Читать книгу Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck - Gisela von Mossen - Страница 128

- Prag (Praha) -

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in der wir am frühen Abend ankamen. Bei anhaltendem herrlichen Sommerwetter verzehrten wir unser mit Würstchen und Kartoffelsalat etwas frugaleres Mahl, das einzige was es von der sowieso nicht recht umfangreichen Speisekarte des Ausflugsrestaurants noch gab, wieder unter freiem Himmel. Dafür hatten wir von der hoch oben gelegenen Terrasse einen traumhaften Blick auf die Moldau, ihre unzähligen steinernen Brücken, allein im inneren Stadtgebiet sind es fünfzehn, die den Fluss überspannen, und die Alt- und Neustadt mit ihren vielen Türmen.


Für unsere zweite Übernachtung fanden wir einen tollen Platz direkt am linken (westlichen) Moldauufer, in dem Kleinseite genannten Stadtviertel unterhalb des berühmten Wahrzeichens der Stadt, der mächtigen Burg (Hradschin), mit Blick auf die nicht minder bekannte Karlsbrücke, die älteste Prager Brücke, 1357 durch Karl IV. (1355 zum Kaiser gekrönt) errichtet, die aus Stein gebaut auf 16 massigen Pfeilern den Fluss überspannt, geschmückt mit 30 Statuen und Skulpturengruppen von Heiligen, die im Laufe der Zeit aufgestellt wurden, sowie imposanten Brückentürmen an beiden Ufern. Außer uns hatten noch zehn andere Wohnmobilisten aus ganz Europa diese Perle entdeckt, was zur Folge hatte, dass sich ein angeregter Erfahrungsaustausch entwickelte.


Den nächsten etwas schwülwarmen Vormittag nutzten wir zu ausgiebiger privater Stadtrundfahrt. Es gab aber auch sehr viel zu sehen. Zunächst widmeten wir uns natürlich der Kleinseite, deren Zentrum der Ring bildet, ein von Patrizierhäusern, Adelspalästen und Laubengängen umgebener lebhafter Platz, unterteilt von der schönsten und bedeutendsten, 1750 nach 50-jähriger Bauzeit fertig gestellten Prager Barockkirche St. Niklas, deren 80 m hohe Kuppel und der gleich große frei stehende Glockenturm alle umstehenden Gebäude überragen. In der nahen, leicht ansteigenden Nerudagasse stehen links und rechts barocke Adels- und Bürgerhäuser, die zum Teil noch die alten fantasievollen Namensschilder tragen, wie z.B. „Zum grünen Hirschlein“ oder „Esel bei der Wiege“, was auch immer das bedeuten sollte.


Am hoch gelegenen Hradschiner Platz schließlich stößt man auf fünf imponierende Paläste aus verschiedenen Stilepochen, wie z.B. das barocke Toskanerpalais, das Erzbischöfliche Palais mit verschnörkelter Rokokofassade und schließlich die benachbarten Paläste Martiniz und Schwarzenberg im repräsentativen Renaissancestil.

Hier erhebt sich last not least auch die gewaltige Prager Burg, die, umgeben von einer hohen Mauer, mit den zahlreichen Bauwerken, die dort im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind, einen Stadtteil für sich bildet. Mit dem Ausdruck Hradschin ist übrigens nicht nur die Burganlage gemeint, sondern auch der gesamte Hügel oder Bergsporn, auf dem diese sich ausbreitet sowie ebenso der westlich daran angrenzende Stadtteil Prags.


Leider fanden wir an dem Tag den Haupteingang durch ein großes schmiedeeisernes Tor verschlossen, flankiert von riesigen Barockstatuen, den Kämpfenden Giganten; ein davor postierter Polizist versuchte uns in flüssigem Tschechisch den Grund zu erklären, aber der Sprache nicht mächtig, nützte uns das sehr wenig. Also warfen wir wenigstens durch das Gitter einen Blick in den ersten der drei Burghöfe, den so genannten Ehrenhof, und weiter durch das zum zweiten Burghof führende geöffnete barocke Matthiastor in den größeren durch zwei kunstvoll verzierte Brunnen etwas hübscher gestalteten zweiten. Dahinter erhebt sich majestätisch aus dem großen dritten Burghof der imposante gotische Veitsdom mit seinen hoch aufragenden Türmen, das zentrale Gebäude in der riesigen Anlage, Grundsteinlegung unter der Herrschaft von Karl IV. im Jahr 1344, bis zur endgültigen Fertigstellung vergingen fast 600 Jahre. Die gesamte Altstadt wurde 1992 ebenfalls in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.

Über eine der vierzehn weiteren Brücken, die mächtige Karlsbrücke ist den Fußgängern vorbehalten, gelangten wir schließlich in die quirlige Neustadt. Von einem Parkplatz am Ufer aus genossen wir zuerst noch einmal den traumhaften Blick auf die mächtige, sich lang hinziehende Burganlage mit dem herausragenden Veitsdom, bevor wir unsere Sightseeingtour fortsetzten. Am breiten, wie ein Park angelegten Karlsplatz steht das im Mittelalter entstandene, mehrfach umgebaute Neustädter Rathaus, das durch den 1419 dort stattgefundenen Prager Fenstersturz traurige Berühmtheit erlangte, als Anhänger des vier Jahre zuvor in Konstanz auf dem Scheiterhaufen als Ketzer verbrannten Reformators Johannes (Jan) Hus, so genannte Hussiten, dorthin zogen und, nachdem man ihren religiösen, politischen und sozialen Forderungen nicht nachgab, kurzerhand die sich dort aufhaltenden wohlhabenden katholischen Ratsherren aus dem Fenster stürzten, wodurch die verheerenden fünfzehn Jahre andauernden Hussitenkriege ausbrachen, in die auch Österreich, Ungarn, Bayern, Sachsen, Schlesien und Brandenburg hineingezogen wurden.


Der fast zweihundert Jahre später ebenfalls in Prag sich aus überwiegend religiösen Gründen ereignende Fenstersturz war der letzte Auslöser für den noch grausameren Dreißigjährigen Krieg (1618 -1648). Im so genannten „Majestätsbrief“ hatte Kaiser Rudolf II. (Habsburger), obwohl er die Gegenreformation begünstigte, aus politischen Gründen den protestantischen Böhmischen Ständen (Böhmen war das Kernland der Tschechoslowakei) im Jahre 1609 volle Religionsfreiheit und das Privileg kirchlicher und politischer Organisation garantiert. Da die kaiserlichen Statthalter, die in der Kanzlei im Hradschin residierten, sich jedoch nicht darum kümmerten, wurden sie am 23. Mai 1618 von Angehörigen des radikalen Flügels der böhmischen Ständeopposition nebst Schreiber aus ihrem Bürofenster geworfen. Im Gegensatz zu den katholischen Ratsherren überlebten sie jedoch ihren Sturz, weil sie, wenn auch nur laut Legende, recht unrühmlich in einem Misthaufen im Burggraben landeten.


Doch nun zurück zur Neustadt und zu seinem zweiten, aus der neueren Geschichte berühmten Platz, dem Wenzelsplatz, auf dem sich rund um das auf hohem Sockel aufragende Denkmal des Heiligen Wenzel, umgeben von den vier Landespatronen (förderte im 10. Jahrhundert u. a. die Christianisierung Böhmens), im August 1968 Tausende zum stummen Protest gegen den plötzlichen Einmarsch der Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten niederließen, die durch diesen gewaltsamen Akt das Ende des so genannten „Prager Frühlings“ herbeiführten. Heute gilt er mit seinen großen Hotels, Kaufhäusern, Geschäften und Restaurants als Zentrum Prags.


Danach führte uns unsere Fahrt geradewegs in das Herz der angrenzenden Altstadt, zum Altstädter Ring, ein 9.000 qm großer Platz, auf dessen Mitte sich ein überdimensionales Denkmal des Reformators Johannes Hus erhebt. Er war früher Schauplatz bedeutender historischer Ereignisse, Festplatz für Krönungen, gleichzeitig aber auch für öffentliche Hinrichtungen, ins Pflaster eingelassene Kreuze und eine Gedenktafel erinnern noch daran. Rund um den lebhaften Platz ziehen sich sorgsam restaurierte Patrizierhäuser mit ihren Laubengängen, die ältesten stammen noch aus dem Mittelalter, direkt angrenzend auch zwei der vielen Kirchen Prags, die gotische Teyn- und die barocke Kirche St. Nikolaus, unmittelbar daneben das Geburtshaus des Schriftstellers Franz Kafka (1883), eine Bronzebüste macht darauf aufmerksam. Hauptanziehungspunkt ist das spätgotische Rathaus mit seiner Astronomischen Uhr von 1410, ein dreiteiliges Meisterwerk. Da gerade die volle Stunde schlug, als ich das hübsche Objekt aufs Foto bannen wollte, kamen wir auch noch in den Genuss der stündlich stattfindenden Vorführung: Ein Gerippe beginnt das Sterbeglöcklein zu läuten, Jesus und seine Apostel ziehen nickend vorbei, ein Hahn kräht, und ein Muselmane schüttelt ungläubig den Kopf. Das Zifferblatt zeigt den jährlichen Lauf von Sonne, Mond und Planeten und ganz nebenbei auch die genaue Zeit.

Mit der Besichtigung des nahen Kreuzherrenplatzes, in der Mitte ein imposantes Denkmal für Kaiser Karl IV., einander schräg gegenüber die barocken Kirchen St. Franziskus und St. Salvator, beendeten wir unsere Sightseeing-Tour und verabschiedeten uns von dieser so schönen und interessanten Stadt.


Auf einer Nebenstrecke ging es über Stock und Stein, durch kleine überholungsbedürftige Orte, vorbei am großen Zelivka Stausee, eine Weile am romantischen Flüsschen Sasau entlang unserem nächsten Tagesziel entgegen, der drittgrößten Stadt der Tschechoslowakei, der Industrie- und Universitätsstadt

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