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Maria Fels las den ersten Bericht der Pathologie. Nachdem der Gesundheitszustand des Toten aus Polen keinen Anlass dazu gab, ein zu frühes natürliches Ableben anzunehmen, war von Fremdeinwirkung auszugehen. Jedoch waren alle gemeinhin bekannten Arten von Fremdeinwirkung auszuschließen. Es gab überhaupt keine Spuren, die auf eine Wirkung von außen schließen lassen würden. Damit kam Fels zu der Schlussfolgerung, dass es sich hier um eine Tötung handeln musste, die entweder durch ein flüchtiges Gift, einen plötzlichen extremen Schock oder eine spezielle Kampfsportart ausgelöst worden war. Details könnten erst nach einer weiteren aufwändigen Untersuchung herausgefunden werden. Auf jeden Fall musste von einer Fremdeinwirkung ausgegangen werden.

Kokishin. Unter diesem Stichwort fand Fels Hinweise auf Kampfsportarten, die so gefährlich sind, dass sie tödlich sein können und keine Spuren hinterlassen. Auf dem Gelände wurden ja zwei Personen gesehen. Die zweite Person könnte ja diejenige gewesen sein, die dem Mitarbeiter der polnischen Bank das Leben genommen hatte. Was für ein Motiv steckte dahinter? Ich werde das nicht ohne weiteres herausfinden. Also werde ich diesen Herrn Kuczynski ansprechen müssen. Vielleicht bringt das Licht in den Hintergrund.

Die Suche nach Herrn Kuczynski war deswegen nicht besonders schwierig, weil die polnische Bank die dazu notwendigen Informationen ohne Verzug bereitstellte. Fels rief Kuczynski an. Er war sehr freundlich und erklärte sich ohne Umschweife bereit, zu helfen. Er bat nur darum, das notwendige Treffen zunächst nicht in die Firma Steig zu legen.

Man verabredete sich zu einer Zusammenkunft in einem Lokal in der Nähe des Hauptbahnhofs Hannover. Kuczynski war pünktlich. Fels sollte ihn an der mitgebrachten Broschüre der Steig AG erkennen. Er stand auf und begrüßte sie. Fels empfand seinen Händedruck als ehrlich. Sie warf einen Blick auf die auf dem Tisch liegende Broschüre und nahm am Tisch gegenüber Kuczynski Platz.

„Herr Kuczynski, ich will gleich zu dem Grund unserer Verabredung kommen. Ihren Namen und den der Firma haben wir erhalten, weil wir einen Bankvertreter einer polnischen Bank gefunden haben, der einen Hinweis auf Ihre Person bei sich trug.“

„Darf ich Sie auf ein Getränk einladen?“

„Danke, ja das ist sehr freundlich. Können Sie zu dieser Sache etwas sagen?“

„Wenn es sich um die Beteiligung an der Steig AG handelt, kann ich das. Es ist ein paar Wochen her, dass ich mit der polnischen Bank Verbindung aufgenommen habe. Unsere Firma, also die Steig AG, hat eine erfolgreiche Entwicklung vor sich. Das hat mit aktuellen bis jetzt weltweit einmaligen Innovationen zu tun. Darüber darf ich aber nichts sagen.“

„Das müssen Sie auch gar nicht. Wir müssen nur einer Spur nachgehen. Die Belange des Konzerns sind für uns in diesem Fall zunächst nicht wichtig.“

„Das ist gut. Ich kann Ihnen den Kontakt zur Bank erklären. Der erwartete Erfolg der AG erfordert Investitionen. Daran wollte ich mich beteiligen, um Aktionär der eigenen Firma zu werden. Ich glaube an die positive Entwicklung und die Fachleute bei der polnischen Bank haben diese Einschätzung anhand der von mir zu Verfügung gestellten Unterlagen geprüft und positiv beurteilt. Ich arbeite gerne in der Firma und wollte so einen Beitrag zu der weiteren Entwicklung leisten. Der Vertreter der Bank wollte in diesen Tagen eigentlich hierher kommen. Ich habe bis jetzt täglich auf seinen Anruf gewartet.“

Während der Erklärung von Kuczynski wurde Kaffee serviert.

„Kennen Sie den Vertreter der Bank?“

„Ja, selbstverständlich. Er hat schließlich meine Unterlagen für die Bank aufbereitet. Sein Name ist Rybinski.“

„Rybinski. Er wird nicht kommen.“

„Wie, er wird nicht kommen? Was bedeutet es, wenn Sie sagen, dass Sie ihn gefunden haben? Ist er krank oder verletzt? Und wieso die Polizei? Was ist passiert?“

„Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass er ermordet worden ist.“

Kuczynski schwieg. Sein Blick sank. Die Schultern schienen plötzlich schmaler zu sein, als wenn eine Hoffnung aus seinem Körper gewichen wäre. Er atmete tief durch und gab sich einen inneren Ruck, um seinen Körper wieder aufzurichten. Die Augen suchten den Blick seines Gegenübers.

„Es war alles klar. Ich wäre… Aber es sollte wohl nicht sein.“

„Es liegt überhaupt nicht an Ihnen. Wir suchen nur einen Mörder. Die Bank steht immer noch zu der Finanzierungszusage. Jemand will das augenscheinlich verhindern. Können Sie sich erklären, warum man möglicherweise einen Kapitalzufluss zur AG verhindern will?“

Kuczynski erwachte wie aus einem bösen Traum.

„Wir haben natürlich starke Konkurrenz, aber die kann es in diesem Falle nicht sein, da ich meine geplante Finanzierung zunächst ganz privat vorbereitet habe.“

„Wer könnte von Ihrem privaten Plan gewusst haben? Denken Sie etwa, dass hier jemand gegen die Entwicklung der Firma operiert?“

„Von meinem Plan konnte niemand etwas wissen. Ich musste ja erst prüfen lassen, ob die Bank überhaupt mitmacht. Diese Prüfung hat ja Herr Rybinski vorbereitet und begleitet. Die weitere Entwicklung der AG steht unter einem guten Stern. Es gibt enorm gute Innovationen. Deren Vermarktung erfordert Investitionen. Das wurde im Führungsteam besprochen. Leitende Mitarbeiter wurden eingeladen, sich zu beteiligen, um die Kapitalausstattung zu verbessern. Das war eine ganz interne und abgeschirmte Zusammenkunft der Führungsebene.“

„Gibt es dazu ein Protokoll oder eine Absichtserklärung?“

„Aus Tradition ist bei solchen Treffen immer die rechte Hand des Vorstandvorsitzenden anwesend. Sie führt auch die geheimen Akten des Chefs.“

Fels notierte sich den Namen. K. Essig.

„Sie können ja selbst kein Interesse gegen sich selbst richten, Herr Kuczynski. Würden Sie mir helfen, diesen Mord, der in irgendeinem Zusammenhang mit Ihnen, und der Firma steht, aufklären zu helfen?“

„Das ist doch selbstverständlich!“

„Dazu muss ich Ihnen noch ein paar Fragen zu Ihrem beruflichen Umfeld stellen. Zunächst noch eine Routinefrage: Haben Sie Feinde oder Menschen, die Sie bedrohen können?“

„Ich lebe sehr zurückgezogen und bin für die Firma da. Ich kenne niemanden, der mich bedrohen könnte.“

Die Unterhaltung dauerte noch eine Weile. Fels notierte Daten über eine interessante zukunftsorientierte Industrie. Aus den Schilderungen ihres Gesprächpartners wurde deutlich, dass es möglicherweise für die Tat in Alfeld einen Hintergrund geben könnte, der weit über die Grenzen Deutschlands hinausgehen würde. Die Erwähnungen von chinesischen Aktivitäten und Schürfgebieten im Zusammenhang mit einem weltweiten Kampf um Seltene Erden regten nicht nur ihre Phantasie an, sondern bereiteten Gedanken vor, zusätzliche Stellen im Polizeiapparat in die Bearbeitung dieses merkwürdigen Mordfalles einzubeziehen. Hatte der Mord möglicherweise mit dem Kampf um diese Seltenen Erden zu tun? Es gibt nur dieses rote Auto, auch nur wahrscheinlich ein Panda. Keine Zulassungsnummer, keine sonstigen Hinweise.

Fels prüfte die erhaltenen Angaben. Beim Studium der Personaldaten von Frau Essig stellte sie fest, dass sie verheiratet und seit einigen Jahren geschieden war. Ihren jetzigen Namen hatte sie nicht immer. Während er Ehe hatte sie einen anderen Nachnamen, der auf eine Beziehung mit einem osteuropäischen Partner rückschließen ließ. Ihr Mädchenname war Uksusowa. Fels vermutete: Dieser Name kommt bestimmt aus einem Land der ehemaligen UdSSR. Essig ist schon seit über fünfzehn Jahren Assistentin von Steig, praktisch seit der Gründung. Sie kennt den Konzern mit Sicherheit sehr gut. Da muss ich jetzt nicht direkt tätig werden. Schließlich habe ich einen Mord in Alfeld aufzuklären. Krysztof Rybinski ist ja auch ein Name aus dem Osten. Da werde ich in Braunschweig Erkundigungen einholen. Stanislaw Kuszynski habe ich ja bereits kennengelernt. Dennoch werde ich sein Führungszeugnis anfordern.

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