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a) Auskunftspflichten des Schuldners

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Die Insolvenzordnung sieht in verschiedenen Verfahrensabschnitten Auskunftspflichten des Schuldners vor, die gegenüber unterschiedlichen Auskunftsberechtigten bestehen. Im Eröffnungsverfahren besteht die Auskunftspflicht gem. § 20 Abs. 1 S. 1 InsO gegenüber dem Insolvenzgericht und gem. § 22 Abs. 3 S. 3 InsO gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter. In beiden Fällen gilt § 97 InsO entsprechend. Im eröffneten Verfahren ist der Schuldner gem. § 97 InsO verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss[93] und auf Anordnung des Gerichts auch der Gläubigerversammlung[94] über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben (§ 97 Abs. 1 S. 1 AO).[95] Dabei hat der Schuldner auch Tatsachen zu offenbaren, die dazu geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen (§ 97 Abs. 1 S. 2 AO).[96] Diese Verpflichtung trifft den Schuldner direkt und unmittelbar, wobei nicht nur der Schuldner persönlich verpflichtet wird, sondern über § 101 Abs. 1 S. 1 InsO auch vorhandene Mitglieder eines Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter. Dass auch bis zu zwei Jahre vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus einer der vorgenannten Positionen ausgeschiedene Personen erfasst werden (§ 101 Abs. 1 S. 2 InsO), dient der Verhinderung eines ansonsten durch Amtsniederlegung möglichen Missbrauchs. Eine überflüssige Belastung ehemaliger organschaftlicher Mitglieder soll jedoch verhindert werden.[97] Zu beachten ist außerdem, dass nach der wohl herrschenden Meinung auch einen faktischen Geschäftsführer die Pflichten nach § 97 InsO treffen können.[98]

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Der Schuldner hat die Auskunft persönlich und mündlich zu erteilen, wenn ihm nicht im Einzelfall eine schriftliche Erstattung genehmigt wurde.[99] Ein Recht auf schriftliche Auskunftserteilung oder Erteilung über einen Rechtsanwalt besteht nicht. Zumutbarkeitserwägungen bleiben grds. unberücksichtigt. Gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 InsO sind Gegenstand der Auskunft alle das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse, wobei dieser Begriff weit auszulegen ist und sämtliche Vorgänge erfasst, die in irgendeinem Bezug zum Insolvenzverfahren stehen.[100] Dies können auch vorbereitende Arbeiten sein, soweit sie für eine sachdienliche Information des Verwalters notwendig sind. Hingegen fallen persönliche Tatsachen, die weder in einem Bezug zum Insolvenzverfahren noch zur sonstigen vermögensrechtlichen Situation des Schuldners stehen, nicht unter die Auskunftspflicht.[101] Erfasst werden vielmehr das primär in die Insolvenzmasse fallende Vermögen des Schuldners i. S. v. § 35 InsO, Forderungen gegenüber Dritten, Aus- und Absonderungsrechte sowie solche Umstände, die eine Insolvenzanfechtung gem. der §§ 129 ff. InsO begründen können.[102]

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Die Auskunftspflicht erschöpft sich nicht in Sachverhalten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern erstreckt sich auch auf Umstände, die erst nach Verfahrenseröffnung eingetreten sind. Selbst im Falle der Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen durch die Staatsanwaltschaft ist der Schuldner weiterhin verpflichtet, im Rahmen seiner präsenten Kenntnisse Auskunft zu erteilen, und kann sich nicht mittels eines Verweises an die Staatsanwaltschaft seiner insolvenzrechtlichen Pflichten entziehen.[103]

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Eine Konkretisierung des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes der Selbstbezichtigungsfreiheit[104] und des strafprozessualen Auskunftsverweigerungsrechts bezüglich naher Angehöriger findet sich in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO.[105] Danach darf eine in Erfüllung der Pflicht aus § 97 Abs. 1 S. 1 InsO getroffene Auskunft in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Schuldner selbst oder eine im Sinne von § 52 StPO schutzwürdige Person nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.[106] Darunter fallen aus Sicht des Schuldners seine Verlobte oder eine Person, der die Eingehung einer Lebenspartnerschaft versprochen hat, sein (geschiedener) Ehegatte, sein Lebenspartner (auch nach Auflösung der Partnerschaft) sowie schließlich eine (zumindest früher einmal) in gerader Linie mit ihm verwandte[107] oder verschwägerte[108], in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandte oder bis zum zweiten Grad verschwägerte Person. Teleologisch betrachtet dürfen auch solche Tatsachen nicht verwertet werden, zu denen die Auskunft den Weg gewiesen hat, es sei denn, die Tatsachen waren der Strafverfolgungsbehörde bereits bekannt.[109] Eine Auskunft des Schuldners darf ohne dessen Zustimmung auch nicht als Ermittlungsansatz dienen.

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Angesichts der nunmehr normierten Fernwirkung des Insolvenzgeheimnisses bekommt die Frage nach dessen inhaltlicher Reichweite im Einzelnen erhebliche Bedeutung. Insbesondere stellt sich die Frage, in welchen Fällen eine „Auskunft des Schuldners“ vorliegt. Dieser Begriff bezieht sich sowohl auf Angaben des Schuldners im Insolvenzverfahren als auch auf Angaben im Insolvenzeröffnungsverfahren nach §§ 20, 22 Abs. 3 InsO, da letztere Vorschriften auf §§ 97, 98 InsO Bezug nehmen. Nicht geschützt sind allerdings Angaben des Insolvenzverwalters, der Gläubiger, der Sachverständigen und sonstiger Dritter im Insolvenzverfahren oder auch außerhalb dieses Verfahrens, soweit sie nicht auf Auskünften des Schuldners beruhen. Tatsachen, die der Insolvenzverwalter selbst festgestellt hat, unterliegen deshalb nicht § 97 InsO. Bei Berichten des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren oder gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ist danach zu differenzieren, ob darin geschützte Angaben des Schuldners, die dieser im Insolvenzverfahren gemacht hat, mitgeteilt werden. Angaben des Schuldners außerhalb des Insolvenz- bzw. Insolvenzeröffnungsverfahrens, insbesondere solche gegenüber Gläubigern direkt, sowie Wiedergaben des Insolvenzverwalters über Schuldnerangaben vom Hörensagen sind nicht geschützt.[110]

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Besonderheiten ergeben sich, wenn ein Rechtsanwalt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Mandat des späteren Insolvenzschuldners übernommen hat. Zunächst besteht kein Anspruch auf Auskunft gegenüber einem mit der Vertretung des Schuldners oder seiner organschaftlichen Vertretung betrauten Rechtsbeistand.[111] Zwar kann der Rechtsanwalt im Innenverhältnis zur Auskunft über den Schuldner verpflichtet sein, im Außenverhältnis zu den Auskunftsberechtigten ist jedoch stets der Schuldner persönlich verpflichtet. Davon sind im Einzelfall die insolvenzrechtliche Auskunftspflicht des Rechtsanwalts sowie seine Verpflichtung auf Grund des Anwaltsvertrags zu unterscheiden. Auch wenn das Mandatsverhältnis gem. den §§ 116 S. 1, 115 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet wird, fallen die daraus entstandenen Ansprüche des Schuldners künftig in die Insolvenzmasse und damit in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Gemäß § 675 BGB finden die §§ 666, 667 BGB auf den Anwaltsdienstvertrag Anwendung, so dass der Rechtsanwalt die Handakten, den Schriftverkehr sowie sonstige Unterlagen aus dem Mandat des Schuldners an den Insolvenzverwalter herausgeben muss. Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht des Rechtsanwalts besteht selbst dann, wenn der eigentliche Herausgabeanspruch des Mandanten gem. § 667 BGB i. V. m. § 50 Abs. 3 S. 2 BRAO durch Erfüllung bereits erloschen ist. Eine Möglichkeit des Rechtsanwalts, sich auf seine Schweigepflicht zu berufen, kann nicht bejaht werden, da das Interesse des Insolvenzverwalters an einer optimalen Verwertung der Masse gem. § 97 Abs. 1 InsO das Geheimhaltungsinteresse des Schuldners überwiegt. Etwas anderes gilt für die Schweigepflicht des Notars, welche gem. § 18 Abs. 1 S. 2 1. Hs. BNotO erst entfällt, wenn alle Beteiligten den Notar seiner Schweigepflicht entheben.[112] Der Liquidator einer in der Abwicklung befindlichen Gesellschaft ist dagegen vollumfänglich auskunftspflichtig.

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Die Erteilung einer falschen Auskunft kann eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit sich bringen. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit[113] Bestandteile seines Vermögens, die im Insolvenzfall mit Eröffnung des Verfahrens zur Insolvenzmasse im Sinne von § 35 InsO gehören würden, verheimlicht.[114] Erfasst wird jedes Verhalten, das einen Bestandteil der Insolvenzmasse der Kenntnis des Insolvenzverwalters oder der Gläubiger entzieht.[115] Dies kann unabhängig von etwaigen (erfolgreichen) Nachforschungen durch den Insolvenzverwalter sowohl durch positive Erteilung falscher Auskünfte als auch durch pflichtwidriges Unterlassen verwirklicht werden.[116] Ein Verheimlichen kann etwa in unrichtigen Angaben liegen, die einen geringeren Vermögensbestand als den tatsächlichen vortäuschen sollen. Bloßes Verschweigen reicht bereits dann aus, wenn eine entsprechende Aufklärungspflicht[117] besteht.[118] Die Schutzwirkung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO bezieht sich jedoch nicht auf die dem Schuldner gem. § 97 Abs. 2 InsO auferlegten aktiven Mitwirkungspflichten.

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