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Harry Steig hatte sich entschlossen, Holz zu hacken. Das tat er immer, wenn er ein Problem zu lösen hatte. Das Problem trug einen Namen: Josephine Li Mei. Es war gerade ein paar Stunden alt. Josephine, Harry duzte sie seit einiger Zeit. Sie war Repräsentantin einer international tätigen Handelsgesellschaft in Konzerngröße, die insbesondere mit hochwertigen Rohstoffen, Edelmetallen und Seltenen Erden handelte. Seine Firma kaufte seit Jahren bei diesem Konzern ein. Josephine hatte ihn am Vormittag besucht und mitgeteilt, dass die Lieferkonditionen für Seltene Erden sich ändern würden, die Preise also erhöht würden.

Harry erinnerte sich. Er kannte sie seit einigen Jahren. Die von ihr genannten Einkaufskonditionen waren über lange Zeit ziemlich konstant und akzeptabel. Er hatte Li Mei vom ersten Moment an in sehr angenehmer Erinnerung. Spontan hatte er sie wenig später bei einem ihrer dienstlichen Besuche zu einem gemeinsamen Abendessen eingeladen. Sie hatten dann des Öfteren im Kastens Hotel Luisenhof gemeinsam übernachtet. Harry hatte sich erlaubt, dort das Turmzimmer für gemeinsame Nächte zu buchen. Er hatte den Eindruck, dass Josephine diese Tage und Nächte immer über die Maßen genoss. Er sah darin zwar keine Garantie für die Stabilität der Konditionen, hoffte es aber insgeheim. Es war eine Verquickung von Geschäft und Gefühl. Nun hatte sie ihm quasi gekündigt. Sie gab vor, keine Chancen mehr zu haben, die Konditionen zu halten. Eine Konzernanweisung. Das war ihre einzige Erklärung.

Harry war zwiefach enttäuscht. Er überlegte, ob er das Turmzimmer für den heutigen Tag stornieren sollte. Oder sollte er es nicht tun? Souverän sein? Was würde Josephine denken und fühlen? Sie würde doch denken, dass er nur wegen seiner Firma und der Einkaufskonditionen mit ihr zusammen gewesen war. Das könnte sogar noch Folgen haben für die nächsten Vertragsverhandlungen. Zudem hatte er ihr viele Firmeninterna erzählt. Sie war unter anderem im Besitz eines vollständigen Organigramms. So kannte sie alle wichtigen Mitarbeiter. Er musste das Problem lösen. Das konnte er am besten beim Hacken von Holz.

Er liebte dieses Spaltgeräusch und den danach kurz aufsteigenden Duft des Holzes, welcher ziemlich schnell verflog.

Er konnte nicht an der Tatsache vorbei denken, dass die Erhöhung der Einkaufspreise einen erheblichen Einfluss auf die Situation seiner Firma haben würde. Die Messtechnik Harry Steig AG, deren Vorstandsvorsitzender und Hauptanteilseigner er seit Jahren war.

Ein dicker alter Baumstumpf diente ihm als Hackklotz. Die zu dicken Aststücke wurden sorgfältig in die Mitte des Hackklotzes gesetzt. Dann schwang er konzentriert die Axt. Die Holzscheite krachten unter seinen kräftigen Axtbewegungen und flogen auseinander. Der Duft des frisch gespaltenen Holzes mischte sich mit seinem Schweiß. Männersache. Er roch das gerne. Nein, er würde sich nicht aus Versehen in ein eigenes Bein hacken, um die Problemlösung zu verschieben. Er würde die Situation meistern.

Er hatte sich zwei Optionen für die Zukunft seiner Firma gesichert. Einmal die Verbindung zu Professor Dr. Stiller, ein hervorragender Forscher auf dem Gebiet der Seltenen Erden. Er würde am nächsten Tag einen wegweisenden Vortrag über die Zukunft der Firma halten. Und darüber hinaus eine Vereinbarung mit McCartinson über die Beteiligung an einer neuen Quelle für Seltene Erden. Und diese Seltenen Erden sind ein Schlüsselelement für die geplante Entwicklung seiner Firma. Er wäre dann weniger oder gar nicht mehr von dem Handelskonzern abhängig.

Josephine, dachte er, und ein weiterer Axthieb gab ihm ein Gefühl von Souveränität. Er hatte sich entschieden. Er würde Josephine wie immer am Abend begleiten. Er schichtete die Scheite auf, duschte sich und teilte seiner Frau mit, dass er am Abend noch eine dienstliche Besprechung haben würde.

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