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Karl Mays letzter Auftritt in Wien

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Es ist kaum bekannt, daß Karl May, der Vater Winnetous und Old Shatterhands, an den Folgen einer Verkühlung starb, die er sich in Wien zugezogen hatte. Der 22. März 1912 war kalt und verregnet. Karl May hielt sich in Wien auf, um auf Einladung des Akademischen Verbandes für Literatur und Musik einen Vortrag mit dem eher besorgniserregenden Titel Empor ins Reich der Edelmenschen zu halten. Ort des Vortrags über die Helden seiner Bücher war der Sofiensaal in der Krugerstraße – nicht zu verwechseln mit den Sophiensälen im dritten Bezirk.

Unter den Zuhörern im übervollen Auditorium befanden sich zwei so unterschiedliche Persönlichkeiten wie die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner, die Karl May wegen seiner Schriften für den Weltfrieden schätzte. Und der arbeitslose Maler Adolf Hitler, dessen Lieblingsschriftsteller May war.

Die ersten literarischen Erfolge hatte der Autor einem Aufenthalt im Gefängnis zu verdanken. Der als Sohn eines Webers geborene Karl May war als Kleinkind erblindet und konnte erst als Fünfjähriger sehen. Als junger Volksschullehrer beschuldigte man ihn, die Uhr eines Kollegen gestohlen zu haben. Als ihm deswegen die Lehrbefugnis entzogen wurde, geriet er tatsächlich auf die schiefe Bahn, man suchte ihn per Steckbrief als Pferdedieb, Betrüger und Hochstapler. Als er geschnappt wurde, mußte Karl May für acht Jahre ins Zuchthaus.

Dort begann er seine Abenteuerromane über die Indianer Nordamerikas und die Bewohner des Vorderen Orients zu schreiben, ohne je in diesen Regionen gewesen zu sein. Nach seinem Gefängnisaufenthalt führte er, obwohl er mit seinen Büchern viel verdiente, ein eher kleinbürgerliches Leben und holte die Reisen an die Schauplätze seiner Werke nach, die er in der Jugend versäumt hatte.

In seinem letzten Lebensjahr kam er mehrmals nach Österreich, zuletzt zum Vortrag im Sofiensaal. Von hier reiste der Siebzigjährige heim nach Radebeul bei Dresden, wo er der Lungenentzündung erlag, die er sich aufgrund seiner Verkühlung in Wien zugezogen hatte. Seine letzten Worte waren »Großer Sieg! Ich sehe alles rosenrot!«

Bertha von Suttner, die ihn acht Tage davor noch in Wien erlebt hatte, schrieb in ihrem Nachruf: »Wer den schönen, alten Mann sprechen gehört, durch ganze zwei Stunden, weihevoll, begeisterungsvoll, der mußte das Gefühl haben: In dieser Seele lodert das Feuer der Güte.«

Es hat uns sehr gefreut

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