Читать книгу Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck - Gisela von Mossen - Страница 121
- Stralsund -
Оглавлениеzurück, wo wir schon bald im Hotel Baltic ein ausgiebiges Abendessen genossen, zusammen mit einem jungen Pärchen aus Rostock, das sich zu uns an den Tisch setzte. Es wurde ein ausgesprochen lustiger Abend, sie war Gärtnerin, gebürtige Ostberlinerin mit entsprechender Klappe, und er ein grundsolider Mecklenburger Fischer mit herrlichem trockenen Humor. Ihre Ansichten zur Wiedervereinigung waren ein Feuerwerk an witzigen Sprüchen, vor allen Dingen bedauerten sie das EDV = Ende der Versorgung. Zuletzt verlegten wir unsere angeregte Unterhaltung in unser Mobi, wo wir bei Schokoladenostereiern, Keksen und Fruchtsaft den Fall der Mauer bis weit nach Mitternacht feierten. Geschlafen wurde auf einem schon vorher auserkorenen Parkplatz direkt am Fahrgasthafen mit Blick auf die ein- und auslaufenden Fähren und vom Fang zurückgekehrten Fischerboote.
Der ebenfalls sonnige Ostermontag brachte uns zunächst in die Universitäts- und ehemalige Hansestadt Greifswald, die Heimat des bekannten romantischen Malers Caspar David Friedrich, dessen berühmtes Bild von den Kreidefelsen auf Rügen wohl jedem Kunstkenner ein Begriff ist. Die Gute Stube dieser Stadt ist der Markt, umgeben von schmucken Giebelhäusern aus Gotik, Renaissance und Barock, darunter auch das markante rote Rathaus, zusammen mit dem legendären Fischmarkt mit seinem Skulpturenbrunnen und den gemütlichen Caféterrassen; ebenfalls gut erhalten die Backsteinkirchen St. Jacobi, die Marienkirche und der imposante Dom St. Nikolai.
Weiter ging die Fahrt am romantischen Greifswalder Bodden entlang, ein Randgewässer der südlichen Ostsee, hinüber zum Städtchen Wolgast, auf einer Brücke über die Peene auf die Halbinsel Usedom, durch die kleinen Seebäder Heringsdorf und Ahlbeck, in denen wir inzwischen schon einen herrlichen Sommerurlaub genossen haben, bis an die polnische Grenze bei Swinemünde. Leider ließ man uns ohne Visum nicht rüber, ein sehr netter neugieriger Grenzbeamter kam jedoch zu uns an Bord, und bei angeregter Unterhaltung erfuhren wir auch seine durchweg positiven Gedanken zur Wiedervereinigung.
Wir verließen die Halbinsel über das am Oderhaff gelegene Usedom, wie fast alle Orte auch sehr renovierungsbedürftig. In Anklam an der Peene, durch die Schiffbarkeit des Flusses ein bedeutender Hafen für die See- und Binnenschifffahrt, zeugt ein 32 m hohes spätgotisches Steintor von der einst mächtigen Stadtmauer.
Kurz hinter dem Städtchen nahmen wir einen Tramper mit, der sich als sehr aufgeschlossener Berufssoldat der ehemaligen Nationalen Volksarmee entpuppte. Interessant auch seine Meinung zu dem alle bewegenden Ereignis des Mauerfalls. Unter anderem erzählte er uns, dass er sofort am selben Abend mit seinem Trabbi innerhalb eines langen Konvois über die Grenze gefahren sei und dann heulend in seinem Wagen gesessen hätte, als die „Feinde der Deutschen Demokratischen Republik“, ein dichtes Spalier bildend, ihnen begeistert zuwinkten und Blumen in die geöffneten Fenster reichten. Das jahrelang aufgebaute Feindbild brach wie ein Kartenhaus zusammen.
In der City von Neubrandenburg, seinem Ziel, verabschiedeten wir uns von ihm. Die sehr schön am Nordufer des Tollensesees gelegene, fast kreisrund gebaute Stadt, wurde im Mittelalter mit einer sieben Meter hohen Mauer aus Feldsteinen umgeben, in die 56 kleine Fachwerkbauten, so genannte Wiekhäuser, integriert wurden, die der Beobachtung und Verteidigung dienten. Die mehr als zwei Kilometer lange Ringmauer blieb trotz 85%iger Zerstörung des Stadtzentrums im Zweiten Weltkrieg fast vollständig erhalten und mit ihr ihre vier prachtvollen reich verzierten Stadttore aus Backstein, davon am künstlerischsten gestaltet und mit 32 m das höchste, das Treptower Tor aus der Mitte des 14. Jh.. mit seinem im 15. Jh. hinzugebauten Vortor. Wird die Innenstadt jetzt überwiegend von modernen Nachkriegsbauten geprägt, so hat man von den Wiekhäusern knapp die Hälfte originalgetreu rekonstruiert und wieder in Benutzung genommen (Galerien und Kunsthandwerksläden).
Mit Neustrelitz erreichten wir die gleichnamige Seenplatte. Alles überragend die neugotische Kirche aus gelbem Backstein mit ihren schlanken seitlichen Türmen, ein Relikt des ehemals riesigen Schlosskomplexes der Herzöge von Mecklenburg-Strelitz, die im 18. Jahrhundert hier residierten. Wir genossen die Fahrt durch dieses landschaftlich so wunderschöne Gebiet, umso erschreckender der Zustand der kleinen Örtchen, die zum größten Teil einen sehr verfallenen Eindruck machten, anscheinend herrschte großer Mangel an Farbe, alles war so grau und trostlos, nur ganz vereinzelt leuchteten bereits frisch gestrichene Fassaden. Besonders schlimm war die Situation an den Tankstellen, es gab sehr wenige, alle machten einen heruntergekommenen Eindruck; meistens lagen sie auch noch abseits, und wenn man endlich eine fand, stieß man auf lange Warteschlangen von Trabbis und Wartburgs, einige westdeutsche Automarken mit ostdeutscher Nummer waren allerdings auch schon darunter, der Gebrauchtwagenhandel blühte.
Um 19.00 Uhr entschlossen wir uns in dem kleinen Städtchen