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»Jedenfalls ist er grad und aufrecht hineingangen« Kronprinz Rudolf und Loschek in der Anekdote

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Johann Loscheks Reisetagebuch ist zu entnehmen, dass sich Rudolf ihm und dem übrigen Personal gegenüber jovial, ja geradezu freundschaftlich verhalten haben dürfte. So beschreibt der Kammerdiener einen Spanien-Aufenthalt im Mai 1879, bei dem Erzherzog Rudolf vom Prinzen Leopold von Bayern, den Grafen Hans Wilczek und Joseph Hoyos, dem Zoologen Alfred Brehm und seinem Obersthofmeister Graf Bombelles begleitet wurde. Die kleine Gruppe kehrte abends in einem Speiselokal in dem Wallfahrtsort Montserrat nahe Barcelona ein. »Wir aßen alle auf einem Tische«, notiert Loschek, »und da ich noch mit dem Fuhrmann über die Fahrt verhandelte, blieb nichts mehr vom spanischen Menü übrig für mich. Ich glaubte, Rudolf hätte das gar nicht bemerkt, doch siehe da, Rudolf befahl dem Wirte, noch einmal frisch zu kochen, und Rudolf wartete geduldig, bis sein Loschek genug gegessen hatte. Jetzt erst befahl er, den Wagen zu besteigen.«

Dass ein Diener am Tisch des Thronfolgers essen durfte und dass er überhaupt als menschliches Wesen betrachtet wurde, war in der damaligen Zeit und in diesen Kreisen außergewöhnlich. Mit Personal wurde im Allgemeinen in sehr rüdem Ton umgegangen, oder es wurde überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Wenig überraschend, dass Loschek den Kronprinzen selbst nach den schrecklichen Ereignissen von Mayerling immer noch bewundert und verehrt hat.

Der zweite Lakai, mit dem sich Kronprinz Rudolf – sehr zum Unmut weiter Teile der Hofgesellschaft – anfreundete, war der Kutscher und Volkssänger Josef Bratfisch, den er bei einem Wienerliedabend auf Schloss Orth kennengelernt hatte. Laut eines zeitgenössischen Berichts im Illustrierten Wiener Extrablatt forderte der Kronprinz bei dieser Veranstaltung am 14. November 1887 Bratfisch auf, das von Gustav Pick komponierte Lied Das waß nur a Weana, a Weanerisches Blut zu singen. Der Fiaker kannte wohl die Melodie, nicht aber den Text, worauf der Kronprinz die erste Strophe des Liedes auf einen Zettel schrieb.

Was nun folgte, verschweigt das Extrablatt: Bratfisch, nur der damals üblichen Kurrentschrift mächtig, konnte Rudolfs Lateinbuchstaben nicht entziffern und rief diesem zu: »So a Schrift kann doch a anständiger Mensch net lesen!« Der Kronprinz lachte herzhaft über diesen Temperamentsausbruch, fiel dem 42 Jahre alten Kutscher um den Hals, trug ihm das vertrauliche Du an und ernannte ihn auf der Stelle zu seinem Leibfiaker.

Im Ischler Kurtheater traten alljährlich die großen Wiener Schauspieler – allen voran Katharina Schratt und Alexander Girardi – auf, weil sie ihre Sommerferien gerne mit einem Engagement verbanden, das ihnen den Urlaub finanzierte. Die Direktion der kleinen Bühne war sehr stolz auf ihre Stars, aber besonders auch darauf, hin und wieder das eine oder andere Mitglied des Kaiserhauses in einer der Vorstellungen begrüßen zu dürfen.

Als Kronprinz Rudolf eines Abends das Theater in Ischl betrat, fragte er sogleich den Logenschließer: »Ist Seine Majestät schon da?«

Der Angesprochene verbeugte sich umständlich und antwortete dann unter gröblichster Außerachtlassung jeglichen Hofzeremoniells: »Jawohl, der Herr Papa ist schon da!«

Empört über diese Respektlosigkeit, fragte der Kronprinz den Logenschließer: »Er ist wohl betrunken?«

Worauf dieser erwiderte: »Davon habe ich eigentlich nichts bemerkt. Jedenfalls ist er ganz schön grad und aufrecht hineingangen.«

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