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Fels hatte mit Steig einen Termin vereinbart, ohne am Telefon den konkreten Grund für das gewünschte Gespräch genannt zu haben. Essig ließ die Besucherin mit kritischem Blick ein und schloss auf Bitten Steigs die Verbindungstür zu ihrem Büro.

„Vielen Dank, Herr Steig, dass Sie mir die Gelegenheit geben, ein vertrauliches Gespräch mit Ihnen zu führen. Hier sehen Sie bitte meinen Ausweis, und hier haben Sie meine Visitenkarte.“

„Frau Fels, oder muss ich Sie mit Frau Hauptkommissarin anreden?“

„Um Gottes Willen, nein. Ich möchte eigentlich nicht als Beamtin der Polizei erkannt werden. Meine Mission ist etwas ungewöhnlich.“

„Bitte nehmen Sie doch Platz. Im Sitzen redet es sich doch leichter.“

Essig brachte unaufgefordert Kaffee, Wasser und ein wenig Gebäck. Steig hatte die Visitenkarte vor ihrem Eintreten an sich genommen und in seine Jackentasche gesteckt. Er übernahm die Aufgabe, die üblicherweise von Essig wahrgenommen wurde. Er schenkte Kaffee ein und bot Milch, Zucker und Gebäck an.

Fels schaute zur Verbindungstür zum Sekretariat und wartete bis diese geschlossen wurde.

„Darf ich davon ausgehen, dass Ihr Büro abhörsicher ist?“

Steig nickte.

„Vielen Dank für Ihre Zeit und den Kaffee. Ich möchte sofort zu dem Anliegen kommen. Südlich von Hannover ist vor kurzer Zeit ein Mann ermordet aufgefunden worden. Die Presse hat schon darüber berichtet. Es handelt sich bei dem Opfer um einen freien Mitarbeiter einer großen polnischen Bank. Er hatte keine Informationen bei sich, bis auf eine Visitenkarte mit dem Hinweis auf diese polnische Bank. Das war für uns zunächst der einzige Hinweis. Nach Rücksprache mit der polnischen Bank wurde uns bestätigt, dass es eine geschäftliche Anbahnung mit einem Investor geben sollte. Eine Verbindung zu ihrem Betriebsleiter Herrn Kuczynski. Er hatte sich bemüht, Kapital zu beschaffen, um bei der bevorstehenden Investition in Ihrer AG mitzumachen. Also, kurzum, er wollte sich an der weiteren Entwicklung der AG durch Erwerb von Anteilen engagieren. Das hört sich nach einer Kapitalerhöhung an. Könnte sich das mit Ihren Absichten und Plänen decken?“

Fels nannte den Namen des Beraters der polnischen Bank nicht.

„Für unsere Zukunftsplanung sind Investitionen vorgesehen. Das ist wahr. Es ist auch richtig, dass ich die Leitenden Angestellten dazu eingeladen habe, sich an dieser Entwicklung zu beteiligen, indem sie im Zuge einer geplanten Kapitalerhöhung Anteile erwerben können. Dass hier eine polnische Bank ins Spiel gekommen ist, ist ja angesichts der Entwicklung der EU nichts Besonderes. Dem stimmen Sie doch zu, Frau Fels?“

„Das ist völlig in Ordnung. Für mich stellte sich nun die Frage, wer daran Interesse haben könnte, eine geplante finanzielle Beteiligung eines Ihrer Manager oder auch möglicherweise anderer denkbarer Investoren zunichte machen oder gar verhindern zu wollen. Können Sie mir bitte die Lage Ihres Unternehmens im Umfeld der Wettbewerbssituation schildern. Ich würde mir gerne ein Bild darüber machen.“

Steig überlegte kurz, ob er Geheimnisse weitergeben müsse, wenn er die Lage des Konzerns detailliert schildern würde. So konzentrierte er sich darauf, die Problematik der Versorgung mit Seltenen Erden in den Vordergrund zu stellen. Fels erfuhr so von der aufkommenden Abhängigkeit der vergleichbaren Industrie von einer fast monopolartigen Versorgung mit Seltenen Erden. Die Steig AG befand sich in einem globalen Wettstreit um die Verfügbarkeit von Seltenen Erden. Sie nahm die Entschlossenheit ihres Gesprächspartners auf, als er erwähnte, dass er bestrebt sei, an den wenigen noch verbleibenden Ressourcen direkt Anteil haben zu wollen. Er erläuterte seine Motive:

„Sonst können wir nicht vernünftig auf den Märkten arbeiten. Dies besonders deswegen nicht, weil wir durch unsere Innovation nicht nur neue sehr konkurrenzfähige Produkte haben, sondern auch noch auf den amerikanischen Markt expandieren wollen und können.“

„Global Player. Monopolistische Versorgung mit Seltenen Erden. Eigene Versorgungswege in Vorbereitung.“

Fels murmelte diese Worte vor sich hin, als sie ihre Notizen über den bisherigen Verlauf des Gesprächs machte und schaute dann von ihrem Notizblock auf.

„Wenn ich das richtig verstehe, Herr Steig, dann könnten Sie mit dem Bestreben der Selbstversorgung die Interessen anderer stören. Wissen Sie, welche Gruppen oder Unternehmen das sein könnten oder haben Sie vielleicht sogar schon einen Verdacht, wenn Ihr Vorhaben überhaupt bekannt sein sollte.“

Steig lächelte.

„Neben den üblichen Verdächtigen, nämlich den direkten Wettbewerbern, kommen vielleicht diejenigen Infrage, die mit der Versorgung zu tun haben. Aber die können nicht wissen, was ich vorhabe. Davon weiß, so bin ich überzeugt, keiner. Das habe ich quasi privat eingeleitet. Zum Wohle der Firma.“

„Gibt es über Ihre Absicht Aufzeichnungen? Und wenn, haben Sie die selbst erstellt.“

Steig schilderte sein uneingeschränktes Vertrauen zu seiner rechten Hand, Frau Essig. Fels fand den Namen in ihrer Liste wieder.

„Ich werde Frau Essig nicht diesbezüglich ansprechen. Prinzipiell kann man nicht ausschließen, dass es einen Angriff auf Sie oder Ihren Konzern geben könnte. Ich habe eine Bitte an Sie: Können Sie in Ihrem Führungskader jemanden damit beauftragen, sich um diese Problematik zu kümmern, also alles, was verdächtig erscheint. Wir würden diesen Mitarbeiter mit Abstand begleiten, um ihm gegebenenfalls zur Seite zu stehen. Von unserer Vereinbarung sollte er aber nichts wissen.“

„Ich glaube, dass es Neider gibt, Neider, die auch zur Tat schreiten. Ich habe keine konkrete Vorstellung, wer das sein könnte, aber ich bin vorsichtig und möchte die Entwicklung des Konzerns nicht gefährden. Wie stellen Sie sich das vor, wenn ich Ihnen einen Namen nenne?“

„Lieber Herr Steig, Neid und Neider gibt es immer, auch dort, wo man sie nicht vermutet – unsere Erfahrung. Das nur als Randbemerkung. Wir werden Ihren Vertrauten einfach begleiten und zwar so, dass er es nicht merkt. Dafür sind wir ja ausgebildet. Zudem verfügen wir über technische Mittel, die eine solche Aufgabenstellung sehr erleichtern. Wenn Sie mir vertrauen?“

Steig vertraute. Der Name war Jens, Dieter Jens. Fels versenkte ihre Notizen in der Handtasche.

Im ihrem Büro fand Fels Nachrichten von ihren Kollegen aus Braunschweig vor. Der Bericht über Krysztof Rybinski war umfangreicher als sie erwartet hatte. Sie studierte die Unterlagen. Dieser Mann hat ja eine lebhafte Vita. Erst als Flugbegleiter, da ist er bestimmt viel herumgekommen. Seit einiger Zeit ist er als Agent der polnischen Bank tätig und wirbt um Kunden in Deutschland. So mag er auch an Herrn Kuszynski geraten sein. Von dort habe ich keine ergänzenden Informationen. Eigentlich müsste ja eine Datei bei ihm existieren, in welcher Kundenkontakte aufgezeichnet sind. Diese Informationen reichen mir nicht aus. Schließlich ist dieser Mann ermordet worden. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das ohne jedes Motiv geschehen ist, abgesehen von dem Umstand, dass es bisher keinen Hinweis auf den Täter gibt. Ich werde die Kollegen in Braunschweig um eine Durchsuchung seiner Wohnung bitten. Dort werden bestimmt Hinweise auf sein Umfeld gefunden.

Fels erstellte einen kurzen Bericht und setzte sich mit den Kollegen in Braunschweig in Verbindung.

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