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Der Suaheli-Dolmetsch, der kein Suaheli konnte Eine Erinnerung an Wiens »Schwarzmarktkönig«

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In der Akademiestraße, im Zentrum Wiens, gab es nach dem Zweiten Weltkrieg ein einzigartiges Lokal, das Künstlerclub hieß und die prominentesten Schauspieler, Sänger und Musiker der Stadt beherbergte. Curd Jürgens zählte mit seiner damaligen Frau Judith Holzmeister ebenso zu den Stammgästen wie Inge Konradi, Senta Wengraf, Marcel Prawy und der Opernstar Hans Hotter. Im Mittelpunkt des Künstlertreffs stand sein Besitzer Alex Petko, dessen »Nebenjob« einer der Hauptgründe war, dass die berühmten Gäste immer wieder kamen: Herr Petko war Wiens »Schwarzmarktkönig« und verfügte daher über Köstlichkeiten, die man nach dem Krieg in anderen Lokalen nicht bekam. Whisky, Wein und Bier flossen in Strömen, und es gab Käse, Schinken und Salami. Zu den Gästen des Künstlerclubs zählte auch Susi Nicoletti, die mir einmal die skurrile Überlebensgeschichte des »Schwarzmarktkönigs« Alex Petko erzählte.

Petko war 1942 als junger Mann an die Front einberufen worden, und er wusste, was das zu bedeuten hatte: Überlebenschance eher unwahrscheinlich! Als er die Kaserne betrat, in der er sich zur Musterung einfinden sollte, sah er ein Hinweisschild mit der Aufschrift: »Dolmetscher melden sich Zimmer 14b.«

Er betrat den angegebenen Raum und erfuhr, dass mehrere Übersetzer für Englisch, Französisch und Russisch gesucht würden. Und einer für Suaheli – für jene besonders schwer zu erlernende Mundart aus der Gruppe der Bantusprachen also, mit der sich die Eingeborenen Kenias und Tansanias verständigen. Unnötig zu erwähnen, dass Alex Petko von dieser Sprache kaum je gehört, geschweige denn auch nur ein Wort beherrscht hätte. Doch die Angst vor der Front war größer als die vor der Prüfungskommission.

Der Beamte auf Zimmer 14b schickte Herrn Petko zu Wiens einzigem Suaheli-Experten, einem Universitätsprofessor, zwecks Überprüfung seiner Suaheli-Kenntnisse. Petko begab sich dorthin und erkannte innerhalb kürzester Zeit, dass der Prüfer von der ostafrikanischen Küstensprache ebenso wenig Ahnung hatte wie er selbst. Der Professor war aus demselben Grund auf seinen Posten gekommen, wie Herr Petko es nun vorhatte. Und der Professor fühlte sich dort so sicher, weil er nie im Leben gedacht hätte, dass irgendjemand in diesen Breiten des Suahelischen mächtig wäre.

Eine Hand wusch die andere – die beiden Herren haben einander selbstverständlich gegenseitig nicht verraten. Und so wurde Alex Petko der erste Suaheli-Dolmetsch der Welt, der kein Wort Suaheli konnte.

Er überlebte auf diese Weise den Krieg und eröffnete, als dieser endlich vorbei war, den Künstlerclub in der Akademiestraße. Susi Nicoletti erinnerte sich des Lokals auch deshalb besonders gerne, weil sie hier ihren späteren Mann Ernst Haeusserman kennengelernt hatte. Und eines Tages erzählte ihr Herr Petko seine Lebensgeschichte und somit auch von seiner lebensrettenden Karriere als Suaheli-Dolmetsch.

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