger Kommandant (des heute slowakischen) Kaschaus, war gemeinsam mit mehreren Kameraden zum Tode verurteilt worden, weil er die ihm anvertraute Festung »ohne Noth« an die Türken übergeben haben soll. Er wurde, so wie zwei andere Offiziere, enthauptet, ein Feldwebel gehängt, ebenso ein Oberwachtmeister, dem man wegen falscher Zeugenaussage zuvor auch noch die Zunge aus dem Mund geschnitten hatte.

Kaum waren die Kämpfe gegen die Türken vorüber, dämmerte auch schon der nächste Krieg herauf – der Dreißigjährige. Die Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Evangelischen fanden damals selbst direkt in der Hofburg statt. Im Juni 1619 drangen protestantische Adelige aus Niederösterreich in die Gemächer Kaiser Ferdinands II. vor, um ihre »Sturmpetition« zu stellen. Zu allem entschlossen wollten sie die schriftliche Bestätigung der einst gemachten Zusagen zur Religionsfreiheit erlangen. Es kam zu Handgreiflichkeiten, Kaiser Ferdinand soll – unter »Ferdl, unterschreib!«-Rufen – am Kragen gepackt worden sein. Erst die Ankunft kaisertreuer Kavallerie konnte die sich immer dramatischer aufschaukelnde Situation entschärfen. Das Kruzifix, das Ferdinand damals Trost gespendet, ja sogar zu ihm gesprochen haben soll, ist heute am Hochaltar der Burgkapelle zu sehen.

In Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg steht höchstwahrscheinlich auch jene unscheinbare lateinische Inschrift, die im Durchgang des Schweizertors zu finden ist.* Die ins Mauerwerk eingeritzten Buchstaben sind zwar nur wenige Zentimeter groß, aber dennoch gut zu entziffern: »Si deus pro nobis quis contra nos«, also: »Wenn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein (bestehen)?« Diese Worte stammen aus den Römerbriefen des Neuen Testaments und sind auf den ersten Blick nichts weiter als ein frommer Bibelspruch. Sie gewinnen allerdings an Brisanz, da sie ausgerechnet einen der Wahlsprüche des Schwedenkönigs Gustav II. Adolfs darstellten, der bekanntlich ab 1630 der Hauptgegner der katholischen Liga war! Auf den Standarten seiner gefürchteten Reiterei etwa waren diese Worte zu lesen.


Das Schweizertor bildete seit der Renaissancezeit den Eingang in die alte Burg. Hier eine Ansicht aus dem Jahr 1826 – die Schweizer Garde verrichtete damals schon längst nicht mehr ihren Dienst.

Bis heute lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, wer diesen Spruch des evangelischen Heerführers ausgerechnet an der Hofburg, im Herzen der katholischen Habsburgermacht, anbrachte. War es gar ein kaiserlicher Wachsoldat, der insgeheim mit dem Feind sympathisierte? Die daneben eingravierte Jahreszahl 1660 dürfte jedenfalls erst später hinzugefügt worden sein (ihre Ziffern sind etwas größer als die Buchstaben).

Bedingt durch die neuerlichen Kriegswirren wurde kaum an der weiteren Verschönerung und Erweiterung der Hofburg gearbeitet. Trotz der geschilderten Zubauten war sie weiterhin in erster Linie ein militärischer Zweckbau, eingegliedert in die Wiener Befestigungsanlagen. Im Jahr 1637 hieß es immer noch, sie sei »durchaus nicht glänzend oder von besonderem Ansehen, im Gegenteile, enge genug für einen solchen Fürsten und einen so erhabenen Hof«. Und kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges las man in der Topografie Merians, sie sei »nicht besonders prächtig erbaut und für einen solchen mächtigen und höchsten Potentaten ziemlich eng«.

Die Zeit des frühen Barock sorgte ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dann doch für einigen Glanz. Da war zunächst Erzherzog Leopold Wilhelm (jüngster Sohn Kaiser Ferdinands II.), der nach vielen Jahren als Statthalter der Spanischen Niederlande nach Wien zurückkehrte und eine schier märchenhafte Kunstsammlung mit sich brachte. In der Stallburg wurden die rund 1400 kostbaren Gemälde gemeinsam mit Hunderten Zeichnungen, Statuen und Büsten, wertvollen Möbeln und Tapisserien untergebracht – sie sollten später zum Grundstock der Bestände des Kunsthistorischen Museums werden.

Dem barocken Repräsentationsbedürfnis der Zeit entsprechend ging damals auch Leopold Wilhelms Neffe, der neue Kaiser Leopold I., daran, ein neues Wohngebäude errichten zu lassen. Anstelle der bislang bestehenden Stadtmauer wurde die alte Burg mit der gegenüberliegenden Amalienburg verbunden – der »Leopoldinische Trakt« schließt seither den Inneren Burghof an seiner westlichen Seite ab.

Präzise formuliert muss es allerdings heißen: der neue Leopoldinische Trakt, denn der ursprüngliche, 1667 fertiggestellte, brannte bereits wenige Monate später vollkommen ab. Ein betrunkener Tischler, der spätnachts noch in einer der im Erdgeschoß untergebrachten Werkstätten Leim sieden wollte, dürfte das Inferno ausgelöst haben.

Die Wachmannschaften wurden zwar rasch auf das Feuer aufmerksam, doch da man die hohen Herrschaften nicht in ihrem Schlaf stören wollte, verzichtete man darauf, die Signalglocken zu läuten und die Trompeten blasen zu lassen. Die Löscharbeiten wurden zunächst so leise und behutsam wie möglich durchgeführt, was letztlich zum verheerenden Großbrand führte. Die Stiefmutter Kaiser Leopolds, Eleonore von Mantua, konnte erst in letzter Minute aus den verqualmten, brennenden Gemächern in Sicherheit gebracht werden. Nachdem die Brandruine abgetragen war, baute man den Leopoldinischen Trakt ein zweites Mal auf, 1681 waren die Arbeiten abgeschlossen.

Bereits im Dezember 1666 hatte der Kaiser seine 15-jährige Nichte (aufgrund der engen Inzestverbindungen war sie gleichzeitig seine Cousine), die spanische Habsburgerin Margarita Teresa, geheiratet und das Fest zum Anlass genommen, ein barockes Spektakel zu veranstalten, wie es Wien bislang noch nicht gesehen hatte. Über anderthalb Jahre erstreckten sich die Festlichkeiten!


Der Innere Burghof im späten 17. Jahrhundert. Links, hinter der Mauer, das alte Paradeisgartl (heute Winterreitschule), dann die alte Burg mit den noch bestehenden Türmen, der Leopoldinische Trakt und rechts die Amalienburg

Im Inneren Burghof wurden Tribünen für über 1000 Personen errichtet, von denen aus man ein prächtiges »Rossballett« verfolgen konnte, dazu spielte Orchestermusik, Hunderte reich kostümierte Mitwirkende führten ein aufwendiges Theaterstück auf, in dem sogar große Prunkschiffe von Schimmeln über den Platz gezogen wurden. Kanonendonner und Feuerwerke durften natürlich nicht fehlen.

Auch hatte Kaiser Leopold, der bekanntlich nicht nur ein großer Musikfreund war, sondern auch selbst komponierte, einen großen Tanz- und Theatersaal am heutigen Josefsplatz errichten lassen (wo Maria Theresia später den Redoutentrakt bauen ließ) sowie ein dreistöckiges, hölzernes Opernhaus für nicht weniger als 5000 Zuschauer. Es stand auf der Kurtine der Stadtmauer (also auf der Verbindung zwischen Burgbastei und Augustinerbastei, heute im Bereich des Burggartens). Als glanzvoller Höhepunkt der Hochzeitsfeierlichkeiten – und zum Geburtstag der neuen Kaiserin – wurde dort am 12. Juli 1668 Antonio Cestis berühmte Festoper Il pomo d’oro mit sagenhaftem Aufwand uraufgeführt. Kaiser Leopold nahm jede Gelegenheit wahr, um seiner Opernleidenschaft fröhnen zu können, ob zu Geburtstagsfeiern, Hochzeiten oder Taufen: Unter seiner Herrschaft zählte man über 4000 Aufführungen.

Doch wurde die Zeit der glanzvollen Operninszenierungen schon bald unterbrochen. Im Frühjahr 1683 setzte sich ein gewaltiges osmanisches Heer in Bewegung, sein Ziel war die Eroberung Wiens. In aller Eile begann man, die Vorstädte zu schleifen, um dem Feind die Möglichkeit zu nehmen, sich dort zu verschanzen. Auch zahlreiche Gebäude an der Stadtmauer wurden abgetragen oder zumindest abgedeckt, befürchtete man doch, dass diese in Brand geschossen werden könnten. Auch das große hölzerne Opernhaus wurde abgerissen.

Tatsächlich wurde die Hofburg während der Türkenbelagerung arg in Mitleidenschaft gezogen, immerhin stellte sie das Herzstück der Befestigungsanlagen Wiens dar. Als nach der entscheidenden, siegreichen Entsatzschlacht am 12. September 1683 die Türken die Flucht antreten mussten, kehrte auch Kaiser Leopold in seine Hauptstadt zurück. Es hieß: »Ihre Kais. Maj. sahen nach ihrer Rückkehr ihre aigene herrliche Palatia sambt denen negst gelegenen Kirchen und Clöstern durch feindliches Canoniren dergestalt durchlöchert und durchbohrt, daß sie einem Gebau fast nicht mehr gleich waren.« Die Schäden wurden jedoch rasch behoben, und der Kaiser bezog mit seiner Familie wieder die Räumlichkeiten im Leopoldinischen Trakt.

Großer Herren Häuser

Подняться наверх