Читать книгу Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck - Gisela von Mossen - Страница 123
- Leipzig -
Оглавлениеauch dort Verfall und langsamer Wiederaufbau. In der Altstadt findet man noch reizvolle kleine Gassen rund um den Markt. Das Alte Rathaus und dicht daneben die Alte Waage, in der früher vor jeder Messe die Waren geprüft, gewogen und verzollt wurden, sind sehenswerte Renaissancebauten.
Da wir in der letzten Nacht so gut auf dem Marktplatz geschlafen hatten, wollten wir es in Leipzig nochmals versuchen. Zuvor mussten wir uns jedoch um unser leibliches Wohl kümmern. In einer kleinen Seitengasse entdeckten wir ein uriges kleines Lokal. Es war wie immer sehr voll, zusammen mit drei Herren mittleren Alters wurden wir an einen Tisch gewiesen. Wie sich herausstellte, waren es Pädagogen aus Leipzig, ihre Fächer Physik, Chemie und Mathe. Nochmals drei Meinungen zu dem spektakulären Ereignis, genau wie bei den vorherigen Kontakten alle positiv gestimmt, es konnte ja nur besser werden. Momentan waren sie auf der Suche nach einem westdeutschen Auto, die Marke Opel war der große Favorit. Im Verlauf des wieder sehr lustigen Abends stießen wir alle gemeinsam auf die glückliche Wiedervereinigung an.
Als wir am nächsten Morgen nach doch etwas unruhigerer Nacht unsere Vorhänge beiseite zogen, glaubten wir an eine Fata Morgana. Rund um uns herum Marktstände und reges Leben. Wir mussten doch sehr tief geschlafen haben. Ohne uns dadurch stören zu lassen, nahmen wir in aller Ruhe unser Frühstück ein, erweitert durch frisches Obst von einem nahen Händler. Plötzlich große Unruhe vor unserem Wagen. Eine ältere Frau war zu Boden gestürzt und wand sich in epileptischen Anfällen, neugierige Gaffer rundherum. Ich schnappte eine unserer Wolldecken und ein Kissen, rannte hinaus, lagerte den hin- und her schlagenden Kopf auf die weiche Unterlage und deckte die Ärmste zu. Der Notarzt war bereits benachrichtigt, ich streichelte sie und redete beruhigend auf sie ein. Es dauerte allerdings eine ganze Weile, was einen sich als schlauen Wessi entpuppenden Umstehenden zu der Aussage veranlasste: „Da schicken wir denen schon unser gutes Geld rüber zum Anschaffen von neuen Krankenwagen, und dann kommen sie noch nicht mal, bei uns geht das viel schneller, in wenigen Minuten ist Hilfe da!“ Ich machte meinem Ärger über diese völlig überflüssige und dumme Bemerkung Luft. Gott sei Dank kam in diesem Moment die Ambulanz, und die Kranke wurde sofort medizinisch versorgt. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich beruhigte, manchmal muss man sich wirklich für seine Landsleute schämen!
Nach einem kurzen Bummel über den Markt, so weit die Füße trugen, ließen wir uns auf einer Bank in der Sonne nieder und schauten dem bunten Leben und Treiben zu. Auch einige Händler aus dem Westen boten ihre Waren an, allerdings, wie wir leider feststellen mussten, zu weit überhöhten Preisen. Die Nähe zu Auerbachs Keller, dem Goethe in seinem Faust ein Denkmal setzte, verführte uns dazu, mittags in dem geheiligten Gewölbe mit großem Appetit leckere Leber mit lockerem Kartoffelpüree und gerösteten Zwiebelringen nebst Apfelspalten zu verzehren.
Danach brachen wir sofort auf. In Naumburg an der Saale, im südöstlichen Zipfel von SACHSEN-ANHALT gelegen, war es zunächst der imposante, größtenteils aus der ersten Hälfte des 13. Jh. stammende Dom St. Peter und Paul, den wir ansteuerten, durch seine vier hoch aufragenden Türme, die sich sehr eindrucksvoll vor den zum Teil mit Wein bebauten Hängen erheben, ist er schon von weitem sichtbar. Sein eindrucksvolles Inneres, wie z.B. die weltberühmten Stifterfiguren, 12 lebensgroße Steinskulpturen, und vieles andere mehr besichtigten wir in aller Ruhe zu einem späteren Zeitpunkt, als der Rollstuhl uns zu mehr Bewegungsfreiheit verhalf.
In der Altstadt säumen attraktive Bürgerhäuser, meist aus der Zeit des Barock und der Renaissance, die schmalen Gassen und umrahmen ebenso den weiträumig angelegten Marktplatz, sehr schön das Rathaus, ein spätgotischer Bau mit repräsentativem Renaissanceportal. Auf der anderen Seite des Platzes erhebt sich die alte Residenz mit ihren zwei spitzen Giebeln, die 1652 aus drei benachbarten Häusern entstand und für Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz errichtet wurde. Daneben steht das älteste Haus der Stadt, das so genannte Schlösschen, von 1542-46 Sitz des einzigen evangelischen Bischofs in Naumburg, überragt von der wuchtigen Stadtkirche St. Wenzel, eine spätgotische Hallenkirche, genannt nach dem heiligen Wenzel, dem Schutzpatron der Stadt..
Die in Weimar - inzwischen waren wir also in THÜRINGEN - der Stadt von Goethe und Schiller, geplante Sightseeing-Tour per Mobi musste leider ins Wasser fallen (sie wurde später per Rollstuhl ausgiebig nachgeholt), weil die Innenstadt völlig gesperrt war, und alle Sehenswürdigkeiten lagen nun einmal dort, wie z.B. das Goethe- und das Schillerhaus, das im klassizistischen Stil erbaute Deutsche Nationaltheater, die spätgotische Stadtkirche mit dem wertvollen Flügelaltar von Lucas Cranach dem Älteren sowie dessen Sohn, das Schloss, Palast der Herzöge von Sachsen-Weimar und vieles andere mehr. Die Bauhaus Stätten in Weimar gehören seit 1996 und das klassische Weimar seit 1998 zu den Weltkulturerbestätten der UNESCO.
Bei dem späteren Besuch besichtigten wir auch das 1937 auf dem Ettersberg im Norden der Stadt angelegte berüchtigte Konzentrationslager Buchenwald. In dem weit angelegten Museum, einige alte Gebäude und düstere enge Gefängniszellen sind noch vorhanden, wird der mehr als 56.000 Menschen gedacht, die hier unter großen Qualen den Tod fanden. Ein eindrucksvolles Mahnmal mit Glockenturm erinnert an die überlebenden Häftlinge, die sich am 11. April 1945 selbst befreiten. Erschüttert und mit einem dicken Kloß im Hals verließen wir diese Stätte, von der wir hoffen, dass sich noch sehr viele Menschen dort vor Ort über die unfassbaren Gräueltaten informieren, damit Derartiges sich niemals wiederholen kann.
Die Hauptstadt THÜRINGENS,